Böllerverbot: Welche Städte es nutzen, wie es ausgeweitet werden könnte
Die Silvesterknallerei hallt nach: Knapp zwei Millionen Menschen haben eine Petition für ein umfassendes Böllerverbot unterschrieben. Viele Kommunen haben bereits einzelne Verbotszonen eingerichtet, doch für mehr fehlt ihnen die Handhabe. Ein FAQ.
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Am Montag übergaben Vertreter von GdP und Deutscher Umwelthilfe knapp zwei Millionen Unterschriften für ein Böllerverbot an Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium.
Warum wird wieder über ein Böllerverbot diskutiert?
Seit Jahren kommt es an Silvester immer wieder zu Bränden und schweren Verletzungen durch Feuerwerk sowie zu Ausschreitungen. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jochel Kopelke sagte zu Jahresbeginn: „Fünf Tote durch schwere Böllerexplosionen sind eine schlimme Bilanz für den ersten Tag im neuen Jahr.“ Es könnten noch mehr werden. So kämpft in Berlin ein siebenjähriger Junge um sein Leben, der mutmaßlich von einer illegalen Kugelbombe getroffen wurde.
Kopelke kommentierte weiter, dass normales Feuerwerk Einigen nicht mehr ausreiche. Es müsse immer mehr Sprengkraft, große Explosionen und viel Feuer dabei sein. Polizeikräfte würden angegriffen: „In Leipzig, München, Köln und Hamburg wurden wir gezielt beschossen und verletzt“, so Kopelke.
Die GdP Berlin hat auf die Ereignisse reagiert und eine Petition gestartet, die „ein umfassendes Böllerverbot im Privatbereich“ fordert. Stattdessen bedürfe es organisierter Veranstaltungen. Die Petition wurde von vielen weiteren Organisationen wie Umwelt- und Tierschutzverbänden unterstützt und innerhalb weniger Tage knapp zwei Millionen Mal unterschrieben. Am 6. Januar wurde sie dem Bundesinnenministerium übergeben.
Wie reagiert der Deutsche Städtetag auf die Debatte?
Der Deutsche Städtetag fordert ein Maßnahmenpaket gegen Silvestergewalt. Dazu gehören mehr Bodycams für die Polizei, schnellere Strafverfahren, ein Verbot von Schreckschusswaffen sowie Grenzkontrollen gegen die Einfuhr von illegalen Böllern wie Kugelbomben. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy erklärte: „Außerdem brauchen die Städte endlich mehr Handlungsspielraum, wenn sie Böllern in der Öffentlichkeit eingrenzen wollen. Seit Jahren schon wird eine Änderung der Sprengstoffverordnung im Bund diskutiert, passiert ist aber nichts.“
Wie ist die Rechtslage zum Böllerverbot bisher?
Allgemein wird zwischen Ganzjahresfeuerwerk wie Wunderkerzen (Kategorie F1) und Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2, zu der Raketen und Böller gehören, unterschieden. Letzteres darf nur am 31. Dezember und 1. Januar gezündet werden.
Verboten ist das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk laut Bundesinnenministerium in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen, Reet- oder Fachwerkhäusern sowie in Bereichen mit großen Menschenansammlungen – wie der Silvesterfeier am Brandenburger Tor. Darüber hinaus können Kommunen das Böllern zeitlich einschränken (zum Beispiel auf 18 Uhr abends bis 6 Uhr morgens) oder auch komplett verbieten.
Verbotszonen sind in § 24 der Sprengstoffverordnung (1. SprengV) geregelt. Demnach können Behörden das Abbrennen von F2-Feuerwerk in der Nähe von Gebäuden und Anlagen verbieten, die besonders brandempfindlich sind. Und sie können es „in bestimmten dichtbesiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden“ untersagen. Letzteres bezieht sich allerdings nur auf Pyrotechnik „mit ausschließlicher Knallwirkung“. Das heißt: Böller können verboten werden, Silvesterraketen nicht. Manchen Kommunen gehen diese Regelungen nicht weit genug.
Welche Städte verhängen bereits Verbotszonen?
Einige Beispiele: Die Stadt München hat das Böllern zum Jahreswechsel 2024/25 in Teilen der Altstadt und in den Umweltzonen des Mittleren Rings verboten. In Düsseldorf wurde die gesamte Altstadt zur böllerfreien Zone erklärt. In Nürnberg wurden Feuerwerkskörper rund um die Burg untersagt. Bochum hat zwei Straßen zur Verbotszone erklärt, nachdem dort in den vergangenen Jahren Polizeikräfte angegriffen worden waren. Bielefeld hat ein Feuerwerksverbot für eine Partymeile am Hauptbahnhof erlassen.
Andere Großstädte haben dagegen gänzlich auf örtliche Böllerverbote verzichtet, darunter Dortmund, Essen und Duisburg.
Warum gibt es bisher keine strengeren Gesetze?
Für viele Menschen in Deutschland gehört das private Abbrennen von Feuerwerk zum Brauchtum. Entsprechend zurückhaltend reagiert die Politik auf Verbotsforderungen.
Erst im vergangenen November hat sich der Bundesrat mit zwei Vorschlägen befasst, die Voraussetzungen für ein Böllerverbot zu ändern. Rheinland-Pfalz wollte ein Feuerwerksverbot in der Nähe von Tierheimen ermöglichen (Link zur Drucksache). Noch weiter ging ein Entwurf des Innenausschusses der Länderkammer. Dieser schlug vor, die Beschränkung zu streichen, dass Verbote nur in „dichtbesiedelten“ Gebieten und nur für Feuerwerk „mit ausschließlicher Knallwirkung“ ausgesprochen werden können. Stattdessen sollten Verbote aus Gründen „des Tier-, Natur oder Umweltschutzes, Brandschutzes, Lärmschutzes, Gesundheitsschutzes oder zur Verhinderung sonstiger Störungen der öffentlichen Ordnung“ verhängt werden können.
Beide Vorschläge wurden vom Bundesrat abgelehnt.
Ist jetzt mit einem verschärften Böllerverbot zu rechnen?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich laut Medienberichten zumindest offen dafür, „mehr gezielte Handlungsmöglichkeiten vor Ort“ zu schaffen. Bundesweite Feuerwerksverbote lehnt sie ab.
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) würde gerne ein flächendeckendes Böllerverbot für die Stadt Berlin erlassen und nur für einzelne Zonen Ausnahmen ermöglichen. Nach der aktuellen Rechtslage ist das nicht möglich. Eine Länder-Öffnungsklausel im Sprengstoffrecht könnte das ändern und den Ländern Spielräume eröffnen, um „Pyro-Erlaubniszonen“ statt Verbotszonen festzulegen. Ob Berlin eine entsprechende Bundesratsinitiative startet, ist bisher offen. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gilt als Skeptiker des Vorschlags.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.