Bündnis fordert Sondervermögen für Sozialwohnungen
Das Bündnis Soziales Wohnen mit Geschäftsstelle in Berlin besteht seit 2019. Die Kooperateure kommen aus sehr unterschiedlichen Lagern. Vertreten ist die Caritas, die IG Bau sowie der Deutsche Mieterbund (DMB). Aus dem Bereich der Baubranche sind der Bundesverband Baustoff-Fachhandel und die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau Teile des Bündnisses.
Um ihre in einer Pressekonferenz präsentierten Forderungen nach einem Sondervermögen sowie reduzierten Mehrwertsteuersatz zu belegen, hatte es die Studie „Bauen und Wohnen in der Krise“ in Auftrag gegeben. Das Pestel-Institut in Hannover und das Bauforschungsinstitut ARGE in Kiel hat diese erarbeitet. Die Ergebnisse bestätigen, was in den Kommunen bereits seit langem beklagt wird: Es fehlen Sozialwohnungen an allen Ecken und Enden. Außerdem vergeht von der ersten Idee bis zur Fertigstellung eines Gebäudes zu viel Zeit. Das Bündnis spricht von bis zu 90 Monaten.
In Deutschland fehlen 700.000 Wohnungen
Die Ziele der Bundeswohnungsbauministerin Klara Geywitz (SPD) seien ehrenwert, betonten die Beteiligten an der Pressekonferenz. Doch die Zahl von 400.000 Neuwohnungen jährlich, um der Wohnungsnot zu begegnen, sei vor dem Krieg im Koalitionsvertrag festgezurrt worden. Eine Zuflucht nach Deutschland in dieser Größenordnung sowie die Preissteigerungen als Kriegsfolgen seien nicht vorhersehbar gewesen. Die Lage sei inzwischen dramatisch, darin zeigten sich die Bündnispartner in der Veranstaltung einig. Aktuell fehlen laut ihrer Schätzung 700.000 Wohnungen in Deutschland.
DMB-Präsident Lukas Siebenkotten forderte, mit „außergewöhnliche Lösungsansätze“ eine Gegenoffensive zum drohenden Kollaps zu starten. Ein Ansatz ist nach Auffassung des Bündnisses, dass Bund und Länder dem Vorbild Aufstockung des Wehretats folgen und für den sozialen Wohnungsbau ein Sondervermögen von wenigstens 50 Milliarden Euro einrichten. Für die Bundeswehr sind 100 Milliarden Euro reserviert. Für Bauträger müssten die Anreize so groß werden, dass „sie sagen, das lohnt sich“, so Siebenkotten.
Absenkung der Mehrwertsteuer bringt Kostenvorteile
Ohne zusätzliches Geld gäbe es kein ausreichendes Wachstum auf dem geförderten Wohnungsmarkt, darin sind sich die Bündnispartner einig. Der Bund hat für die kommenden drei Jahre für den Bau von Sozialwohnungen 14,5 Milliarden Euro reserviert. Harald Schaum, Bundes-Vize der IG Bau, rechnete den Vorteil eines weiteren Lösungsansatzes vor: Eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent würde eine 60 Quadratmeter große Sozialwohnung um 20.000 Euro günstiger machen. „Wenn das für Investoren kein Juckreiz ist, dann weiß ich nicht“, so der Gewerkschafter.
Die Bündnis-Mitglieder auf der Arbeitgeberseite fürchten ein Straucheln der gesamten Baubranche, sollten die Preissteigerungen nicht durch staatliches Geld zumindest teilweise ausgeglichen werden. Sollten Beschäftigte abwandern, seien diese nicht mehr zurückzugewinnen, wenn der Baubetrieb nach den Krisen wieder normal laufen könnte, sind sie überzeugt. „Eine verschärfte Rezession am Bau“ führe zu einem „weiteren Einbruch beim sozialen Wohnungsbau“, sagten sie. Um dies zu verhindern, komme dem Umgang mit dem Bauüberhang, also den genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten oder begonnenen Wohnungsbauprojekten, eine besondere Bedeutung zu.
Die soziale Wohnungsbauförderung könne sich „zu einem entscheidenden Faktor entwickeln“, wenn Investoren die Chancen für die Realisierung ihrer Projekte erkennten und Kommunen möglicherweise notwendige Anpassungen kurzfristig genehmigten. Ein Umschwenken von freifinanziertem Wohnungsbau hin zu sozialem Wohnungsbau müsse in jeder Projektphase vor der Fertigstellung möglich sein und planungsrechtliche Unterstützung erfahren. Überdies müssten Kommunen „ausgewiesene Baulandflächen und den Bedarf an Sozialwohnungen in Einklang bringen“.
Zuwanderung bis 500.000 Menschen im Jahr nötig
Nach Angaben des Pestel-Instituts sind im vergangenen Jahr knapp 1,3 Millionen Menschen in Deutschland hinzugekommen. Das seien nicht allein Geflüchtete aus der Ukraine, Syrien oder Afghanistan. Es gebe auch starke Wanderungen innerhalb der Europäischen Union, so Institutsleiter Matthias Günther. Eine Zuwanderung sei in den kommenden Jahren notwendig, um dem demografischen Wandel zu begegnen. „Die demografische Entwicklung erfordert bei stabilen und aufnahmefähigen Arbeitsmärkten weiterhin eine hohe Zuwanderung zwischen 300.000 und 500.000 Personen je Jahr“, sagte er. Die Zuwanderer würden aber nur kommen, „wenn sie in Deutschland auch willkommen sind und hier wohnen können.“
Zum akuten Wohnungsmangel sagt der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Bernhard Daldrup: „Als Ampelkoalition wollen wir dieser Situation etwas entgegensetzen und haben ein umfangreiches Programm für den sozialen Wohnungsbau ins Leben gerufen.” Mit den 14,5 Milliarden Euro, die die Koalition bis 2026 zur Verfügung stellt, wolle sie jährlich bis zu 100.000 sozialgeförderte Wohnungen schaffen. Für den Neubau mache die Ampel eine Milliarde Euro frei.
„Es muss ernsthaft über eine Aufstockung der Mittel nachgedacht werden, damit der Wohnungsbau nicht zum Erliegen kommt”, meint Daldrup. Daneben müssten Bauverfahren digitalisiert, vereinfacht und so beschleunigt werden. In den Innenstädten brauche es Möglichkeiten zur Umnutzung, Aufstockung und Nachverdichtung.
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu