Bevölkerungsschutz: Hilfsorganisationen fordern Reformen
Der Bevölkerungsschutz sei für moderne Krisen nicht gut genug aufgestellt, warnen mehrere Hilfsorganisationen. Sie appellieren an den Bund, die Finanzierung zu verbessern und klare Regelungen zu schaffen.
IMAGO / Sylvio Dittrich
Katastrophenschutzübung „Weißer Schaum ‘25” im März 2025 in Sachsen: Dabei wurde ein starkes Hochwasser an der Weißeritz simuliert.
Der Bevölkerungsschutz ist in Deutschland ein komplexes und verzweigtes System. Er besteht zum einen aus dem Katastrophenschutz, für den die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig sind. Wenn es beispielsweise zu einer Naturkatastrophe kommt, haben also die Landrät*innen die Hauptverantwortung. Im Idealfall arbeiten dann Feuerwehren, Polizei, kommunale Ordnungsbehörden und freiwillige Rettungsdienste wie der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und Deutsches Rotes Kreuz (DRK) eng zusammen.
Die zweite Säule ist der Zivilschutz, womit der Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren gemeint ist. Hier liegt die Zuständigkeit beim Bund. Dort ist auch das Technische Hilfswerk (THW) als Zivil- und Katastrophenschutzorganisation angesiedelt. Obwohl organisatorisch ans Bundesinnenministerium angedockt, wird die Arbeit des THW von zehntausenden Ehrenamtlichen getragen.
Deutschland soll krisenfest werden
Nun appellieren fünf große Hilfsorganisationen an den Bund, den Bevölkerungsschutz zu reformieren. Neben dem ASB und DRK haben sich auch die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und der Malteser Hilfsdienst (MHD) an dem Aufruf beteiligt. Der Bevölkerungsschutz müsse „krisenfest“ werden, fordern sie. Die Organisationen verweisen darauf, dass Naturkatastrophen ebenso zunähmen wie sicherheitspolitische Bedrohungen, beispielsweise durch Russland und andere autokratisch regierte Staaten.
„Der Schutz der Bevölkerung wird maßgeblich von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern getragen“, erklärten die Hilfsorganisationen in einer Mitteilung. Ihr Einsatz müsse durch bessere gesetzliche Rahmenbedingungen und eine angemessen finanzielle Ausstattung gesichert werden. Die Organisationen stören sich unter anderem daran, dass der Katastrophenschutz in jedem Bundesland anders geregelt ist. Doch Naturkatastrophen oder Pandemien machen nicht an Ländergrenzen Halt. „Wir fordern eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung zur Freistellung, sozialen Absicherung und Aufwandsentschädigung aller ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer“, erklärte ASB-Geschäftsführerin Edith Wallmeier. Das gelte nicht nur für Einsätze, sondern auch für Übung und Ausbildung.
Was besser werden soll
Konkret erheben die Hilfsorganisationen sechs Forderungen:
- Es soll ein integriertes Krisenmanagement entwickelt werden, dass alle staatlichen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteure einbezieht. Dazu gehören standardisierte Verfahren, gemeinsame Ausbildungen und regelmäßige Übungen.
- Das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz soll reformiert werden mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für Ehrenamtliche zu vereinheitlichen.
- Die Bundesregierung soll deutlich mehr Geld für den Bevölkerungsschutz ausgeben, nämlich 0,5 Prozent des Bundeshaushaltes, was rund 2,4 Milliarden Euro pro Jahr entspräche. Die Organisationen wollen mit dem Geld ihre Ausrüstungen modernisieren und ihre Einsatzbereitschaft sicherstellen. Zum Vergleich: Im aktuellen Bundeshaushalt 2025 sind 240 Millionen für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie 417 Millionen für das THW vorgesehen, zusammen also 657 Millionen Euro.
- Der Staat soll Freiwilligendienste und die Ehrenamtskoordination stärker fördern und im Sozialversicherungsrecht weitere Anreize für ehrenamtliche Arbeit setzen. So sollen mehr Helfer*innen gewonnen und langfristig gebunden werden.
- Die breite Bevölkerung soll stärker in den Bevölkerungsschutz eingebunden werden: zum Beispiel, indem sie durch Bildungs- und Informationsprogramme auf mögliche Krisensituationen vorbereitet werden. Dazu zählen unter anderem Erste-Hilfe-Kurse oder Tipps, welche Vorräte jeder Haushalt für Notfälle anlegen sollte.
- Deutschland soll sich stärker als bisher in internationale Netzwerke zur zivilen Katastrophenhilfe einbringen.
Faeser sieht finanziellen Handlungsbedarf
Das für Bevölkerungsschutz zuständige Bundesinnenministerium (BMI) erklärt auf DEMO-Anfrage, dass in den Zivil- und Katastrophenschutz auch aus Sicht des Ministeriums erheblich investiert werden müsse. Daher habe sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits in den letzten Haushaltsverhandlungen der bisherigen Bundesregierung für erhebliche Aufwüchse in diesen Bereichen stark gemacht. „Die jetzt verabschiedete Verfassungsänderung, die weitere Investitionen erheblich erleichtern wird, begrüßt das BMI daher ganz ausdrücklich”, teilt ein Sprecher mit.
Über die konkreten Fragen zum nächsten Bundeshaushalt und den Finanzmitteln des Bundes werde sich die künftige Bundesregierung verständigen.
Mehr zum Thema Bevölkerungsschutz:
Der Deutsche Städtetag hat 2021 ein eigenes Diskussionspapier zum Thema veröffentlicht, das hier abrufbar ist. Der Deutsche Landkreistag hat weiterführende Informationen und Stellungnahmen auf landkreistag.de gesammelt.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.