Bund finanziert Ansprechstelle für bedrohte Kommunalpolitiker*innen
Carl-Friedrich Höck
Mit einer Million Euro finanziert der Bund die Einrichtung einer Ansprechstelle zum Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträger*innen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) übergab am Freitag in Berlin einen entsprechenden Förderbescheid an das Deutsche Forum für Kriminalprävention (DFK). Dieses soll die Ansprechstelle aufbauen.
Kommunalpolitik sei unmittelbar, bürgernah und konkret, betonte Faeser bei dem Termin im Innenministerium. „Diese Nähe macht aber auch verwundbar.“ Die Zahl der Attacken auf Kommunalpolitiker*innen habe sich in den vergangenen Jahren nahezu verdreifacht. Das reiche von Hassmails über tätliche Angriffe bis hin zum Mord. Den 2019 erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke kannte Faeser persönlich.
Ansprechstelle soll Lotsenfunktion erfüllen
Viele Taten würden gar nicht erst zur Anzeige gebracht, erklärte Faeser. Manche Bedrohungen lägen zudem unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Etwa, wenn jemand sage: „Ich weiß, wo deine Kinder zur Schule gehen“. Trotzdem habe das Folgen, besonders für Frauen. Die Innenministerin berichtete: „Ich habe die eine oder andere Bürgermeisterin erlebt, die sagt, dann höre ich lieber auf, um meine Familie zu schützen. Das dürfen wir als Staat nicht hinnehmen!“
Deshalb brauche es Präventions- und Unterstützungsangebote, ergänzte Faeser. Die zentrale und bundesweite Ansprechstelle solle Kommunalpolitiker*innen zur Seite stehen. „Sie wird Betroffene betreuen, ihnen als Lotse dienen und als Mittlerin fungieren zwischen den Betroffenen und der Justiz, den Sicherheitsbehörden und der Verwaltung.“
Anregung kam von einem Netzwerk
Damit setzt der Bund einen Vorschlag der „Allianz zum Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträger“ um. Ihr gehören neben den zuständigen Behörden auch die kommunalen Spitzenverbände, kommunalpolitische Vereinigungen und gesellschaftliche Organisationen an.
Andreas Beelmann, Vorstandsvorsitzender der DFK, nahm den Förderbescheid entgegen. Er nannte es ein „wichtiges Zeichen für die wehrhafte Demokratie“, dass die Politik sich den Kampf gegen Extremismus und Demokratiefeindlichkeit auch etwas kosten lasse – trotz Zeiten knapper Kassen.
Anfeindungen kosten Energie
Von ihren praktischen Erfahrungen berichtete Wiebke Sahin-Schwarzweller (FDP), Bürgermeisterin der Stadt Zossen in Brandenburg. Schon im Wahlkampf habe sie Hassreden und Verleumdungen erlebt. Diese hätten sich nicht nur gegen sie, sondern auch gegen ihren Ehemann gerichtet. Von Kommunalpolitiker*innen werde erwartet, dass sie einiges aushalten können. „Aber dieses dicke Fell kostet Kraft, viel Kraft.“ Diese würde sie lieber in ihre Arbeit als Bürgermeisterin stecken.
Der Deutsche Städtetag begrüßt die neue Ansprechstelle. Präsident Markus Lewe erklärt in einer Mitteilung, dass sich für Betroffene von Anfeindungen viele Fragen stellen: „Was muss ich dokumentieren, wie gehe ich am besten vor, wie hoch ist die Fallhöhe für eine Strafanzeige? Nicht jede und jeder traut sich sofort, die Polizei einzuschalten.“ Hier biete die Ansprechstelle erste Hilfe an.
Laut Lewe soll die neue Anlaufstelle an die Online-Plattform stark-im-amt.de angedockt werden. Diese gibt es seit April 2021. Sie wird von den kommunalen Spitzenverbänden und der Körber-Stiftung betrieben.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.