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Debatte über Migrationspolitik: So kontert die Ampel die Attacken der Union

Über die „Migrationskrise in den Ländern und Kommunen“ wollten CDU und CSU sprechen. Im Bundestag wiesen die Ampel-Fraktionen die Vorwürfe der Union zurück: Die Koalition habe schon viel geschafft und die Zahl der Geflüchteten sei rückläufig.
von Carl-Friedrich Höck · 15. März 2024
Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh (Archivbild)

Die emotionalste Rede der Debatte an diesem Freitagvormittag hielt Helge Lindh. Scheinheilig und doppelgesichtig sei die Migrationspolitik der Union, rief der SPD-Bundestagsabgeordnete ins Mikrofon. Diese erwecke den Eindruck, Migration sei die Mutter aller Probleme. Dem hielt Lindh entgegen: „Probleme löst man doch nicht, indem man die Problemdefinition der Rechtsextremen übernimmt.“ Und weiter: „Wo sind die Christdemokraten in der Union geblieben? Ich sehe sie nicht mehr.“

Anlass für die Bundestagsdebatte war ein Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „Migrationskrise in den Ländern und Kommunen“. Um die Situation der Städte und Gemeinden ging es aber allenfalls am Rande. Stattdessen überzog die Unionsfraktion den Bundeskanzler und seine Regierung mit scharfer Kritik. Sie betreibe ein „Konjunkturprogramm für Schleuser“, behauptete Alexander Throm (CDU). Mehr Abschiebungen habe der Kanzler versprochen, doch statt eines „Wumms“ sei nur ein „Wümmschen“ gefolgt. Alexander Hoffmann von der CSU warf Olaf Scholz vor, die Bund-Länder-Beschlüsse zur Migrationspolitik nicht umzusetzen und sprach von „Arbeitsverweigerung“.

„Bündel an Maßnahmen“ gegen Migrationskrise

Ein Vorwurf, den der Grünen-Abgeordnete Marcel Emmerich mit einem Verweis auf Boris Rhein konterte. Hessens christdemokratischer Ministerpräsident hatte erst vor einer Woche die Bund-Länder-Kooperation gelobt mit den Worten: „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir jemals so viel zusammen hinbekommen.“ Emmerich betonte: „Die Koalition hat mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen auf die Migrationskrise reagiert.“ Zum Teil auch mit solchen, die für seine Partei eine Zumutung bedeuteten.

Die Sozialdemokratin Luiza Licina-Bode zählte auf, was die Ampel auf den Weg gebracht hat: Gesetze zur Entbürokratisierung im Asyl- und Ausländerrecht sowie zur Verbesserung der Rückführung von abgelehnten Asylbewerber*innen seien schon umgesetzt. Ein Gesetz, das die Datenübermittlung im Asyl- und Ausländerrecht verbessern soll, sei in der Schlussphase der parlamentarischen Beratung. Leistungen von Asylbewerber*innen seien wie vereinbart geändert (also gekürzt) worden und auch die Bezahlkarte werde kommen. Jüngst in Kraft getreten seien außerdem neue Regelungen, die Geflüchteten eine schnellere Arbeitsaufnahme ermöglichen.

Weiter hätten sich Bund, Länder und Kommunen auf die Aufteilung der Flüchtlingskosten einigen können. Der Bund stelle Immobilien zur Unterbringung von Geflüchteten mietzinsfrei zur Verfügung. Und er habe Ausnahmen im Baurecht geregelt, damit Kommunen schneller Wohnraum schaffen können. Erfolge gebe es auch auf europäischer Ebene. So sei das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) auf neue Beine gestellt worden. Mit Blick auf eine Forderung der Union ergänzte Licina-Bode: Mögliche Asylverfahren in Drittstaaten prüfe man. Aber „Menschenrechtskonvention und Genfer Flüchtlingskonvention kann man darüber nicht aushebeln!“

Castellucci: „Die Bundesregierung handelt wirksam“

Die FDP-Abgeordnete Ann-Veruschka Jurisch kommentierte in Richtung Union: „Es geht Ihnen offensichtlich nicht um die Sache, sondern ums Klappern.“ Die Ampel-Koalition räume gerade einen gigantischen Scherbenhaufen in der Migrationspolitik auf. Die Union beklage lange Asylgerichtsverfahren, dabei würden diese kürzer. Und die Union fordere Migrationsabkommen, dabei seien in dieser Wahlperiode schon dreimal mehr Abkommen geschlossen worden als in den beiden vorangegangenen, als die Union die Bundesinnenminister stellte.

Der SPD-Politiker Lars Castellucci sagte: Die Zahl der Asylzugänge – also der Menschen, die an den Grenze aufgegriffen werden – sei im zurückliegenden Quartal fast um ein Viertel zurückgegangen. „Die Bundesregierung handelt wirksam. Grenzkontrollen wirken, Migrationsabkommen wirken und die polizeiliche Zusammenarbeit in der Schlepperbekämpfung wirkt.“

Dass die Kommunen Entlastung benötigen, darin waren sich fast alle Redner*innen einig. Die Ampel-Fraktionen machten die Union für die Probleme in den Städten und Gemeinden aber mitverantwortlich. Auch in CDU-geführten Bundesländern fehle Personal in Verwaltungsgerichten, dauerten Asylverfahren zu lange und würden Geflüchtete zu schnell von den Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Kommunen verteilt, hieß es. Der SPD-Abgeordnete Lindh kritisierte: In Nordrhein-Westfalen delegiere Ministerpräsident Hendrik Wüst die Entscheidung für die Bezahlkarte – und die damit verbundenen Kosten – auf die Kommunen.

„Erbe von Merkel über Bord gegangen“

„Die Union ist bei einem kleinmütigen ‚Wir schaffen das nicht‘ angekommen“, konstatierte Lars Castellucci. Das Erbe von Bundeskanzlerin Angela Merkel sei über Bord gegangen. Die Union wolle das Grundrecht auf Asyl abschaffen. Wenn Deutschland seinen Wohlstand sichern wolle, sei Migration mehr Teil der Lösung als des Problems. Das Land „hätte auch von seiner Opposition mehr Mut und mehr Zuversicht verdient“, meinte der Sozialdemokrat.

Der Antrag der CDU/CSU forderte unter anderem, die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten auszuweiten, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auszusetzen und innerhalb der EU die Sozialstandards einander anzunähern (und damit in Deutschland zu senken). Die verpflichtende Bestellung eines Anwalts bei der Anordnung von Abschiebehaft soll nach dem Willen der Union wieder abgeschafft werden. Der Bundestag hat den Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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