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Bundesverfassungsgericht stärkt kommunale Selbstverwaltung

Der Bund hat den Kommunen im Bereich Bildung und Teilhabe zu viele Aufgaben direkt übertragen. Eine Verfassungsbeschwerde kreisfreier Städte aus Nordrhein-Westfalen dagegen war erfolgreich.
von Karin Billanitsch · 7. August 2020
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Die im Jahr 2012 getroffenen Regelungen der Bedarfe für Bildung und Teilhabe – das so genannte kommunale Bildungspaket – sind verfassungswidrig. Sie verletzten das kommunale Selbstverwaltungsrecht, hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen. Kreisfreie Städte aus Nordrhein-Westfalen hatten 2013 eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Als Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung werteten die kommunalen Spitzenverbände Deutscher Landkreistag und der Deutsche Städtetag die Entscheidung. „Mit dem heute veröffentlichten Beschluss macht es sehr deutlich, dass den Kommunen durch Bundesrecht keine neuen Aufgaben übertragen werden dürfen. Und der Bund darf auch bestehende Aufgaben der Kommunen nicht ohne Weiteres erweitern“, so Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.

Laut Dedy versuche der Bund immer wieder, den Städten Aufgaben neu zu übertragen oder sie zu erweitern. Das ist deshalb problematisch, weil die Kommunen aufgrund neuer oder erweiterter Aufgaben Mehraufwendungen haben, und „in der Regel kein Kostenausgleich“ erfolgt, wie Dedy kritisiert. Dass das Bundesverfassungsgericht jetzt das Aufgabenübertragungsverbot in der Sache bestätigt habe, schaffe Rechtssicherheit für die Kommunen.

In diesem Fall ging es um die deutliche Ausweitung der Regelungen zu den Bedarfen der Bildung und Teilhabe. So werden Bedarfe für Schulausflüge – und nicht lediglich für mehrtägige Klassenfahrten –anerkannt. Die Bedarfe werden zudem auf Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen, erstreckt. Erstmals werden auch Bedarfe für die Schülerbeförderung, die Lernförderung und die Mittagsverpflegung anerkannt. Ferner werden für alle Kinder und Jugendlichen Bedarfe für die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft berücksichtigt. Diese und weitere Regeln, die schließlich „zu einer erheblichen organisatorischen und personellen Mehrbelastung der Kommunen beim Vollzug der in Rede stehenden Bestimmungen“ führen, sind in der Pressemitteilung des Gerichts aufgezählt. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-069.html

Sager: „Kinder und Jugendliche haben keinen Nachteil“

„Dies ist eine wichtige verfassungsrechtliche Entscheidung, die die Landkreise und Städte in ihrem Selbstverwaltungsrecht stärkt, da der Bund nicht zugleich die für die Aufgabe erforderliche Finanzierung gewähren darf“, sagte Landrat Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages, zu der Entscheidung.

„Die Kinder und Jugendlichen haben keinen Nachteil. Das Bildungspaket werde weiter erbracht“, stellte der Landrat klar. Bis zum 31. Dezember 2021 soll es eine verfassungskonforme Neuregelung geben, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Wären die Regeln sofort für nichtig erklärt worden, wäre ein menschenwürdiges Existenzminimum für Kinder- und Jugendliche nicht mehr gewährleistet, hieß es.

Seit der Föderalismusreform 2009 wurde es dem Bund verboten, neue Aufgaben an die Kommunen zu übertragen. Das ergibt sich aus Artikel 28 Abs. 2 GG und Art. 84 Abs. 1 Satz 7. Das Gericht stellte nochmals eindeutig klar, dass neue, aber auch erweiterte Aufgabenübertragungen durch die Länder zu erfolgen haben und die den Kommunen dadurch entstehenden Kosten von den Ländern auszugleichen sind, nach dem Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“.

 

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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