Bundestag ringt um neue Frist für Kita-Fördermittel
Der Bedarf an neuen Kita-Plätzen ist groß. Laut einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung fehlen in diesem Jahr 384.000 Plätze, um den Bedarf der Eltern in Deutschland zu decken. Doch in den vergangenen Jahren ging der Kita-Ausbau in vielen Kommunen langsamer voran als erhofft. Das liegt an den Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine. Den Städten und Gemeinden fehlten deshalb Kapazitäten für die Planung, den Baufirmen gingen die Handwerker*innen aus und eine verlässliche Kalkulation wurde durch steigende Energiepreise und fehlendes Baumaterial erschwert.
Fast zwei Drittel der Gelder nicht abgerufen
Die Folge: Die Gelder aus dem „5. Investitionsprogramm Kinderbetreuungsfinanzierung“ wurden bisher nur teilweise abgeschöpft. Mit dem Programm unterstützt der Bund unter anderem Aus- und Umbaumaßnahmen und fördert eine bessere Ausstattung der Kitas. Eine Milliarde Euro wurde dafür bereitgestellt, ursprünglich für die Jahre 2020 und 2021. Wegen der oben genannten Verzögerungen hat der Bundestag die Frist bereits um ein Jahr verlängert. Trotzdem waren im August vergangenen Jahres erst 382 Millionen Euro abgerufen – und 618 Millionen Euro noch nicht.
Mit einem Gesetzentwurf wollen die Ampel-Fraktionen die Frist nun erneut um ein halbes Jahr verlängern. Das bedeutet: Geförderte Maßnahmen sollen nun bis zum 31. Dezember 2023 abgeschlossen werden, für den Abruf der Bundesmittel soll bis zum 30. Juni 2024 Zeit bleiben.
Bei einer Expert*innen-Anhörung im Familienausschusses des Bundestags waren sich die kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund) einig: Sechs Monate reichen nicht. Sie appellieren an den Bundestag, die Frist wenigstens um ein ganzes Jahr zu verlängern.
Bund sieht sich an EU-Vorgaben gebunden
Die Bundesregierung lehnt das bisher ab – und verweist auf ein Problem. Um das Förderprogramm zu finanzieren, hat sie nämlich Mittel aus dem Investitionsprogramm DARP (Deutscher Aufbau- und Resilienzplan) verwendet. Das Geld dafür kommt von der Europäischen Union (EU). Im Gesetzentwurf der Ampel heißt es, die Bundesrepublik müsse bei einer Fristverlängerung die mit der EU vereinbarten Meilensteine und Ziele beachten. „Eine solche ist daher zurückhaltend vorzunehmen.“ Mit anderen Worten: Die Bundesregierung befürchtet, selbst eingeplantes Geld zu verlieren, falls sie die Fristen zu großzügig ausdehnt.
Die Kommunen haben dafür kein Verständnis. Mit welchen Geldern der Bund seine Förderprogramme refinanziert, sei schließlich allein dessen Problem, heißt es sinngemäß in einer Stellungnahme des Deutschen Landkreistag. Der Städtetag hält einen Aufschub um zwölf Monate noch für vereinbar mit den EU-Regeln. Und der Städte und Gemeindebund ruft dazu auf, das Gespräch mit der EU-Kommission zu suchen.
Ähnliche Probleme bei Ganztagsschulen – vor allem in Bayern
Probleme gibt es auch beim Ausbau der Ganztagsschulen. Ab dem Jahr 2026 soll stufenweise ein Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung eingeführt werden – ein Zeitplan, den schon jetzt viele Kommunen für kaum umsetzbar halten. Mit dem Ganztagsfinanzierungsgesetz stellt der Bund den Ländern und Kommunen 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung, um den Ausbau voranzutreiben. 750 Millionen Euro sind für besonders eilige Projekte gedacht. Hierfür hat der Bund mit den Ländern Ende 2020 eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen, um beschleunigte Investitionen in die Infrastruktur zu ermöglichen.
Auch hierfür ist die Frist bereits einmal verlängert worden, sodass die Bundesländer die Mittel bis Ende 2022 abrufen konnten. Ein aktueller Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion sieht vor, auch für den beschleunigten Infrastrukturausbau die Laufzeit um ein Jahr zu verlängern.
Experte sieht das Problem beim Land Bayern
„Nicht erklärlich“ findet das die SPD-Abgeordnete Jasmina Hostert. Die Mehrheit der Kommunen habe die Gelder schließlich längst eingefordert. Tatsächlich können die meisten Bundesländer Mittelabruf-Quoten zwischen 70 und 100 Prozent vorweisen. Zwei Ausnahmen gibt es: In Berlin liegt die Quote bei 33,8 Prozent, in Bayern gar nur bei 18,7 Prozent.
Der FDP-Abgeordnete Matthias Seestern-Pauly warf deshalb die Frage auf, ob die Union „ein Spezialgesetz für Bayern“ beantrage. Der als Sachverständige geladene Professor Thomas Rauschenbach von der TU Dortmund mutmaßte, das Problem liege wohl weniger bei den Kommunen als auf Landesebene.
Auch die Vertreter*innen der Ampel-Fraktionen erklärten allerdings, dass man für besondere Härtefälle eine Lösung finden müsse. Das zielte insbesondere auf die Samtgemeinde Hesel in Ostfriesland. Deren Bürgermeister Uwe Themann (SPD) schilderte im Ausschuss seine verfahrene Situation.
Samtgemeinde Hesel droht auf Ausgaben sitzen zu bleiben
Die Samtgemeinde hat 678.000 Euro für den Bau einer Mensa bewilligt bekommen. „Wir haben Gas gegeben, wir haben die Planungen angeschoben“, berichtete Themann. Doch wegen der „nicht kalkulierbaren Rahmenbedingungen“ sowie Personalengpässen bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Landkreis Leer, sei es zu Verzögerungen gekommen. Im Dezember 2022 bat die Samtgemeinde das zuständige Regionale Landesamt für Schule und Bildung Osnabrück um eine Fristverlängerung für die gewährte Zuwendung, weil klar war, dass die Mensa nicht bis Ende 2022 fertig sein wird. Die Bitte wurde abgelehnt. Nun verweisen der Bund und das Land Niedersachsen jeweils auf die Verantwortung der anderen Ebene.
Deshalb befürchtet der Bürgermeister, das Geld samt Zinsen zurückzahlen zu müssen. Zusammen mit ungeplanten Mehrkosten würden der Samtgemeinde Hesel dadurch 1,5 Millionen Euro fehlen. „Das ist für eine finanzschwache Kommunen mit 11.000 Einwohnern ein K.o.-Schlag“, sagte Themann.
Mehr Informationen zur Anhörung:
bundestag.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.