Geothermie-Gesetz: Kommunen sorgen sich um das Grundwasser
Die Ampel-Koalition will Genehmigungsverfahren für Geothermie, Wärmepumpen und Wärmespeichern beschleunigen. Die kommunalen Spitzenverbände befürchten, der Schutz des Grundwassers könnte im Zweifelsfall das Nachsehen haben.
IMAGO / Gottfried Czepluch
Wohnungsbauprojekt in Velbert (NRW): Das Neubauviertel im Stadtteil Nierenhof soll mit Geothermie versorgt werden.
Die Wärmewende ist im Grundsatz beschlossen, nun geht es an die Umsetzung. Mit einem neuen Gesetz will die Ampel-Koalition im Bund den Ausbau der Geothermie (Erdwärme) beschleunigen. Am Montag war es Thema einer Expertenanhörung im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie.
Bisher spielt die Geothermie für die Wärmeversorgung in Deutschland kaum eine Rolle. Nicht einmal zwei Prozent der Wärme würden aus Geothermie und Umweltwärme gewonnen, beklagt die Bundesregierung. Gleichwohl sieht sie darin großes Potenzial: „Geothermie ist eine klimaneutrale, nach menschlichen Maßstäben unerschöpfliche und zugleich zuverlässige und über das gesamte Jahr verfügbare Energiequelle“, schreibt sie in der Begründung für das neue Gesetz.
Geothermie-Ausbau bisher zu langsam
Doch aus Sicht der Ampel-Koalition geht der Ausbau bisher zu langsam voran. Ziel des Bundeswirtschaftsministeriums ist es, bis zum Jahr 2030 mindestens 100 neue tiefengeothermische Projekte anzustoßen. Zum Vergleich: Bis zum Februar 2022 waren insgesamt nicht einmal 50 Projekte umgesetzt. Um das Tempo zu verschärfen, will die Regierung die Verfahrensdauer für neue Projekte halbieren.
Das vorgelegte Gesetz enthält Digitalisierungsvorgaben, verkürzt behördliche Fristen für die Antragsbearbeitung und senkt die Anforderungen für Geothermieanlagen und Wärmepumpen. Ihnen soll ein „überragendes öffentliches Interesse“ zuerkannt werden. In der Konsequenz bedeutet es, dass solche Anlagen im Zweifel Vorrang vor anderen öffentlichen Belangen wie Natur- oder Denkmalschutz erhalten, wenn Behörden oder Gerichte eine Abwägungsentscheidung treffen.
Stadtwerke loben Regierungsvorlage
Im Ausschuss für Klimaschutz und Energie wurde der Gesetzentwurf von einigen Sachverständigen geradezu euphorisch aufgenommen. „Ein ausdrückliches Lob“ äußerte Matthias Dümpelmann, Geschäftsführer der „8KU GmbH“, einem Zusammenschluss von acht großen Stadtwerken. Als „wirklich schönes Gesetz“ bezeichnete Carlotta Gerlach vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) das Vorhaben. Auch die meisten anderen Expert*innen kommentierten die Initiative wohlwollend.
Bedenken äußerte Bernd Düsterdiek als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände. Diese sorgen sich, dass der Schutz des Grundwassers künftig an zweiter Stelle stehen könnte, wenn ein besonderes öffentliches Interesse am Ausbau der Geothermie gesetzlich festgeschrieben wird. Es dürfe „kein Rangverhältnis zulasten des Grundwasserschutzes eingeführt werden“, heißt es in der Stellungnahme der Verbände. Außerdem schreiben sie: „Das Ermessen zur Bewirtschaftung des Grundwassers muss in behördlicher Hand bleiben.“ Auch Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft hätten ein Interesse daran, Wasser zu nutzen.
Kritik an Genehmigungsfiktion
Dass die Fristen für kommunale Genehmigungsbehörden verkürzt werden sollen, stößt bei den Städten und Gemeinden ebenfalls auf Kritik. Hintergrund ist, dass ein Antrag automatisch als genehmigt gilt, wenn die zuständige Behörde innerhalb der gesetzten Frist keine Entscheidung dazu trifft (im Fachjargon: Genehmigungsfiktion). Bei wasserrechtlich sensiblen Fragen sei das kontraproduktiv und riskant für die Umwelt, argumentieren die kommunalen Spitzenverbände. Dasselbe gilt aus ihrer Sicht für den Plan, einen „vorzeitigen Maßnahmenbeginn“ zu ermöglichen: Somit könnte eine Bohrung schon beginnen, bevor das Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist. Es sollten „keine Fakten geschaffen werden, die nicht reparierbar sind“, warnen die Kommunalverbände. Zudem berge dieses Vorgehen auch für die Projektträger erhebliche Risiken, weil diese ihr Geld investieren würden ohne zu wissen, ob die Behörde nachträglich Auflagen erteilt oder die Genehmigung komplett versagt.
In eine ähnliche Richtung argumentierte Cornelia Nicklas von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der Entwurf lese sich, „als wären die behördlichen Verfahren vor allem bürokratische Hürden ohne vernünftigen Zweck“. Dabei trage die präventive Kontrolle durch die Behörden wesentlich zur hohen Akzeptanz von Geothermie bei. Als mögliche Risiken nannte sie Schäden durch Bohrungen oder dass Schadstoffe ins Grundwasser gelangen. Dennoch sprechen sich sowohl die Umwelthilfe als auch die Kommunen dafür aus, die Zulassung von Geothermie-Projekten zu beschleunigen.
Im Oktober 2024 hat sich auch der Bundesrat bereits mit dem Gesetz befasst. Die Länderkammer forderte, den Entwurf zu überarbeiten, um den Grundwasserschutz somit das Trinkwasser nicht zu gefährden.
Weiterführende Informationen:
bundestag.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.