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„Extrem ernüchternd“: Steuerschätzung verstärkt Finanzsorgen der Städte

Die Einnahmen der Städte und Gemeinden wachsen langsamer als bisher erwartet. Das geht aus der neuen Steuerschätzung hervor. Um Wirtschaft in Schwung zu bringen, fordert der Deutsche Städtetag mehr „Beinfreiheit für Investitionen“.

von Carl-Friedrich Höck · 24. Oktober 2024
Finanzminister Lindner während einer Pressekonferenz

Bundesfinanzminister Christian Lindner stellte die Zahlen der Steuerschätzer vor.

Auf den ersten Blick ist es eine gute Nachricht: Die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden werden voraussichtlich weiter steigen. Der Arbeitskreis Steuerschätzung hat eine neue Prognose vorgelegt. Demnach können die Kommunen für 2024 mit einem Anstieg von 2,5 Prozent rechnen. Und auch im nächsten Jahr kommt mehr Geld in die Kassen. Die Gewerbesteuer zum Beispiel wird in diesem Jahr 75,1 Milliarden Euro einbringen, 2024 Jahr sogar 77,3 Milliarden.

Dass die Kommunen trotzdem enttäuscht auf die Steuerschätzung reagieren, hat zwei Gründe. Zum einen sorgt die Inflation dafür, dass „mehr Geld“ nicht automatisch „mehr Handlungsspielraum“ heißt. Zwar liegt die Inflationsrate aktuell mit 1,6 Prozent vergleichsweise niedrig, das ist aber nur eine Momentaufnahme.

Unter den Erwartungen

Und zum anderen liegen die nun prognostizierten Steuereinnahmen deutlich unter dem Ergebnis der letzten Schätzung. Im laufenden Jahr 2024 werden die Einnahmen 600 Millionen Euro geringer ausfallen als bisher gedacht. Die neuen Zahlen für die Gewerbesteuer 2024 und 2025 liegen zusammen mehr als eine Milliarde Euro unter dem, was vor einem halben Jahr noch erwartet worden war. Und im Oktober 2023 hatten die Steuerschätzer für den Zeitraum 2024–2028 sogar insgesamt acht Milliarden mehr Gewerbesteuereinnahmen vorausberechnet.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, kommentierte die Prognose entsprechend: „Die Ergebnisse der Steuerschätzung sind extrem ernüchternd. Auf absehbare Zeit wird das Wachstum der Steuereinnahmen größtenteils nur noch die Inflation ausgleichen können.“ Der Bund und die Länder müssten sich ehrlich machen. Für zusätzliche Aufgaben und Ausgaben bestehe kaum noch Spielraum – vor allem bei den Kommunen.

Die Wirtschaft schwächelt

Laut den Zahlen, die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Donnerstag präsentierte, muss der gesamte Staat im Zeitraum 2024–2028 mit insgesamt 58,1 Milliarden Euro weniger auskommen, als bisher angenommen worden war. Der Bund selbst wird laut der Schätzung 12,6 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen zur Verfügung haben.

Der Arbeitskreis Steuerschätzung musste seine Zahlen anpassen, weil die Prognose der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands sich verschlechtert hat. Im Mai glaubte der Bund noch, dass die Wirtschaft im Jahr 2024 um 0,3 Prozent wachsen würde. Nun geht die Regierung davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt sogar leicht schrumpft, nämlich um 0,2 Prozent.

Ein Schlüssel, um diesen Trend umzukehren, könnte bei den Kommunen liegen. Städtetags-Hauptgeschäftsführer Dedy erklärte: „Damit die Wirtschaft wieder wachsen kann, müssen Infrastruktur und Rahmenbedingungen stimmen.” Dafür könnten die Städte vor Ort sorgen – aber nur, wenn Bund und Länder ihnen „mehr Beinfreiheit für Investitionen geben.“ Die Kommunen bräuchten dringend mehr frei verfügbare Mittel. Ein höherer Anteil der Städte und Gemeinden an den Steuereinnahmen wäre aus Dedys Sicht dringend notwendig. Aber damit allein sei es nicht getan. „Die Städte brauchen insbesondere auch mehr Beinfreiheit beim Einsatz von Fördermitteln. Die meisten Förderprogramme sind viel zu kompliziert.“ Dedy forderte, die Zahl der Vorschriften zu reduzieren, um die öffentlichen Mittel wirkungsvoller einsetzen zu können.

SPD-Fraktionsvize will mehr Kapital mobilisieren

Auch auf Bundesebene macht man sich Gedanken, wie die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden kann. SPD-Fraktionsvize Achim Post verwies in diesem Zusammenhang auf den Industriegipfel, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz in der kommenden Woche einlade, sowie auf die Wachstumsinitiative der Ampel-Koalition, die nun zeitnah im Bundestag beschlossen werden müsse. „Ich bin dafür, dass wir uns darüber hinaus über weitere Maßnahmen unterhalten. Dazu kann ein Deutschlandfonds zur Mobilisierung privaten Kapitals zählen wie ihn die SPD-Fraktion seit Monaten fordert“, ergänzte Achim Post. Vorstellbar sei auch eine Reform der Schuldenbremse, um mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu ermöglichen.

Ebenso wie die Kommunen muss auch der Bund seine Einnahme-Erwartungen nach unten korrigieren. Was die finanzielle Handlungsfähigkeit der Regierung betrifft, zeigte sich Post dennoch optimistisch. „Vor unlösbare Aufgaben werden die Haushaltsverhandlungen jedoch nicht gestellt, auch da die Konjunkturkomponente der Schuldenregel zur Ankurbelung der Wirtschaft eine höhere Kreditaufnahme erlaubt.“

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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