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DFB irritiert mit Ankündigung – will er Fanprojekten das Geld streichen?

Fanprojekte leisten soziale Arbeit mit jungen Menschen, wenden sich gegen Gewalt und Diskriminierung. Eine Pressemitteilung des DFB wirft Fragen auf: Will der Verband die Gelder kürzen?
von Carl-Friedrich Höck · 28. September 2020
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Der Deutsche Fußballbund (DFB) betont gerne sein Engagement für die Gesellschaft. Auf der Website des Verbandes finden sich Sätze wie diese: „Wir übernehmen seit Jahrzehnten Verantwortung bei den intensiv diskutierten und zeitlosen gesellschaftlichen Themen. Der Fußball ist ein gutes Vorbild für Fair Play, für Vielfalt, gegen Diskriminierung und gegen Rassismus.“

Offenbar will der DFB die Ausgaben deckeln

Da passen die Medienberichte der vergangenen Woche gar nicht ins Bild, laut denen der DFB Gelder für Fanprojekte kürzen will. Das berichtete zunächst der Spiegel. Laut Recherchen der taz sollen die Ausgaben von derzeit 3,5 Millionen Euro im Jahr künftig auf 3 Millionen gedeckelt werden. Aus der Förderung von Fanprojekten mit Bezugsvereinen unterhalb der dritten Liga wolle sich der DFB ab 2024 sogar komplett zurückziehen.

Fanprojekte sind Einrichtungen der Jugendarbeit. Sie werden zu 50 Prozent vom DFB beziehungsweise der DFL finanziert – abhängig von der Liga, in der der Bezugsverein spielt. Die Fußballverbände schießen bis zu 150.000 Euro pro Jahr und Projekt zu. Die anderen 50 Prozent zahlen das Bundesland und die jeweilige Kommune.

Mehr als 60 Fanprojekte gibt es

Laut DFB können die Projekte „insbesondere junge Fans bei der Entwicklung einer positiven Fankultur stärken sowie einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention und zur Demokratiestärkung leisten“. Träger sind nicht die Fußballclubs, sondern die Kommunen oder auch gemeinnützige Vereine wie die AWO. Weil die Projekte unabhängig agieren, können sie auch als Vermittler auftreten, wenn es zu Konflikten zwischen Fans auf der einen Seite und Vereinen oder Sicherheitskräften auf der anderen Seite kommt.

Die ersten Fanprojekte entstanden Anfang der 1980er Jahre, damals prägten Hooligans und Ausschreitungen noch den Alltag in vielen Stadien. Das hat sich längst geändert, nicht zuletzt dank der Fanprojekte. Vielerorts hat sich eine lebendige Fankultur entwickelt, die sich aktiv gegen Diskriminierung positioniert. Mittlerweile gibt es deutschlandweit 63 dieser Einrichtungen.

Würde nun den Projekten unterhalb der dritten Liga das Geld gestrichen, wäre das ein Rückschlag für die Jugendarbeit in diesen Kommunen. 21 Standorte wären betroffen, darunter Cottbus, Chemnitz, Essen, Aachen oder Offenbach.

DFB spricht von „Reformprozess”

Der DFB hat die Berichte bisher weder dementiert noch bestätigt, auch eine DEMO-Anfrage blieb bisher unbeantwortet. (Stand Montagmittag) Dafür veröffentlichte der Verband kurz nach dem Spiegel-Bericht und einer Präsidiumssitzung eine Pressemitteilung. Darin kündigt der DFB an, „einen Reformprozess zur künftigen Ausgestaltung der Fanprojektförderung zu initiieren“. Denn die Fanprojektlandschaft habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Außerdem garantiert der DFB,  er werde die Fanprojekte entsprechend der für 2020 bewilligten Förderhöhe bis zum 30. Juni 2022 unverändert weiterfördern. Bis dahin sollen aber keine neuen Fanprojekte eingerichtet werden und die Förderung werde auch nicht ausgeweitet.

Genauere Angaben, weshalb der DFB Reformen für nötig hält und in welche Richtungen sie zielen sollen, macht der Verband nicht. Die Partner des DFB zeigen sich von dem Vorstoß auf Nachfrage überrascht. Weder bei der Koordinierungsstelle Fanprojekte noch beim Deutschen Städtetag waren genauere Informationen in Erfahrung zu bringen, was es mit der Ankündigung des DFB auf sich hat.

SPD-Politiker: „Es wäre fatal”

Auch der sportpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Detlev Pilger spricht von einem „Rätsel“, obwohl er eigentlich einen guten Draht zu DFB-Vizepräsident Rainer Koch pflegt. Bisher sei der geforderte Reformprozess sehr offen formuliert, der DFB habe seine Ankündigung nicht mit Inhalten verbunden. „Es wäre fatal, wenn der DFB auf die Idee käme, Fanprojekte unterhalb der dritten Liga nicht mehr mitzufinanzieren“, meint Pilger. Die Projekte seien wichtig, um präventiv gegen Gewalt und Exzesse im Sport vorzugehen.

Die Förderung für Fanprojekte ist in den zurückliegenden Jahrzehnten mehrfach angepasst worden. 1993 wurde die sogenannte Drittelfinanzierung festgelegt: DFB, Land und Kommune zahlten je 33 Prozent der Kosten. 2013 steigerte der DFB (beziehungsweise die DFL) den Anteil des Fußballs auf 50 Prozent. Erweitert wurde auch die Zahl der möglichen Standorte. In den Anfangsjahren wurden nur Projekte für Vereine der ersten und zweiten Bundesliga gefördert. Seit 2000 sind auch Drittligavereine förderfähig. Seit 2008 ist die Ligazugehörigkeit kein Ausschlusskriterium mehr. In der Folge stieg die Zahl der Fanprojekte immer weiter: 23 sind allein seit 2008 neu dazugekommen. Denkbar ist, dass ebendieser Erfolg den DFB-Funktionär*innen Unbehagen bereitet, weil er stetig steigende Förderausgaben nach sich zieht.

Dialog angekündigt

Der Reformprozess „soll gemeinsam mit allen relevanten Netzwerkpartner*innen erfolgen“, heißt es in der DFB-Mitteilung vom 11. September. Der Verband werde auf den Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) zugehen. Diesem gehören Politiker*innen aus Bund und Ländern, der Deutsche Städtetag und die Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS) an. Somit wird der Fußballverband demnächst erklären müssen, was er eigentlich mit dem Vorstoß bezweckt.

Im Geschäftsjahr 2019 hat der DFB einen Überschuss von 19,5 Millionen Euro nach Steuern und einen Umsatz von 405,2 Millionen Euro erzielt (laut kicker.de). Wenn die Recherchen der taz stimmen, will der Verband bei den Fanprojekten rund 500.000 Euro einsparen. Gleichzeitig würde er nicht nur Kritik aus der Politik auf sich ziehen, sondern auch aus den Fanszenen.

 

Mehr Informationen
zum Thema Fanprojekte liefert der Sachstandsbericht „Fanprojekte 2020” der KOS (PDF)

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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