Gebühren für Polizeieinsätze: Bundesliga darf zur Kasse gebeten werden
Das Bundesverfassungsgericht billigte Bremer Polizeigebühren für besonders gefährdete Fußballspiele. Sicherheit müsse nicht kostenlos sein.
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Das Bundesverfassungsgericht hat sein Urteil zu den Polizeikosten in Zusammenhang mit Hochrisikospielen verkündet.
Ein Bremer Gesetz, das die polizeilichen Mehrkosten von Hochrisiko-Bundesligaspielen der Deutschem Fußball-Liga (DFL) auferlegt, ist grundgesetz-konform. Das entschied an diesem Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Nun werden wohl andere Bundesländer folgen.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hatte die Idee entwickelt. Seit 2015 können in Bremen die Zusatzkosten für gewinnorientierte Groß-Veranstaltungen (über 5.000 Teilnehmer*innen), die erfahrungsgemäß zu Gewalttätigkeien führen, dem Veranstalter in Rechnung gestellt werden. Für ein Spiel von Werder Bremen gegen den Hamburger SV im April 2015 verlangte das Land von der DFL 425.000 Euro. Statt 150 Polizisten, wie an normalen Spieltagen, waren 900 Beamte im Einsatz, viele davon aus anderen Bundesländern.
DFL sieht sich nicht für Ausschreitungen verantwortlich
Doch die DFL klagte gegen den Bescheid. Sie hielt das Gesetz von Anfang an für verfassungswidrig. Öffentliche Sicherheit müsse durch Steuergelder finanziert werden, nicht durch Gebühren. Die DFL sei auch nicht für Fan-Ausschreitungen verantwortlich, vielmehr seien die Vereine selbst die Leidtragenden. Außerhalb des Stadions, also in der Innenstadt und auf dem Weg zum Stadion sei eindeutig die Polizei zuständig und nicht der Verein.
Die DFL klagte gegen den ersten Gebührenbescheid, den sie 2015 erhielt. Sie erlitt in den oberen Instanzen aber nur Niederlagen, zuletzt 2021 beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Nun verlor sie in vollem Umfang auch beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Gerichtspräsident Stephan Harbarth stellte fest, dass das Bremer Gebühren- und Beitragsgesetz nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Zwar stelle die Gebührenpflicht für Hochrisikospiele eine Eingriff "von einigem Gewicht" in die Berufsausübungsfreihiet der DFL dar. Die Gebührenpflicht verfolge jedoch das legitime Ziel den Staatshaushalt zu schonen, indem die Kosten von besonders aufwendigen Polizeieinsätzen auf diejenigen abgewälzt werden, die auch den Gewinn aus der Veranstaltungs ziehen. In der Abwägung sei die Gebührenpflicht nicht unverhältnismäßig.
Gebühren für staatliche Kernaufgaben sind möglich
Es gebe im Grundgesetz schon keinen Grundsatz, dass der Staat seine Kernaufgaben stets kostenfrei erledigen müsse, so Harbarth. So werde zum Beispiel die Justiz durch Gerichtsgebühren mitfinanziert. Für die Polizei könne nichts anderes gelten.
Entscheidend sei, dass die Gebühr durch eine individuell zurechenbare Leistung der Polizei gerechtfertigt werde, so die Richter. Dies sei bei den Hochrisikospielen eindeutig der Fall. Die Polizei sorge dafür, dass die Leute „unversehrt” zum Stadion kommen und wieder zurück. „Durch die Polizeikräfte wird die Großveranstaltung in Gänze ermöglicht und das Risiko reduziert, dass ihre Druchführung in chaotische Zustände verfällt”, erläuterte der federführende Richter Heinrich Amadeus Wolff.
Wolff wies auch das zentrale Argument der DFL zurück, dass die Polizei nur von „Störern” Gebühren verlangen dürfe. Auch wer sich rechtsmäßig verhält und dadurch Polizeieinsätze „auslöst”, könne grundsätzlich an den Kosten beteiligt werden, so Richter Wolff. Es komme auch nicht darauf an, ob die DFL die Polizeieinsätze beantragt oder bestellt hat.
Gebühren dürfen nicht abschreckend wirken
Unzulässig wären solche Gebühren nur, wenn sie abschreckend oder gar „erdrosselnd” wirken würden, so Wolff. Davon könne bei den Bremer Polizeigebühren aber nicht die Rede sein. Es gebe keine Anzeichen, dass die Durchführung der Bundesliga oder von Hochrisikospielen „nicht mehr möglich wäre oder auch nur verändert werden müsste”.
Ulrich Mäurer, der immer noch Bremer Innensenator ist, rechnet damit, dass nun andere Länder dem Bremer Beispiel folgen. In Hamburg und Rheinland-Pfalz gab es schon vor dem Urteil entsprechende Absichtserklärungen. Große Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen waren bisher jedoch dagegen. Mäurer schlägt vor, dass die Länder einen Polizeikostenfonds einrichten, in den alle Vereine einzahlen, und daraus dann die Polizeikosten der konkret betroffenen Vereine bezahlt werden; so will er Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Die DFL wollte nach dem Urteil „noch nicht über Folgen spekulieren.”
Bisher hat Bremen in zehn Jahren nur sieben Gebührenbescheide an die DFL geschickt. Zwei Bundesligaspiele fehlen noch, weil sie noch nicht endgültig abgerechnet sind. Insgesamt geht es bisher um eine Summe von rund drei Millionen Euro. Die DFL verlangt von Werder Bremen, dass der Verein die Kosten erstattet, weil es ja um Spiele in Bremen gehe. Bremen hat bisher aber nur jeweils die Hälfte der Summe übernommen, weil man sich nur als Mitveranstalter neben der DFL sieht. Die restliche Summe wurde bis zur Karlsruher Entscheidung von der DFL „gestundet”, Auch über diese Lastenverteilung wird nun diskutiert werden.
peivat
ist rechtspolitischer Korrespondent für verschiedene Tageszeitungen, den vorwärts und die DEMO.