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„Der Neoliberalismus führt in eine Sackgasse“

Im Interview mit der DEMO macht Michael Ebling deutlich, das sich in der Corona-Krise der Wert einer starken Kommunalwirtschaft zeigt: „Die Menschen werden zuverlässig mit Strom, Wärme und Wasser versorgt.“ Es zeige sich, betont der VKU-Präsident „dass der Glaube, ein enthemmter Markt könne alle Fragen beantworten, in der Krise schnell an die Grenze gelangt ist.“
von Karin Billanitsch · 17. April 2020
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Kommunale Unternehmen sind bei der gegenwärtigen Corona-Pandemie besonders gefordert. Wie lässt sich die Situation am besten beschreiben?

Gerade in der Krise zeigt sich der Wert einer starken Kommunalwirtschaft. Wir tragen als Betreiber kritischer Infrastrukturen und Erbringer von verschiedenen Leistungen der sogenannten Daseinsvorsorge eine besondere Verantwortung. Die Menschen werden zuverlässig mit Strom, Wärme und Wasser versorgt, ihr Abfall und ihr Abwasser wird sicher entsorgt. Im Alltag wird das oft als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Aber auch in der Krise können sich die Menschen auf uns verlassen. In der aktuellen Lage, die bei Vielen aus nachvollziehbaren Gründen für Verunsicherung sorgt, hat eine gesicherte Ver- und Entsorgung einen ganz besonderen Stellenwert.

Zum anderen hat die Krise natürlich auch Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Kommunalwirtschaft. Verschiedene Bereiche sind hier in unterschiedlicher Intensität betroffen. Bei den Verkehrsbetrieben und den Schwimmbädern etwa sind die wirtschaftlichen Effekte sofort spürbar. Ein sinkender Stromabsatz wird aber auch im Energiebereich für Einbußen sorgen. Die Unternehmen können noch nicht genau abschätzen, wie sich das auswirken wird. Das hat auch eine Umfrage im Auftrag des VKU-Verlags ergeben.

Zu diesen Leistungen der Daseinsvorsorge gehört auch die Entsorgung von Abfällen. Wie haben die Betriebe ihren Arbeitsrhythmus angepasst? Es fällt ja vielleicht mehr Hausmüll an, weil mehr Menschen zu Hause sind.

Tatsächlich berichten VKU-Mitglieder davon, dass mehr Hausmüll anfällt. Nach dem, was wir hören, sind diese Zunahmen in der Regel bisher gut zu bewältigen.

Änderungen bei den Leistungen gab es vor allem bei den Wertstoffhöfen. Bundesweit konnte man beobachten, dass Menschen die freie Zeit genutzt haben, um erst einmal auszumisten. Es folgte ein Run auf die Recyclinghöfe. Wir haben von einigen Kommunen gehört, in denen in vier Tagen so viel abgegeben wurde wie sonst in einem Monat. Zeitweise konnte dort nicht mehr das Abstandsgebot gewahrt werden. Gleichzeitig mussten die Abfallwirtschaftsbetriebe im Rahmen der vorausschauenden Planung Personal von Recyclinghöfen abziehen, um diese gemäß der Notfall-Priorisierung gesichert für die Sammeltouren einsetzen zu können.

Sind Trinkwasser- und Energieversorgung gesichert? Mit welchen Problemen haben es die Versorger aktuell besonders zu tun?

Da besteht kein Anlass zur Sorge. Die Energie- und Wasserversorgung ist gegenwärtig weder gefährdet noch beeinträchtigt. Natürlich ist der Umgang mit einer Krise dieser Art für alle neu, aber es trifft uns nicht unvorbereitet. So haben die kommunalen Unternehmen und Stadtwerke ihre Krisenstäbe aktiviert und arbeiten eng mit den Kommunen und relevanten Behörden zusammen. Ihre Krisen- und Pandemiepläne werden auf die gegenwärtige Situation vor Ort angepasst und bei neuen Erkenntnissen entsprechend aktualisiert.

Sind Ihnen Fälle in Städten bekannt, wo die Daseinsvorsorge durch Personalengpässe, etwa durch Krankheitsmeldungen, bedroht war? Wie werden funktionierende Abläufe sichergestellt?

Nein, die Stadtwerke bewältigen die Herausforderungen, die sich ihnen gegenwärtig stellen gut. So ergreifen sie geeignete Maßnahmen, um beispielsweise für eine stabile Energieversorgung bei möglichst geringer Gefährdung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sorgen. Wenn möglich, wird auf das Home-Office zurückgegriffen und der persönliche Kontakt zu Kunden auf ein Minimum heruntergefahren. Wer nicht daheim arbeiten kann, weil sie oder er beispielsweise in einem Kraftwerk tätig ist, arbeitet in einem festen Team, um so das allgemeine Infizierungsrisiko zu senken. Mögliche Engpässe werden so früh wie möglich identifiziert, um auch im Infektionsfall die betrieblichen Kernfunktionen aufrecht zu erhalten

Gibt es schon Lehren, die man aus der Corona-Pandemie ziehen kann?

Hier insgesamt Bilanz zu ziehen ist noch etwas zu früh. Ich glaube aber, einer der langfristigen Effekte aus der Corona-Pandemie wird sein, dass der Daseinsvorsorge in der öffentlichen Wahrnehmung wieder mehr Ansehen zukommt. Es zeigt sich doch, dass der Glaube, ein enthemmter Markt könne alle Fragen beantworten, in der Krise schnell an die Grenze gelangt ist. Ein handlungsfähiger Staat, eine zuverlässige Infrastruktur sowie ein sicheres Ver- und Entsorgungssystem haben einen Wert, der nicht nur marktwirtschaftlichen Regeln unterliegen darf. Ein System, das auf Kante genäht ist und nur auf angebliche Effizienz ausgerichtet ist, kann in einer Krise nicht bestehen. Das nicht nur eine spezifisch kommunalwirtschaftliche Frage, sondern eine Frage, die wir uns als Gesellschaft insgesamt stellen müssen. Die Corona-Krise hat noch einmal klargemacht: Der Neoliberalismus führt in eine Sackgasse.     

Viele Menschen sind durch die Pandemie finanziell persönlich betroffen und sind in Zahlungsschwierigkeiten. Müssen Sie damit rechnen, dass ihnen bei einem Zahlungsrückstand Strom, Gas oder Wasser im Haushalt abgedreht werden?

Das passt ganz gut zu dem gerade Gesagten. Die Stadtwerke haben schon früh betont, dass wir in der Krise niemanden den Strom, das Gas oder das Wasser abstellen. Das wäre nicht anständig. Der Gesetzgeber ist dann zügig nachgezogen und hat auch ein Moratorium geschaffen, dass Menschen und Kleinstunternehmen, die durch die Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten gelangt sind, die Zahlung der Strom- und Wasserrechnung aufschieben können. Was das für die Stadtwerke finanziell bedeutet, lässt sich noch nicht abschätzen, wir werden das aber genau beobachten.

Der VKU hat ein Corona-Portal exklusiv für Mitgliedsunternehmen eingerichtet. Wie wird das angenommen?

Sehr gut. In kürzester Zeit haben sich schon über tausend User angemeldet. Besonders intensiv werden Rechts- und Steuerthemen geklickt. So können wir schnell und unkompliziert unsere Mitgliedsunternehmen zu drängenden Fragen informieren, ohne sie mit E-Mails zu überschütten.  Ein weiterer Vorteil des Portals ist: Viele Fragen klärt die dort entstehende Community zunehmend untereinander. So können viele Unternehmen von den Erfahrungen der anderen in Echtzeit profitieren. Und noch ein weiterer Hinweis in eigener Sache: Der VKU Verlag bietet seit einigen Jahren eine kommunale Crowdfunding-Plattformen als White-Label-Angebot an. Viele dieser Plattformen wurden jetzt geöffnet, um vor Ort zusätzlich zu unterstützen. Darüber freuen wir uns sehr. Die bundesweite Plattform wurde umgebaut und national geöffnet. Alle Städte und Gemeinden sowie die Mitglieder des VKU können bestimmte Elemente der Plattform zeitlich befristet und kostenlos einsetzen.

Corona bestimmt aktuell Berichterstattung. Spielt Klimapolitik überhaupt noch eine Rolle?

Unbedingt. Wir können uns jetzt nicht erlauben, beim Kampf gegen den Klimawandel zu zögern oder die Corona-Krise als Grund für die Verschiebung wichtiger Maßnahmen anzuführen. Der Klimawandel macht wegen Corona keine Pause. Daher sollten wir weiterhin entschlossen den Kohleausstieg und den Ausbau der erneuerbaren Energien angehen. Klar: Die Corona-Krise überschattet momentan alles. Der Klimawandel stellt uns aber vor Herausforderungen, die unsere Gesellschaft auf lange Sicht weitaus stärker in Atem halten werden. Daher dürfen hier nicht nachlassen!

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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