Hochwasser in Passau: „Wir sind mit großer Routine gesegnet”
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DEMO: In Passau treffen die Flüsse Donau und Inn aufeinander. Vergangene Woche standen Teile der Stadt unter Wasser, wie man auch in den bundesweiten Nachrichten sehen konnte. Wie ist die aktuelle Lage?
Jürgen Dupper: Wir haben an der Donau immer noch Meldestufe drei, also erheblichen Wasseraustritt. Das ist aber keine große Überraschung, weil Donau-Hochwasser bei uns langsam kommen und auch wieder langsam gehen. Aufgrund des Donaupegels hat sich auch der Inn zurückgestaut Aber wir haben heute (11. Juni) den Katastrophenfall aufgehoben und können jetzt in eine gewisse Routine des Aufräumens kommen.
Wie haben Sie Ihre Rolle als Oberbürgermeister während des Hochwassers ausgefüllt? Um welche Aufgaben mussten Sie sich prioritär kümmern?
Es ist selbstverständlich, dass ich den eingerichteten „Krisenstab“ leite und vor Ort bin, um hautnah zu erleben, welche Themen die Einsatzkräften und die betroffenen Bürgerinnen und Bürger beschäftigen. Das ist eine umfassende Aufgabe. Im Vordergrund standen während des Hochwassers die Organisation und Kommunikation. Die anderen Amtsgeschäfte konnte ich ein bisschen reduzieren, aber dennoch erledigen.
Passau hat in der Vergangenheit schon mehrfach Hochwasser erlebt. Welche Lehren hat die Stadt daraus gezogen?
Wir haben fast jedes Jahr Hochwasser, allerdings in wesentlich bescheidenerem Umfang. Und wir hatten in den vergangenen rund zwei Jahrzehnten drei sehr große Hochwasser. Dazu gehört das heurige, das aber nicht vergleichbar mit dem Hochwasser von 2013 ist. Damals haben wir als Folge unsere ganzen Einsatzdrehbücher neu geschrieben. Das hat sich in diesem Jahr sehr bewährt: Wir haben die Ausrüstung der Feuerwehren und Hilfskräfte verbessert, die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern und auch den Einsatz in den einzelnen Straßen und Gassen. Wir haben also aus 2013 gute Lehren gezogen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir wissen jetzt von Gasse zu Gasse, sogar von Haus zu Haus genau, was bei welchem Wasserstand dort passiert: Ist der Keller überflutet, steht das Erdgeschoss oder sogar das erste Geschoss unter Wasser? Dieses Wissen ist eines der Instrumente, die wir uns nach 2013 zurechtgelegt haben.
Sie sind erfahren im Umgang mit Hochwasser. Gab es jetzt trotzdem neue Erkenntnisse, die Sie über die Stärken und Schwächen des Hochwasserschutzes in Passau sammeln konnten?
Ja, vor allem mit Blick auf den Einsatzfall. Wir haben noch keine zufriedenstellende Lösung, was die Vorhersagen anbelangt. Für die Prognosen ist in Bayern das Landesamt für Umwelt zuständig. Die gehen mit viel Know-how an die Sache heran. Gleichwohl mussten die Prognosen in Passau immer wieder nachgebessert werden. Das ist im Einsatzfall ärgerlich, wenn auf den prognostizierten Scheitel noch einmal 50 Zentimeter draufkommen. Das hat die Einsatzkräfte und die Anlieger vor ganz neue Fragen gestellt.
Unsere dringende Forderung an die Politik in Bayern ist, dass im Oberlauf der Flüsse Donau und Inn unbedingt Maßnahmen erfolgen müssen. Für beide Flüsse gibt es Studien, die vom Land beauftragt wurden und in denen dargestellt wird, was zu tun ist. Das betrifft insbesondere Polder und Retentionsflächen. Das muss jetzt zügig umgesetzt werden.
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger steht in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen, er habe den Hochwasserschutz in der Vergangenheit vernachlässigt oder sogar blockiert. Das Betraf den Bau von Poldern. Wie haben Sie jetzt die Unterstützung durch den Freistaat Bayern erlebt?
Die Unterstützung durch den Freistaat Bayern war in der Vergangenheit gut und ist jetzt gut. Er hat sich in unserer Stadt in den vergangenen Jahren enorm engagiert und an ausgewählten Stellen baulich-technischen Hochwasserschutz errichtet. An anderen Stellen fehlt der noch. Da muss jetzt nachgebessert werden. Aber was die Diskussion um die Flüsse im Oberlauf betrifft: Da gab es nach unserer Meinung nicht nachvollziehbare politische Diskussionen und ich hoffe, dass die mit dem Hochwasser 2024 beendet sind.
Nach dem Hochwasser muss erst einmal aufgeräumt werden. Wer organisiert diese Arbeit und wie erleben Sie dabei die gegenseitige Hilfsbereitschaft der Bevölkerung?
Die Aufräumarbeiten machen die Feuerwehren, der städtische Bauhof und die städtische Gärtnerei, aber natürlich auch die Hauseigentümer selbst. Wir sind da mit großer Routine gesegnet. Wir haben auch wieder zahlreiche Angebote von freiwilligen Hilfskräften, die wir an Hausbesitzer vermitteln, die bei uns nachfragen. Es ist also eine Gemeinschaftsarbeit der ganzen Stadt.
Aufgrund des Klimawandels ist anzunehmen, dass künftig noch mehr Städte Erfahrungen mit starkem Hochwasser machen werden. Haben Sie als Passauer Oberbürgermeister einen Rat an Ihre Amtskolleginnen und -kollegen?
Nein. Das würde ich mir nie herausnehmen, nur weil wir immer mal wieder Hochwasser haben. Aber auch wir blicken mit Sorge auf unkalkulierbare Gewitterzellen, die dann als Starkregen niedergehen und jetzt während des Hochwassers die Situation noch verschärft haben. Als erste Stadt in Bayern haben wir uns Starkregen-Gefahrenkarten zurechtgelegt. Damit können wir für jede Straße sagen, welche Häuser betroffen sind von Starkregenereignissen, von überschäumenden Bächen, von Rinnsalen, die sich zu Sturzbächen entwickeln. Wenn ich also vor dem Hintergrund des Klimawandels einen Rat geben soll, dann wäre es dieser: Mit Gefahrenkarten kann man sich relativ gut auf Starkregenereignisse vorbereiten.
Jürgen Dupper (SPD) ist seit 2008 Oberbürgermeister der Stadt Passau.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.