DEMO-Kommunalkongress: Wie nachhaltige Mobilität funktionieren kann
Die Verkehrswende bleibt insbesondere im ländlichen Raum bleibt eine Herausforderung. Doch innovative Ansätze wie das Rufbus-System in Hannover und das preisgekrönte Projekt „SMILE24“ zeigen, dass Lösungen möglich sind. Eindrücke vom Fachgespräch Mobilität auf dem 19. DEMO-Kommunalkongress.
Dirk Bleicker
Der Bundestagsabgeordnete Mathias Stein (SPD) im Gespräch mit Marc-Philipp Waschke (Referent für Verkehrspolitik beim ACE).
Insellösungen, nicht abgestimmt Konzepte, wackelige Finanzierungen – all das erschwert die Mobilitätswende. Und gerade im ländlichen Raum sind die Anforderungen groß, weil der öffentliche Personennahverkehr längst nicht alle Menschen erreicht. Wer in dünn besiedelten Landstrichen von A nach B möchte, kommt ohne Auto oft nicht aus.
Doch ganz so düster ist die Lage dann doch nicht, wie einige Beispiele zeigen. Diese kamen beim Fachgespräch „Mobilität in den Kommunen“ im Rahmen des DEMO-Kommunalkongresses natürlich zur Sprache. Gleich zwei nannte Weert Canzler, Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ beim Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): Das Rufbus-System der Region Hannover, das Canzler für das aktuell beste hält, sowie das Fahrradparkhaus im niederländischen Utrecht. Gerade letzteres ist für den Berliner Sozialwissenschaftler eines der herausragenden Beispiele dafür, wie Menschen auf zwei Rädern sicher unterwegs sein können. Das Rufbus-System der Region Hannover bezeichnete er als pünktlich und sehr leistungsfähig.
Gute Rufbus-Angebote auf dem Land
Unterstützung in der Diskussion bekam Canzler von Marc-Philipp Waschke. Der Referent für Verkehrspolitik beim Autoclub Europa (ACE) berichtete von einem bundesweiten Test mit Ehrenamtlichen. Dieser habe ergeben, dass die Rufbuss-Verkehre im ländlichen Raum zu rund 75 Prozent „sehr gut“ sind. Die eine Hälfte sei demnach in das Preissystem des Deutschland-Tickets eingebunden, die andere Hälfte ist nur mit einem Preisaufschlag zu nutzen.
In diesem Zusammenhang erwähnte Mathias Stein, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Verkehr der SPD-Bundestagsfraktion, das Projekt „SMILE24“ mit einem Umfang von rund 30 Millionen Euro. Es hatte erst im Oktober den Deutschen Mobilitätspreis 2024 gewonnen. Dahinter stecken Mobilitätsansätze für den öffentlichen Personennahverkehr im ländlichen Raum in den Landkreis Kreisen Rendsburg-Eckernförde und Schleswig-Flensburg. Auch das Angebot der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), das via App darüber Auskunft gibt, wie lange der Weg zu einem Punkt oder Ort in der Stadt zu welcher Tageszeit dauert, erwähnte Stein.
Aus dem Kreis der Zuhörenden kam ein weiterer Hinweis aus dem Landkreis Ludwigslust-Parchim. Dort gibt es seit Jahren einen öffentlichen Personennahverkehr ohne Defizite. Dieses funktioniert demnach durch den intelligenten Einsatz einer in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn entwickelten App. Diese schließt alle Verkehrsteilnehmer mit ein, sodass sich herausfinden lässt, wie sich die einzelnen Angebote am besten nutzen lassen.
Nicht einseitig agieren
Dieses und andere Systeme ließen sich sicherlich weiter ausbauen, waren sich alle Beteiligten einig. Doch das Mobilität „ist ziemlich komplex“, befand Moderatorin Katharina Gerlach. Hanno Benz, Oberbürgermeister von Darmstadt, mahnte an, dass Verkehrspolitik nicht eindimensional betrachtet werden dürfe: „Dies führt zu Konflikten!“ Er berichtete über die Erfahrungen in der eigenen Kommune.
Die Lösung ist aus nach Überzeugung des Hessen ein Verkehrsentwicklungsplan, der Fußgänger genauso mit einbezieht, wie Fahrradfahrer, Straßenbahnen und Autos. Voraussetzung für den Erfolg jedoch sei, die Umlandgemeinden mit einzubeziehen. „Man kann nicht einfach an den Rand der Stadt Park & Ride-Plätze bauen“, sagte Benz. Stein nickte zustimmend: „Es gibt immer noch zu viele Ungleichheiten.“
Immerhin tut sich etwas. So bezeichnete ACE-Mann Waschke das Deutschland-Ticket als „eine Tarifrevolution“. Doch was sei mit dem Angebot? 50 Prozent der Menschen hätten schlichtweg kein Angebot an öffentlichem Nahverkehr. Waschke sagte: „Wenn wir die Verkehrswende wirklich wollen, werden wir um den Ausbau des ÖPNV nicht herumkommen.“ Canzler legte nach: Er forderte eine Distanzierung vom Auto, wie er es bereits in früheren Veröffentlichungen getan hatte. „Wir haben entschieden zu viele Autos“, meinte Canzler, doch der Individualverkehr sei ein „Tabuthema“. Und: „An die Privilegien will keiner ran.“
Einig waren sich die Gesprächsteilnehmer, dass entschieden mehr Investitionen notwendig seien. Stein sprach alleine bei der Deutschen Bahn AG von einem „latenten Problem“. In den 2000er Jahren seien die Investitionen massiv zurückgefahren worden. „Jetzt haben wir es wenigstens geschafft, den Tanker DB umzusteuern.“ Alles in allem beträgt der kommunale Investitionsstau rund 188 Milliarden Euro. Diese Zahl nannte der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil bei seiner Rede. Alleine 25 Prozent davon betreffen den Bereich Verkehr.
Torsten Kropp
Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.