Große Kluft bei kommunalen Investitionen
Der wahrgenommene Investitionsrückstand der Städte, Gemeinden und Kreise ist innerhalb eines Jahres von 132 Milliarden auf 136 Milliarden Euro angewachsen. Einen hohen Investitionsbedarf sehen die Kämmerer vor allem bei der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur (35 Milliarden Euro) und im Schul- und Bildungsbereich (34 Milliarden Euro).
Auf den ersten Blick erstaunt diese Erkenntnis. Denn aufgrund der niedrigen Zinsen kommen die Kommunen vergleichsweise günstig an Geld. Laut dem KfW-Kommunalpanel sehen das auch die meisten Kämmerer so: Eine Mehrheit bewertet die Finanzierungsmöglichkeiten als gut. In der Summe haben die Städte, Gemeinden und Kreise sogar einen Finanzierungsüberschuss von 3,1 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Große Unterschiede zwischen Kommunen in Ost und West
Doch nicht alle Kommunen profitieren von den guten Bedingungen. „Die Unterschiede zwischen finanzstarken und -schwachen Kommunen hinsichtlich Haushaltsausgleich, Schulden und Investitionen sind weiter gewachsen“, sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die die Studie in Auftrag gegeben hat.
In Westdeutschland schätzten 25 Prozent der Gemeinden, dass sie den Haushaltsausgleich für 2015 nicht schaffen – und in Ostdeutschland sogar 44 Prozent. In diesen Gemeinden fallen die Investitionen in der Summe um mehr als ein Drittel niedriger aus. Hinzu kommt, dass es Kommunen ohne ausgeglichenen Haushalt auch schwerer fällt, die schon bestehende Infrastruktur zu unterhalten. Die Folge: Straßen und Gebäude verfallen.
Für Investitionen fehlt auch Personal
Investitionen werden aber nicht nur aus finanziellen Gründen verzögert. Oft fehlt auch das nötige Personal, damit die Verwaltung die Investitionsprojekte bewältigen kann. Die starke Zuwanderung im vergangenen Jahr hat dieses Problem offenbar verschärft: Sie zu bewältigen hat einen großen Teil der personellen Ressourcen in Anspruch genommen. Ein weiterer Faktor ist die Planungsunsicherheit: Lange Zeit konnten die Kommunen nicht sicher sein, welche Maßnahmen sie ergreifen müssen, welche ihnen erstattet werden und auf welchen Kosten sie am Ende sitzen bleiben.
Der Deutsche Städtetag reagiert alarmiert auf die wachsenden Unterschiede zwischen den Kommunen bei den Investitionen – zumal die Befragten davon ausgehen, dass sich dieses Problem im laufenden Jahr noch verschärft. „Im Zuge der Reform der föderalen Finanzbeziehungen sollten Bund und Länder die Investitionskraft der Kommunen dauerhaft stärken“, fordert Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Außerdem sollten sie gezielte Hilfen für strukturschwache Städte und Regionen vorsehen, weil es diesen aus eigener Kraft nicht möglich ist, ihre Lage entscheidend zu verbessern."
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass der geschätzte Investitionsbedarf für die Straßen- und Verkehrsinfrastruktur bei 45 Milliarden Euro liege. Tatsächlich sind es 35 Milliarden. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.