Das Digital-Patt
Die Bildungsminister von Bund und Ländern haben sich erneut zum Digitalpakt bekannt. „Wir wollen, dass er schnell umgesetzt wird“, betonte der Präsident der Kultusministerkonferenz Helmut Holter (Die Linke) am Donnerstag. Der eingeschlagene Weg, das Grundgesetz zu ändern, sei jedoch falsch.
Auch die SPD-regierten Länder haben sich überraschend klar gegen die Grundgesetzänderung gestellt, die Ende November vom Bundestag beschlossen wurde. Ohne Gegenstimme beschlossen die Ministerpräsidenten am Mittwoch, ein Vermittlungsverfahren einzuleiten.
Länder stören sich an der „Zusätzlichkeit“
Eigentlich gilt die geplante Auflockerung des Kooperationsverbotes als ein Erfolg der SPD im Bund. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, der in der Kultusministerkonferenz die SPD-regierten Länder koordiniert, erklärt dazu: Das größte Problem sei gar nicht, dass der Bund sich in Länderbelange einmische. Ein stärkeres Argument sei, dass die Länder in Zukunft viel mehr Geld hineingeben müssten, wenn der Bund sich an Aufgaben wie Wohnungsbau oder Bildung finanziell beteiligt. „Dieser Digitalpakt wäre in Zukunft nicht mehr möglich“, kritisiert Rabe. Zudem seien die Länder unterschiedlich wohlhabend, könnten also gar nicht in gleichem Maße eigene Mittel beisteuern.
Der Hintergrund: Kurz vor der Bundestagsabstimmung wurde ein sogenanntes Zusätzlichkeits-Kriterium in das Gesetzespaket hineinverhandelt. Es besagt, dass Finanzhilfen des Bundes, die ab 2020 in Kraft treten, in mindestens gleicher Höhe mit Investitionen des jeweiligen Bundeslandes ergänzt werden müssen. Vereinfacht gesagt: Für jeden Euro vom Bund muss das Land einen dazugeben. Dem Vernehmen nach haben die Haushaltspolitiker der beteiligten Fraktionen auf diesen Passus gedrängt. Er soll verhindern, dass die Länder das Geld vom Bund nehmen und dafür ihre eigenen Bemühungen zurückfahren – wie es in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen ist. Für den Digitalpakt Schule würde der Zusätzlichkeits-Passus nicht gelten. An diesem würden sich der Bund zu 90 und die Länder zu zehn Prozent beteiligen.
Geld für digitale Schulinfrastruktur
Mit dem Digitalpakt Schule sollen die Klassenzimmer unter anderem mit schnellen Internetanschlüssen, Smartboards und Tablets ausgerüstet werden. Der Bund will hierfür in den kommenden Jahren fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Auch Lehrer-Fortbildungen sollen mit dem Geld bezahlt werden können. Weil Bildung Ländersache ist, darf sich der Bund bisher jedoch nur in finanzschwachen Kommunen direkt an Bildungsaufgaben beteiligen. Mit der Grundgesetzänderung wollen die Koalitionsfraktionen im Bund, unterstützt von FDP und Grünen, diese Beschränkung aufheben. Dann könnte sich der Bund an gesamtstaatlich bedeutsamen Investitionen im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur beteiligen – die Mittel also zweckgebunden zur Verfügung stellen. Beschlossen wurde diese Grundgesetzänderung vom Bundestag in einem Paket mit weiteren Reformen. So soll sich der Bund auch am sozialen Wohnungsbau und an der Gemeindeverkehrsfinanzierung künftig direkt beteiligen können.
Die SPD-regierten Länder wollen die Grundgesetzänderung nun anpassen. Die Bedenken der unionsgeführten Länder dagegen gingen noch weiter, sagt Baden-Württembergs Bildungsministerin Susanne Eisenmann (CDU). Der Digitalpakt berge ein „Erpressungspotenzial“, um „den Bildungsföderalismus grundsätzlich in Frage zu stellen“. Sie gehe deshalb von einem komplizierten Vermittlungsverfahren aus. Ihrer Ansicht nach könne der Digitalpakt auch ohne Grundgesetzänderung umgesetzt werden.
Verzögert sich der Digitalpakt nur – oder scheitert er?
Klar ist, dass der Digitalpakt sich nun mindestens um mehrere Monate verzögern wird. Ties Rabe glaubt jedoch, dass man den Pakt im kommenden halben Jahr auf den Weg bringen könne – und zwar auf dem eingeschlagenen Weg. Sollten sich jedoch die von Union und Grünen regierten Länder grundsätzlich sperren, wird es schwer. Eine Grundgesetzänderung muss auch im Bundesrat von zwei Dritteln der Mitglieder mitgetragen werden. Ansonsten droht ein Patt – und der Digitalpakt tritt weiter nicht in Kraft.
Nicht nur die Länder sind sich uneins, auch die Kommunalen Spitzenverbände haben zur geplanten Verfassungsänderung keine einheitliche Meinung. Der Deutsche Landkreistag befürwortet zwar den Digitalpakt Schule: Das Geld werde dringend gebraucht, heißt es in einem aktuellen Statement. Die Grundgesetzänderungen lehne man aber ab. „Sie würden dem Bund Einfluss in originären Handlungsfeldern der Länder und der Kommunen erlauben und gleichzeitig erhebliche Mittel zur Mitfinanzierung binden.“ Dies widerspreche der kommunalen Selbstverwaltung. Das Geld könne der Bund den Ländern auch über Entflechtungsmittel oder den Umsatzsteuerausgleich zukommen lassen.
Dagegen hatte der Deutsche Städtetag in der Vergangenheit wiederholt dafür geworben, das Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufzuheben. „Wenn der Bund die Bildungsinfrastruktur stärker fördern kann, werden die Länder und Kommunen dadurch nicht aus der Verantwortung entlassen, sondern ein kooperativer Föderalismus würde praktisch angewendet”, argumentiert der Hauptgeschäftsführer des Städtetages Helmut Dedy. Eine Grundgesetzänderung werde nötig sein. „Aber wie sie aussehen kann, muss jetzt verhandelt werden.”
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sieht nun andere am Zug. „Wir haben unseren Teil der Arbeit gemacht“, sagte sie anlässlich der Kultusministerkonferenz in Berlin. „Jetzt liegt der Ball bei den Ministerpräsidenten.“
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.