Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung: Experten plädieren für flexible Regeln
Die Bundesregierung will die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung stärken, um die Genehmigung von Großprojekte zu beschleunigen. Ihr Gesetzentwurf stieß bei einer Anhörung auf verhaltenes Echo: Die bisher gültigen Regelungen zur frühen Beteiligung funktionieren aus Sicht von Expert*innen bereits gut.
Florian Gaertner / Photothek
Das Elisabeth-Lueders-Haus und das Paul-Loebe-Haus des Deutschen Bundestages (Archivaufnahme)
Die Bundesregierung beabsichtigt, das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zu ändern. Konkret handelt es sich um den Paragrafen 25 „Beratung, Auskunft, frühe Öffentlichkeitsbeteiligung“. Der Träger eines Projekts soll demnach Bürger*innen über sein Projekt in Kenntnis setzen, noch bevor dieser das offizielle Genehmigungsverfahren in Gang setzt. Dahinter steckt die Idee, dass ein Aufgaben-Träger die Gelegenheit nutzen sollte, bereits im Vorfeld eines Genehmigungsprozesses Bedenken der Öffentlichkeit auszuräumen.
Positive Folgen sieht der Gesetzgeber darüber hinaus darin, dass Missverständnisse aufgeklärt und unbegründete Ängste den Menschen genommen werden können. Diese belasten dann das eigentliche Verfahren nicht, und so kann ein Baustart früher erfolgen. Mögliche Verfahrensfehler werden in einem Stadium erkannt, in dem diese noch nicht gerichtsrelevant sind. Im besten Fall verhindern die Erkenntnisse aus der frühen Beteiligung, dass ein Genehmigungsverfahren wiederholt werden muss.
Das Ziel: Vertrauensbildung
Die frühe Beteiligung der Öffentlichkeit nach dem VwVfG gehört jedoch nicht zur Bürgerbeteiligung im offiziellen Verfahren und ist freiwillig. Es diene aber der Vertrauensbildung, wenn man die Menschen frühzeitig abhole und ihnen die Möglichkeit gebe, sich in das Verfahren einzubringen, sagte Silvia Haufe vom Stromnetzbetreiber „50Hertz Transmission“. Das Gesetz leiste „einen wichtigen Beitrag, die Genehmigungsbehörde früh über besondere Aspekte des Verfahrens zu unterrichten, die für die Abwägung wichtig sein können“.
Haufe war eine der sechs Expert*innen, die der Ausschuss des Bundestags für Inneres und Heimat am Montag zur Anhörung eingeladen hatte. Auf der Tagesordnung stand der Entwurf „eines Gesetzes zur Stärkung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren“. Der Unterpunkt 3 des gültigen Paragrafen 25 VwVfG soll herausgelöst und als eigener Abschnitt Paragraf 25a aufgewertet werden.
Nicht für die Schublade
Die Bundesregierung möchte, dass die Ergebnisse aus einer frühen Beteiligung weitergetragen werden und nicht in einer Schublade verschwinden. Der Träger eines Vorhabens soll der Behörde und Öffentlichkeit die Dokumente „in einem verkehrsüblichen elektronischen Format übermitteln. Dafür soll „ein maschinenlesbares Format verwendet werden“. Damit könne der Austausch von Informationen beschleunigt werden.
Die eingeladenen Expert*innen verfügten über reichlich Erfahrung. Sie organisieren und begleiten solche Prozesse oder sie beschäftigen sich juristisch damit. Marc Zeccola vom Institut für Volkswirtschaftslehre und Recht der Universität Stuttgart sagte: „Die bisherige Vorschrift der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung hat sich bewährt, vor allem in der Praxis wird sie als ein verfahrensbeschleunigendes Element wahrgenommen.“ Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Olaf Reidt betonte ebenfalls, dass sich die bisherige Regelung bewährt habe. Damit dies so bleibe, müsse ein solches Beteiligungsverfahren freiwillig und seine Ausgestaltung flexibel bleiben. Ob ein Projektträger einen Info-Bus auf Tour schicke oder die Öffentlichkeit zu einer zentralen Informationsveranstaltung einlade, müsse diesem überlassen bleiben.
IHK fordert Einschränkung der Verfahren
Am Ende dürfe aus dem informellen Verfahren kein formelles Verfahren durch die Hintertüre werden. Das sahen auch die meisten Expert*innen so. Hauke Dierks vertrat im Ausschuss die IHK Berlin. Die Wirtschaft sehe und schätze die Vorteile der frühen Beteiligung. Er forderte aber, dass eine „spätere Öffentlichkeitsbeteiligungen auf Wunsch der Vorhabenträger entfallen können, wenn eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wurde und dies europarechtlich zulässig ist.“
Die Teilnehmenden im Ausschuss, die die Interessen der Aufgaben-Träger vertraten, warnten, das Gesetz zu einem Korsett werden zu lassen. Es solle vielmehr „eine Leitplanke für die Verfahrensbeteiligten sein“, so Rechtsanwalt Reidt.
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu