Bundesregierung beschließt neue Wohngemeinnützigkeit
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Am Mittwoch hat das Bundeskabinett das Jahressteuergesetz 2024 beschlossen. Das klingt erst einmal unspektakulär, doch verbirgt sich dahinter u.a. die Möglichkeit, mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu schaffen. Konkret geht es darum, eine neue Wohngemeinnützigkeit (NWG) einzuführen. Ein Vorhaben, auf das sich die Regierungsparteien bereits im Koalitionsvertrag verständigt hatten.
Was ist gemeinnützig?
Das Gemeinnützigkeitsrecht existiert seit 1977. Danach werden in § 52 alle gemeinnützigen Zwecke, die für das soziale Miteinander unserer Gesellschaft elementar sind, festgelegt. Ob Förderung des Wohlfahrtswesens, Jugend- und Altenhilfe, von Kunst und Kultur oder Denkmal- und Naturschutz. Stiftungen, Vereine und soziale Einrichtungen, die in diesen Bereichen unternehmerisch tätig sind, erhalten für ihr Engagement steuerliche Vorteile. Künftig soll auch die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum als gemeinnützig gelten. Begründung des Bundesbauministeriums: Die NWG wird zu einer Stärkung des sozialen Engagements in unserer Gesellschaft beitragen.
Wie funktioniert die Wohngemeinnützigkeit?
Diese Regelung ermöglicht es sozial orientierten Unternehmen, Vereinen oder Stiftungen, die Wohnraum zur Verfügung stellen, künftig von Steuererleichterungen zu profitieren. Als Voraussetzung gilt, dass die jeweilige Miethöhe unter der marktüblichen Miete liegt.
Für Bundesbauministerim Klara Geywitz bildet die neue Wohngemeinnützigkeit neben dem sozialen Wohnungsbau „eine weitere starke Säule für mehr bezahlbaren Wohnraum“, betonte sie im Anschluss an den Kabinettsbeschluss. Mit der Änderung soll es künftig nicht nur rechtlich möglich, sondern auch finanziell attraktiv sein, sich bei der sozialen und langfristigen Vermietung von Wohnraum zu engagieren.
Zusätzlich soll den Unternehmen mehr Spielraum bei den Rücklagen gewährt werden. Ziel sei, mithilfe dieser Mittel größere Investitionen wie Neubau oder Sanierung ansparen zu können.
Wer profitiert von der Neuen Wohngemeinnützigkeit?
Laut Bauministerium könnten von der Regelung zunächst etwa 100 Körperschaften – wie zum Beispiel Stiftungen, Vereine oder Unternehmen – profitieren. Auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften hat das Bauministerium mit dem Gesetz im Blick. Damit kommunale Unternehmen als gemeinnützig eingestuft werden können, muss das Ausschüttungsverbot beachtet werden. Das bedeutet: Mögliche Gewinne, etwa aus Mieteinnahmen, dürfen nicht in den Haushalt der Kommune abgeführt werden, sondern müssen innerhalb des Wohnungsunternehmens reinvestiert werden.
Das Bauministerium schätzt, dass zunächst rund 105.000 Mieter*innen von dem Gesetz betroffen sind. Perspektivisch könnte der Kreis dieser Mieter*innen deutlich steigen. Um in eine gemeinnützige Wohnung einziehen zu können, darf das Einkommen der Mieter*innen eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Diese ist so festgelegt, dass 60 Prozent der Haushalte in Deutschland hier wohnberechtigt wären.
Wie das Vorhaben bewertet wird
Der Sozialverband VdK Deutschland zeigt sich zufrieden, dass endlich „gesetzliche Voraussetzungen für eine neue Wohngemeinnützigkeit geschaffen“ werde. Der VdK bemängelt aber, dass damit viel zu wenig Mieter erreicht würden. „Wir brauchen eine größere Lösung, damit sich viele Wohnungsunternehmen dem verschreiben und mehr bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen“, heißt es dazu ebenfalls auf X.
Kritik äußerte der Deutsche Mieterbund in einer ersten Stellungnahme. Das Kabinett habe offenbar nur eine „Mini-Gemeinnützigkeit“ vereinbart, sagte dessen Präsident Lukas Siebenkotten. „Anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen, wird auf die dringend notwendigen Investitionszulagen verzichtet.“ Die Gemeinnützigkeit helfe deshalb nur den Unternehmen, die bereits gemeinnützig sind.
Geywitz sprach auf Nachfrage von eine Missverständnis. „Das, was wir jetzt gemacht haben, ist ja erst mal eine Änderung der Abgabenordnung, wo wir die Gemeinnützigkeit wieder in Kraft setzen“, erklärte sie vor Pressevertreter*innen. Das führe dazu, dass der Bund weniger Steuern bekomme, weil gemeinnützige Wohnungen nicht versteuert werden müssen. „Darauf aufbauend kann man natürlich Förderprogramme machen“, ergänzte Geywitz. Diese müssten dann aus dem Etat des Bauministeriums finanziert werden. Diese Frage werde aber erst in den anstehenden Haushaltsberatungen entschieden. „Das wird sicherlich eine große Diskussion werden“, vermutet Geywitz.
Eine Wohngemeinnützigkeit gab es in Deutschland schon einmal. Sie wurde aufgrund einiger Skandale rund um die „Neue Heimat“ von der schwarz-gelben Bundesregierung in den 1990er Jahren abgeschafft.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.