Frauenhäuser: Mehr als 14.000 Plätze fehlen
Das erste Frauenhaus, so überliefert es das digitale Deutsche Frauenarchiv, eröffnete im Berliner Stadtteil Grunewald im Jahr 1976 im damaligen West-Berlin. Frauen, die geschlagen wurden, von ihren Partnern oder Ehemännern Gewalt erfuhren, konnten dorthin flüchten. Seitdem entstanden in Deutschland zahlreiche weitere Frauenhäuser in unterschiedlicher Trägerschaft.
Tabuthema häusliche Gewalt
Gewalt im häuslichen Umfeld war noch lange nach Kriegsende kein Thema, das von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Erst in den 1970er Jahren rückte das Thema Gewalt gegen Frauen innerhalb der neuen Frauenbewegung in den Fokus. „Ab Mitte der 1970er Jahre befassten sich verschiedene, eigens zu dem Zweck gegründete Initiativen und Gruppen mit den Themen Gewalt gegen Frauen und Vergewaltigung“ schreibt die Autorin Lena Kühn.
Heute ist das Thema im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit angelangt, in der so genannten Istanbul-Konvention sind europaweit einheitliche Standards im Umgang mit Gewalt gegen Frauen festgeschrieben. In Deutschland ist sie am 1. Februar 2018 in Kraft getreten. Obwohl es in ganz Deutschland mittlerweile eine gute Hilfestruktur gibt, übt der Dachverband Frauenhauskoordinierung (FHK) kurz vor dem Frauentag am 8. März Kritik: „Es fehlen über 14.000 Plätze bundesweit.“
Lücken im Hilfesystem
„Die Hilfestrukturen in den Ländern und Kommunen sind noch immer uneinheitlich und oft unsicher finanziert“, sagt Heike Herold, Geschäftsführerin des Frauenhauskoordinierung. Und das, obwohl das Bundeskriminalamt 2018 insgesamt 114.393 Fälle erfasst hat, in den Frauen Opfer häuslicher Gewalt wurden, wie das FHK klagt. Außerdem sei das System so hürdenreich, dass Frauen die wenigen freien Plätze gar nicht „in Anspruch nehmen könnten“, wie es in einer Mitteilung heißt.
Der Bund hat das Thema Frauenhäuser auf die Agenda genommen: Im Herbst 2019 wurde das Bundesinvestitionsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ beschlossen, das laut einer Mitteilung des BMFSFJ „Hilfs- und Beratungsangebote in den Ländern und Kommunen unterstützt“. Am 20. Februar haben Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und die Hamburger Senatorin Melanie Leonhard (beide SPD), zuständig für Arbeit, Soziales Familie und Integration, die erste Vereinbarung zur Förderung unterzeichnet.
Bundesförderprogramm
„Mit dem Bundesinvestitionsprogramm stellt der Bund bis 2023 insgesamt 120 Millionen Euro zur Verfügung, um bauliche Maßnahmen oder Fachberatungsstellen zu unterstützen“, sagte dazu Ministerin Giffey. Für das Jahr 2020 stehen im Bundeshaushalt 30 Milliarden Euro zur Verfügung. Weitere fünf Milliarden im Jahr für jeweils 2020, 2021 und 2022 sind für Maßnahmen vorgesehen, um die Versorgung der betroffenen Frauen zu verbessern.
„Ein erster wichtiger Schritt“ lobt Heike Herold. Allerdings merkt sie kritisch an: „Die Gelder sind ausschließlich für bauliche Maßnahmen, nicht für laufende Kosten, wie Beratung oder Dolmetscher*innen vorgesehen.
Problem Barrierefreiheit
Probleme gibt es etwa, weil es zu wenig rollstuhlgerechte Plätze gibt. Laut der FHK-Statistik muss sich darüber hinaus jede vierte Frau an der Finanzierung beteiligen, wenn sie in einem Frauenhaus wohnt. Herold fordert: „Frauenschutz ist mehr als nur Frauenhäuser bauen!“ Deutschland brauche eine bundesgesetzliche, einheitliche Regelung, um bedrohten Frauen und ihren Kindern Schutz zu garantieren – ohne bürokratische Hürden und egal an welchem Ort!“
Das erste Frauenhaus in Berlin existierte bis zum Jahr 2000. Mittlerweile gibt es in Berlin sechs Frauenhäuser, Zufluchtswohnungen, Beratungsstellen und eine Hotline, an die sich Frauen wenden können. Frauensenatorin Dilek Kalayci (SPD) will das Berliner Hilfesystem weiter ausbauen, kündigte sie während einer aktuellen Stunde im Berliner Abgeordnetenhaus am Donnerstag an. Noch in diesem Jahr werde das 7. Frauenhaus eröffnet.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.