Frühe Hilfen: Der Bund soll seine Finanzierung fast verdoppeln
Frühe Hilfen sind lokale Netzwerke zum Schutz der Kleinsten. Die Bundesländer fordern vom Bund, dass dieser seinen Anteil an der Finanzierung stark erhöht. Viel Zuspruch erhielt die Initiative im Familienausschuss des Bundestages.
Ute Grabowsky/photothek.de
Schon während der Schwangerschaft setzen bei werdenden Eltern manchmal Ängste und Hilflosigkeit ein. In solchen Fällen leisten die Frühen Hilfen Unterstützung.
Der Bundesrat drängt auf mehr Geld für das System der Frühen Hilfen”. 15 Bundesländer unterstützen den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz“. Die Gründe erklärte Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Die Linke) am Montag im Familienausschuss des Bundestags: Der jährliche Betrag in Höhe von 51 Millionen Euro, die der Bundeshaushalt für die Frühe Hilfen vorsieht, sei seit zehn Jahren nicht angehoben worden, begründete er die Initiative der Länderkammer. In der Zwischenzeit habe sich der Bedarf jedoch verdoppelt.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Bund den Betrag im Jahr 2025 auf 96 Millionen Euro anhebt und in den folgenden Jahren an die jeweilige Kostensteigerung anpasst. Diese hängt ab von der Geburtenzahl, den Tarifabschlüssen sowie der Inflationen.
Wie sich Frühe Hilfen finanzieren
Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) hat 2020 die Kommunen befragt: Demnach setzen sich die Etats durchschnittlich zu 47,3 Prozent aus Mitteln der Bundesstiftung, zu 41 Prozent aus kommunalen Eigenmitteln und zu 8,3 Prozent aus Landesmitteln zusammen. Im Vergleich zur Erhebung aus dem Jahr 2017 habe es „einen Zuwachs beim Engagement der Länder und Kommunen gegeben, stimuliert durch die verlässliche Förderung der Bundesstiftung.“
Doch die Stimulation lässt angesichts der wackeligen kommunalen Finanzen offensichtlich nach, wie es im Ausschuss hieß. Für allem für die Bezahlung der Fachkräfte müssten die Zuschüsse aufgestockt werden.
Fachwelt unterstützt die Initiative
Der Familien-Ausschuss des Bundestags hatte zehn Expert*innen zur Anhörung eingeladen. Sie betonten durchweg, die Finanzierungsmittel seien gut angelegt. Die Ausschuss-Mitglieder (mit Ausnahme des AfD-Vertreters) zeigten sich ebenfalls davon überzeugt, dass die Frühen Hilfen unterm Strich eine gute Investition seien. Kindern, denen früh professionell geholfen werde, hätten im weiteren Leben bessere Entwicklungschancen.
Ausschussmitglied Daniel Baldy (SPD) betonte, dass die Aufstockung der Frühen Hilfen seine Fraktion „schon länger herumtreibt“. In den vergangenen beiden Jahren habe es einen Zuschlag von jeweils fünf Millionen Euro auf den Sockelbetrag von 51 Millionen Euro gegeben. Wie es mit dem Gesetzesentwurf weitergehe, werde wohl der nächste Bundestag entscheiden.
Jörg Fischer leitet das Institut für kommunale Planung und Entwicklung in Erfurt. Das Mitglied des Vorstands Beirat Frühe Hilfen sagte: „Die Frühen Hilfen sind wirksam für die Betroffenen und wichtig für die Gesellschaft.“ Es sei ein „Demokratie sichernder Beitrag“. Jörg Freese vom Deutschen Landkreistag hoffte ebenfalls auf eine Zustimmung durch den Bundestag. „Zu den Frühen Hilfen habe es aus den Landkreisen null negative Rückmeldung gegeben, nur positive Rückmeldungen.“
Bedarf an Unterstützung junger Eltern wächst
Die Frühen Hilfen sind zu Beginn der 2000er Jahren entstanden, als Kindesmisshandlungen bekannt geworden waren, bei denen die Jugendämter die Eltern nicht auf dem Schirm hatten. Die Vorsorge wurde ausgeweitet. Vor allem sehr junge Menschen oder solche in einer prekären Situation sind mit ihrer Rolle als Mutter oder Vater oftmals überfordert.
Panik vor der Elternschaft kann bereits mit der Schwangerschaft entstehen. Hier setzen die Frühen Hilfen zum Schutz der Null- bis Dreijährigen an. Sie sollen verhindern, dass elterliche Hilflosigkeit in Gewalt umschlägt. Vor allem Hebammen und Kinderärzt*innen können sehr früh die Gefahr einer möglichen Gefährdung des Kinderwohls erkennen. Sie vermitteln professionelle Unterstützung aus dem lokalen Netzwerk der Frühen Hilfen. Dazu gehören Gesundheitsfachkräfte, die Eltern begleiten, um ihre Beziehungs- und Versorgungskompetenz zu stärken.
Psychische Belastungen nehmen zu
Ein wachsendes Erziehungsproblem sind psychische Belastungen von Elternteilen. Nach Ergebnissen einer bundesweit repräsentativen Studie 2022 berichteten ein Fünftel (21,5 Prozent) aller Mütter und Väter, die ihr Kind zu den Vorsorgeuntersuchungen U3 bis U7a begleiteten, von psychischen Belastungen. In der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2015 waren es noch 15,7 Prozent. In 2022 war gut ein Drittel (35 Prozent) der Familien mit Kindern von null bis drei Jahren von drei oder mehr Belastungen betroffen, 22 Prozent hatten sogar vier oder mehr Belastungen.
Die elterlichen Belastungen bleiben nach Erkenntnissen aus der Studie nicht ohne Folgen auf die kindliche Entwicklung. So sei etwa das Risiko einer Entwicklungsverzögerung bei Kleinkindern in Familien mit Bürgergeld-Bezug um 13 Prozentpunkte höher als bei Kleinkindern in Familien ohne existenzielle Geldsorgen.
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu