Ehrenamtliche Bürgermeister*innen mit Rahmenbedingungen unzufrieden
David Ausserhofer
Lena Weber ist ehrenamtliche Bürgermeisterin von Hermeskeil, einer Stadt in Rheinland-Pfalz mit 8.000 Einwohnenden. Über ihr Amt sagt sie: „Man kriegt das hin, mit viel Herzblut und Engagement, aber es ist auch eine Belastung.“ So wie ihr geht es vielen der 6.000 ehrenamtlichen Bürgermeister*innen in Deutschland. Beruf, Ehrenamt und Privatleben unter einen Hut zu bekommen, ist anstrengend.
Am Donnerstag hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ehrenamtliche Bürgermeister*innen und Ortsvorstehende nach Berlin eingeladen. Mehr als 80 von ihnen nahmen an der Veranstaltung mit dem Titel „Demokratie beginnt vor Ort“ im Schloss Bellevue teil.
Steinmeier wünscht Bürgermeister*innen mehr Anerkennung
Dass mehr als die Hälfte der deutschen Kommunen ehrenamtlich regiert werde, sei kaum jemandem bewusst, sagte Steinmeier. In der großen Öffentlichkeit werde zu wenig gesehen und anerkannt, was die Bürgermeister*innen für das Gemeinwesen leisten. „Sie bereiten Ratssitzungen vor, verhandeln mit Verbandsgemeinde und Kreisverwaltung, sorgen dafür, dass das Schlagloch in der Ortsdurchfahrt verschwindet, der neue Spielplatz gebaut wird oder das Sommerfest stattfinden kann.“ Sie seien zentrale Integrationsfiguren des lokalen Gemeinwesens.
Mit welchen Belastungen sie zu kämpfen haben, zeigt eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung. 1.549 ehrenamtliche Bürgermeister*innen wurden im Februar 2024 vom Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. Die Hälfte von ihnen gab an, mit den Rahmenbedingungen für die Ausführung des Amtes unzufrieden zu sein. Besonders groß ist der Frust in Rheinland-Pfalz, das kommunalpolitisch vorwiegend im Ehrenamt regiert wird. Dort zeigten sich 63 Prozent unzufrieden.
Die überwiegende Mehrheit der Bürgermeister*innen (88 Prozent) bewertet die Unterstützung durch die Landes- oder Bundespolitik als weniger gut bis schlecht. Das Gleiche sagen 63 Prozent über die finanzielle Situation ihrer Gemeinde. 71 Prozent der Befragten befürchten, dass sich in Zukunft nicht genügend geeignete Nachfolger*innen für das Amt finden werden.
Viel Arbeit nach Feierabend
Der zeitliche Aufwand für das Ehrenamt ist hoch. Mehr als die Hälfte der Befragten wendet mehr als 20 Wochenstunden für die Tätigkeit als Bürgermeister*in auf. Jede*r Vierte kommt sogar auf mehr als 30 Stunden. Gleichzeitig sind zwei Drittel der befragten Bürgermeister*innen neben dem Ehrenamt erwerbstätig, 46 Prozent sogar in Vollzeit. Da verwundert es nicht, dass die Mehrheit der Bürgermeister*innen (62 Prozent) die Vereinbarkeit ihres Amtes mit Familie, Privatleben und Hauptberuf als weniger gut bis schlecht einschätzt.
Dazu kommen weitere belastende Faktoren. 40 Prozent der Bürgermeister*innen haben angegeben, dass sie oder Personen aus ihrem Umfeld bereits wegen ihrer Tätigkeit beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen wurde. Jede*r vierte Betroffene hat aus Sorge um die eigene Sicherheit schon darüber nachgedacht, sich aus der Politik zurückzuziehen. Zwei Drittel der Befragten beobachten, dass der Unmut und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zunehmen. Und 35 Prozent sehen im Rechtsextremismus in den kommenden Jahren eine Herausforderung für ihre Gemeinde.
Anfeindungen gegen Kommunalpolitiker*innen dürften Demokrat*innen nicht achselzuckend hinnehmen, betonte der Bundespräsident bei der Veranstaltung im Schloss Bellevue. Steinmeier ist Schirmherr des Internetportals „Stark im Amt“, das Betroffenen Unterstützung vermitteln soll.
Bundespräsident mahnt ausreichende Finanzausstattung an
Der Bundespräsident nahm aber auch die Bundes- und Landespolitik in die Pflicht: Sie dürften die Kommunen nicht zu bloßen Vollzugsapparaten werden lassen, „indem sie jede Pflichtaufgabe bis ins Detail regeln und den bürokratischen Aufwand vor Ort immer weiter vergrößern“. Kommunalpolitik brauche Gestaltungsspielräume, auch finanziell dürften die Kommunen nicht überfordert werden. „Es ist frustrierend für Bürgermeister und Ratsmitglieder, wenn das Geld im kommunalen Haushalt gerade mal für die Erfüllung der Pflichtaufgaben reicht“, kommentierte Steinmeier.
An seine Gäste hatte er dennoch eine Bitte: „Sagen Sie weiter, dass Kommunalpolitik Freude macht.“ Es sei erfüllend, den eigenen Lebensort mitzugestalten. In der Kommunalpolitik komme man seinen Mitmenschen näher, erfahre Zusammenhalt und lerne Neues.
Das sieht auch Bürgermeisterin Lena Weber so. Machen statt meckern lautet ihr Motto. Wenn man seinen Heimatort liebe, sei es toll, wenn man dort etwas in die Gänge bringen könne. „Bei allem Frust ist es ein unfassbar schönes Ehrenamt.“
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.