Aktuelles

Die KI-Branche ist auch ein Wirtschaftsfaktor

Wie ein Sprachmodell aus Heidelberg die Arbeit in der Verwaltung revolutionieren könnte. Die KI-Branche eröffnet nicht nur neue Perspektiven für Verwaltungen, sondern ist auch ein Wirtschaftsfaktor.
von Uwe Roth · 29. Mai 2024
Im Norden von Heilbronn entsteht ein KI-Innovationspark. Ein großes KI-Unternehmen aus Heidelberg gehört zu den Partnern des Projekts.

Eine F13-Taste sucht man auf einer Computer-Tastatur vergeblich. Bei F12 endet bekanntlich die obere Tastenreihe. In der öffentlichen Verwaltung von Baden-Württemberg sollen Mitarbeitende bei der Verarbeitung von Texten F13 aber künftig mitdenken. Der Begriff steht für ein KI-Assistenz­programm. Es soll die Arbeit in Behörden revolutionieren und sogar den Fachkräftemangel lindern. Das sagen diejenigen, die sich professionell mit der Künstlichen Intelligenz (KI) beschäftigen und ein riesiges Potenzial in der automatisierten Recherche von Fakten und in der Generierung von Texten sehen. Früher oder später soll die KI-Assistenz auch in der kommunalen Verwaltung zum Einsatz kommen.

Datenserver in Deutschland

Hinter F13 steht das Sprachmodell ­Luminous. Diese KI hat Aleph Alpha in Heidelberg seit 2019 als Konkurrenzprodukt zu ChatGPT entwickelt. Als Start-up kann das Unternehmen kaum noch bezeichnet werden, seit es der 41-jährige Gründer Jonas Andrulis geschafft hat, knapp eine halbe Milliarde Euro Investorenkapital zu akquirieren. Auch in der Politik verfolgt man die Entwicklung des Unternehmens aufmerksam: Andrulis war im August 2023 sogar Gast auf der Kabinettsklausur der Bundesregierung in Meseberg. Der Wirtschaftsingenieur glaubt, dass sein KI-Programm dem US-amerikanischen Unternehmen OpenAI die Stirn bieten kann. Die Datenserver stehen laut Unternehmensangaben in Deutschland. Somit gelten die europä­ischen und deutschen Standards beim Datenschutz – und nicht die in den USA oder China. Das macht die Produkte auch für Kommunen attraktiv. Hamburgs Verwaltung testet intern den Textassistenten „LLMoin“, der auf Luminous basiert. Dasselbe trifft auf „Lumi“ zu, den Chatbot der Stadt Heidelberg.

Die Produktbeschreibung von F13 verspricht, die Erstellung beispielsweise von Aktenvermerken zum Kinderspiel werden zu lassen. So soll die KI in wenigen Augenblicken eine dicke Akte auf eine vorgegebene Anzahl von Seiten zusammenfassen können, ohne dass ihr wichtige Inhalte entgehen. Daraus könnte eine übersichtliche Vorlage für die kommunalen Gremien entstehen. Üblicherweise ist ein Verwaltungsmensch mehrere Tage beschäftigt, um ein Dokument aus einer Fachabteilung in eine Vorlage mit wenigen Seiten umzuarbeiten. Diese geht in die Abteilung zur Freigabe zurück, welche wegen neuer Korrekturwünsche zu einem Ping-Pong-Spiel werden kann. Die KI soll dagegen beim ersten Gegenlesen überzeugen. Wie gut das funktioniert, testet die baden-württembergische ­Landesverwaltung derzeit aus.

Die Fortschritte in der KI-Entwicklung setzen die Kommunen unter Zugzwang, führen aber auch zu Verunsicherung. ­Jonathan Heimburger berät als IT-­Experte Kommunen. „Dort ist das Thema sehr präsent“, bestätigt er. Er rät davon ab, die KI-Befürworter einfach loslegen zu lassen. Der erste Schritt sei, für ein geordnetes Vorgehen eine Dienstanweisung auszuarbeiten. Mitarbeitende ohne ein Faible für KI dürften nicht zurück­gelassen werden.

Heilbronn plant KI-Innovationspark

Die KI-Branche eröffnet nicht nur neue Perspektiven für Verwaltungen, sondern ist auch ein Wirtschaftsfaktor. In Heilbronn und Umgebung dominierte bisher die Automobilindustrie. Nun soll in der Neckar-Stadt ein KI-Innovationspark mit nach und nach bis zu 5.000 Jobs entstehen. Auch Aleph Alpha hat eine Niederlassung angekündigt. Die Stadt denkt über eine Kooperation nach, teilt eine Rathaussprecherin mit.

Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) sagt dazu: „Wir sehen in Digitalisierung und KI in der Verwaltung große ­Potenziale, Dienstleistungen und Informationsangebote für Bürgerinnen und Bürger nutzerfreundlicher zu gestalten.“ Das Rathaus werde mit der KI außerhalb von festen Öffnungszeiten zugänglich. „Eine schnellere Erledigung ohne weitere Wege sowie Angebote rund um die Uhr sind auf jeden Fall ein Schritt zu mehr Bürgerfreundlichkeit“, ist Mergel überzeugt, bleibt aber vorsichtig. Der persönliche Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern solle nicht wegfallen, versichert er. „Wir wollen innovativ sein und neue digitale Wege gehen, ohne bewährte Serviceleistungen ­aufzugeben.“

Letztlich soll die KI-Branche die Wirtschaftskraft der Stadt stärken. Sie ist nicht Betreiber des Innovationsparks, sondern bringt Flächen ein und begleitet das Projekt als planerische Fachbehörde mit. Es sei im Interesse der Stadt, dieses Areal „mit zukunftsfähigen Strukturen zu besiedeln“, so der Oberbürgermeister. „Die Innovationskraft hilft uns, im Schulterschluss mit unseren Hochschulen, Forschungsinstituten, Schulen und weiteren Bildungseinrichtungen unseren Weg zur Wissensstadt in Heilbronn konsequent fortzusetzen.“

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu

0 Kommentare
Noch keine Kommentare