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„Ein teurer, aber letztlich vertretbarer Kompromiss“

Teuer, aber finanziell zu stemmen – so kommentierte am Montag VKA-Verhandlungsführerin Karin Welge (SPD) den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Die kommunalen Verbände sehen das genauso. Die Kommunen kostet die Einigung 17 Milliarden Euro.
von Uwe Roth · 24. April 2023
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Die Erleichterung war in ihrem Statement spürbar: „Wir sind froh, die Tarifeinigung nach intensiven und teils zähen Ringen vorlegen zu können. Vor allem werden unsere Bürgerinnen und Bürger von weiteren Warnstreiks verschont“, gab Karin Welge zu Protokoll. Die Verhandlungsführerin und Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) dachte dabei sicher auch an die Bürger*innen in ihrer Stadt Gelsenkirchen. Dort ist sie Oberbürgermeisterin. Das Positive sieht sie in der langen Laufzeit von 24 Monaten. „Damit haben wir unser wichtigstes Ziel der Planungssicherheit erreicht.“

Nach ihren Angaben handelt es sich für die kommunalen Arbeitgeber mit rund 17 Milliarden Euro „um den teuersten Tarifabschluss aller Zeiten“. Auf die kommunalen Arbeitgeber kommen mit der Tarifeinigung dauerhafte Kosten von rund 13 Milliarden Euro zu. Die Entgelte der Beschäftigten erhöhen sich um bis zu 17 Prozent. Die Kommunalpolitikerin sieht auch darin Vorteile für die Kommunen. Denn die Attraktivität der Arbeitsplätze im kommunalen öffentlichen Dienst erhöhe sich dadurch „wesentlich“. Mit dem Tarifergebnis verbessere sich die Einkommenssituation für die Beschäftigten spürbar. Alles in allem sei dies „ein teurer, aber letztlich vertretbarer Kompromiss.“

Tariferhöhung könnte Attraktivität des öffentlichen Diensts stärken

Den kommunalen Arbeitgebern sei es gelungen, bei den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen „wesentliche Verbesserungen“ durchzusetzen, sagte Welge. Für die kommunalen Krankenhäuser, Pflege- und Betreuungseinrichtungen wurde vereinbart, zuzüglich zum regulären Entgelt ein um bis zu zwei Stufen höheres Entgelt ganz oder teilweise gewähren zu können – unabhängig von der eigentlichen Stufenlaufzeit der Beschäftigten. Eine Pflegefachkraft in der Entgeltgruppe P7, Stufe 6 profitiert von einem Plus von rund 426 Euro, was einschließlich der 3.000 Euro Inflationsausgleichsgeld während der Laufzeit einem Plus von insgesamt rund 18 Prozent entspricht. Karin Welge bemerkte dazu: „Ziel war und ist die Verbesserung der Möglichkeiten zur Personalgewinnung und Personalbindung.“

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sagte: „Die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst bringt aus Sicht von Kommunalverbänden schwere Belastungen für Städte und Gemeinden, ist aber ein vertretbarer Kompromiss.“ Der Tarifabschluss sei „eine harte Nuss für die Städte in schwieriger Zeit“, kommentierte Dedy. Positiv bewertet auch er die Planungssicherheit bis Ende 2024. Dies könne „bei der Gewinnung dringend benötigter Fachkräfte helfen“. Die Gewerkschaften ver.di und dbb hatten ursprünglich eine Laufzeit von nur zwölf Monaten angestrebt.

Über den Abschluss sind nicht alle Finanzverantwortlichen glücklich. Dedy ist sich dessen bewusst: „Die Haushaltslage vor Ort ist unterschiedlich.” Für finanzschwache Städte mit strukturellen Haushaltsproblemen, hohen Sozialausgaben und Defiziten seien die immensen zusätzlichen Ausgaben schwerer zu verkraften. Der Deutsche Landkreistag hat die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst aus den gleichen Gründen wie die anderen Verbände ebenfalls als „nicht einfach, aber vertretbar” bezeichnet. Die 294 Landkreise in Deutschland sind mit jeweils 800 bis 1.000 Tarifbeschäftigte nun gefordert, die Mehrausgaben zu stemmen.

Die Tarifparteien von Bund, Kommunen und Gewerkschaften hatten sich am späten Samstagabend nach monatelangem Ringen darauf geeinigt, einen Schlichterspruch in den Kernpunkten zu übernehmen. Die Gewerkschaftsmitglieder müssen noch zustimmen, Verdi-Chef Frank Werneke äußerte sich aber zuversichtlich. Die größte Tariferhöhung seit Jahrzehnten im öffentlichen Dienst sieht Einmalzahlungen und Lohnerhöhungen vor.

Die Tarifeinigung sieht die Auszahlung eines steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsgeldes in Höhe von insgesamt 3.000 Euro vor, wie der VKA mitteilt. Einmalig erhalten die Beschäftigten im Juni 2023 1.240 Euro, anschließend monatlich 220 Euro im Zeitraum Juli 2023 bis Februar 2024. Ab 1. März 2024 werden die Tabellenentgelte aller Beschäftigten um 200 Euro erhöht (sogenannter Sockelbetrag). Diese um 200 Euro erhöhten Entgelte werden zusätzlich um 5,5 Prozent erhöht. Soweit dabei keine Erhöhung um 340 Euro erreicht wird, soll der betreffende Erhöhungsbetrag auf diese Summe festgesetzt werden. Der Tarifabschluss tritt rückwirkend zum 1. Januar 2023 in Kraft und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2024.

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu

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