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Gescheiterte Tarifverhandlungen: Wie es jetzt weitergeht

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen sind gescheitert. Nun verlangt die Arbeitgeberseite eine Schlichtung. Scheitert sie, könnte es zum ersten Mal seit 31 Jahren zu einem Erzwingungsstreik kommen.
von Carl-Friedrich Höck · 30. März 2023
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Auch die dritte Verhandlungsrunde in Potsdam hat kein Ergebnis gebracht. Nach dreitägigen Beratungen teilten Gewerkschaften und Arbeitgeber in der Nacht zu Donnerstag mit: Die Tarifgespräche sind gescheitert. Somit gibt es vorerst keinen neuen Tarifabschluss für die 2,6 Millionen Beschäftigten in Bund und Kommunen.

Warum gab es keine Einigung?

Aus Sicht der beteiligten Gewerkschaften (ver.di, dbb, GdP, GEW und IG BAU) hat sich die Arbeitgeberseite zu wenig bewegt. „Die Vorschläge der öffentlichen Arbeitgeber hätten nicht sichergestellt, dass die Kaufkraft insbesondere für die unteren und mittleren Einkommensgruppen erhalten bleibt“, kommentiert ver.di-Chef Frank Werneke. Er will „einen echten Inflationsausgleich“. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sieht die Verantwortung dagegen bei den Gewerkschaften. Diese hätten sich „in ihrer Forderung eingemauert“, kritisiert VKA-Präsidentin Karin Welge. Die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen vertritt die kommunale Seite, für den Bund sitzt Innenministerin Nancy Faeser mit am Verhandlungstisch.

Laut Welge waren Bund und Kommunen bereit, einen Inflationsausgleich in Höhe von 3.000 Euro netto zu zahlen. Die Arbeitgeber seien auch offen dafür gewesen, über einen Mindestbetrag zu verhandeln. Faeser zufolge hatten die Arbeitgeber 300 Euro Mindestbetrag und eine Entgelterhöhung von acht Prozent in Aussicht gestellt. Allerdings wollten Bund und Kommunen in den Verhandlungen eine längere Laufzeit des Tarifvertrages erreichen.

Wie geht es jetzt weiter?

Bund und Kommunen haben als Arbeitgeber eine Schlichtung beantragt. Die Gewerkschaften müssen dieser Aufforderung folgen – so wurde es 2011 in einer gemeinsamen Vereinbarung festgelegt. Während der Schlichtung gilt eine Friedenspflicht, es darf also in dieser Zeit keine Streiks geben.

Wie läuft die Schlichtung ab?

Die Arbeitgeberseite und die Gewerkschaften entsenden jeweils zwölf Vertreter*innen in eine Schlichtungskommission. Zudem bestimmen beide Seiten jeweils einen unparteiischen Schlichter. Die Gewerkschaften haben den ehemaligen Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD) als Schlichter berufen. Bund und Kommunen haben den ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen Georg Milbradt (CDU) als Schlichter benannt.

Die Kommission soll eine Einigungsempfehlung erarbeiten. Über diese verhandeln die Gewerkschaften und Arbeitgeber dann erneut. Den Vorsitz der Schlichtungskommission übernimmt Hans-Henning Lühr. Sollte es zu einem Patt kommen, gibt seine Stimme den Ausschlag.

Was passiert, wenn die Schlichtung ebenfalls scheitert?

Dann könnte es zu einem Erzwingungsstreik kommen. Laut ver.di wäre es das erste Mal seit 31 Jahren, dass dieses Instrument zum Einsatz kommt. Vor dem Streik müssten die Gewerkschaften eine Urabstimmung durchführen. Bei ver.di laufen bereits entsprechende Vorbereitungen. Laut Medienberichten hat sich die Gewerkschaft darauf eingestellt, bis zu sechs Wochen zu streiken. Das würde beispielsweise Krankenhäuser, Müllabfuhr, den öffentlichen Nahverkehr, Kitas oder die Verwaltung betreffen.

Auch der dbb will jetzt eine Urabstimmung einleiten und droht mit einem „Vollstreik“. Ab Ende April könne es überall im Land zu umfassenden Streikmaßnahmen im öffentlichen Dienst kommen, sagt dbb-Chef Ulrich Silberbach.

Was ist der Unterschied zwischen einem Warn- und einem Erzwingungs- bzw. Vollstreik?

Rechtlich gesehen gibt es keinen Unterschied, erklärt ver.di auf seiner Website. Von einem Streik oder Erzwingungsstreik spricht man dann, wenn die Tarifverhandlungen bereits gescheitert sind und es eine Urabstimmung gegeben hat. Vorher handelt es sich um einen Warnstreik.

Vollstreik oder Flächenstreik bedeutet, dass alle Arbeitnehmenden eines bestimmten Wirtschaftszweiges – in diesem Fall also des öffentlichen Dienstes in Bund und Kommunen – ihre Arbeit niederlegen. Bisher haben sich nach ver.di-Angaben 500.000 Menschen an Warnstreiks und Aktionen der Gewerkschaft beteiligt.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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