Aktuelles

Bürgergeld-Kürzung: Warum Hubertus Heils Pläne verfassungskonform sind

Eigentlich darf das Bürgergeld nicht völlig gestrichen werden - außer wenn das Angebot einer zumutbaren Arbeit abgelehnt wird. Das will Arbeitsminister Hubertus Heil jetzt ermöglichen.
von Christian Rath · 3. Januar 2024
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, aufgenommen auf dem SPD-Parteitag im Dezember 2023.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will Bürgergeld-Bezieher*innen die Leistung vollständig streichen, wenn eine zumutbare Arbeit abgelehnt wird. Das ist mit dem Grundgesetz vereinbar, auch wenn das Bundesverfassungsgericht 2019 die Totalstreichung des Existenzminimums überwiegend verboten hat.

Heil: System nicht in Verruf bringen

Der Gesetzentwurf, den Minister Heil am 28. Dezember 2023 vorlegte, sieht vor, dass der Regelsatz des Bürgergelds vollständig gestrichen wird, „wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich willentlich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen“. Das Bürgergeld soll dann laut Gesetzentwurf maximal zwei Monate entfallen. „Es kann nicht sein, dass eine kleine Minderheit das ganze System in Verruf bringt“, sagte Heil zur Begründung.

2019 befasste sich das Bundesverfassungsgericht eingehend mit Sanktionen beim Bürgergeld-Vorgänger, dem Arbeitslosengeld 2, auch Hartz IV genannt. Das Gericht kam zum Schluss, dass nach Pflichtverletzungen allenfalls eine 30-prozentige Kürzung der existenzsichernden Leistung möglich sind. Es gebe keine Erkenntnisse, dass eine 60-Prozent-Kürzung oder gar eine völlige Streichung zu sinnvollen Ergebnissen führe. Im Gegenteil: Häufig verelenden Betroffene, verlieren ihre Wohnung, brechen den Kontakt zu den Behörden ab oder werden sogar kriminell.

Leistungsberechtigte haben es in der Hand

Ist Heils Plan also verfassungswidrig? Nein, denn bei einer Art der Pflichtverletzung ist laut Bundesverfassungsgericht eine Totalstreichung des Regelsatzes als Sanktion möglich: Wenn die „Aufnahme einer angebotenen zumutbaren Arbeit“ abgelehnt wird. Denn damit haben es Leistungsberechtigte in der Hand, ihre menschenwürdige Existenz selbst zu sichern.

Nicht zulässig wäre eine Totalstreichung als Sanktion jedoch, wenn lediglich Meldefristen versäumt oder Fortbildungsangebote abgelehnt werden. Tatsächlich soll hier auch weiterhin höchstens eine 30-prozentige Streichung des Bürgergeldes möglich sein. Wenn Minister Heil behauptet, sein Plan richte sich gegen „Totalverweigerer“, die „alle Angebote“ ablehnen, ist das falsch. Die Verschärfung bezieht sich ausschließlich auf die Verweigerung von Arbeitsangeboten und ist deshalb auch mit dem Grundgesetz vereinbar.
Heils Plan entspricht Karlsruher Vorgaben

Auch sonst wird Heils Plan den Karlsruher Vorgaben gerecht. In Härtefällen, etwa bei psychischen Beeinträchtigungen, darf das Bürgergeld nicht gestrichen werden. Auch bei einer Totalstreichung des Regelsatzes muss der Staat für die Miete weiter aufkommen, damit nicht die Wohnung verloren geht.

Autor*in
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent für verschiedene Tageszeitungen, den vorwärts und die DEMO.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare