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Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt geht voran

Je länger Geflüchtete im Land leben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie erwerbstätig sind. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Faktoren und Rahmenbedingungen für eine gelingende Integration untersucht. Dabei zeigte sich: Es gibt große Unterschiede zwischen Frauen und Männern.

 

 

 

von Karin Billanitsch · 4. Dezember 2024
Plakat auf einer Jobbörse für geflüchtete Arbeitslose in Berlin

Impressionen von einer Jobbörse für geflüchtete Jobsuchende in Berlin. Nach einer Untersuchung steigt die Erwerbstätigenquote Geflüchteter mit der Zeit in Deutschland. 

Rund 63 Prozent der Geflüchteten sind nach sieben Jahren erwerbstätig, nach acht Jahren sind es sogar 68 Prozent. Mit der Dauer des Aufenthalts steigt also die Erwerbstätigenquote an. Das ist eines der Ergebnisse einer Untersuchung, die Yuliya Kosyakova, Forschungsbereichsleiterin für Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung(IAB), am Mittwoch auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem OECD Berlin Centre vorgestellt hat. Dabei wurden Geflüchtete im Zeitraum zwischen 2013 und 2019 in den Blick genommen. 

Große Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Das Gefälle zwischen den Geschlechtern ist hier indes groß: Fast 60 Prozent der Frauen bleiben laut der Untersuchung auch nach sieben Jahren oder mehr auf staatliche Leistungen angewiesen „Frauen leben viel häufiger als Männer in größeren Haushalten mit minderjährigen Kindern; geflüchtete Männer leben auch häufig allein“, so die Forscherin. 

Das Niveau der Tätigkeiten der erwerbstätigen Geflüchteten nimmt laut der IAB-Studie ebenfalls zu, je länger die Menschen in Deutschland sind, wie auch die Bruttomonatsverdienste. Gründe dafür seien ein steigender Anteil an Vollzeitbeschäftigten und eine höhere Wochenarbeitszeit. Allerdings stellt Kosyakova fest, dass die Mehrheit der Geflüchteten „noch sechs Jahre nach dem Zuzug unterhalb der Schwelle zum Niedriglohnbereich“ liegt. 

IAB: Berufs- und Arbeitsmarktberatung positiv

Das IAB hat sich auch im Detail die Faktoren und Rahmenbedingungen angesehen, die die Erwerbstätigkeit beeinflussen können: Wenn der Asylantrag anerkannt wird, wirkt sich das demnach positiv aus, ebenso wie Integrationskurse und Berufssprachkurse – diese insbesondere auf Frauen. Auch Berufs- und Arbeitsmarktberatung bringt einen deutlichen positiven Schub. Darüber hinaus ist auch Infrastruktur wie Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen ein wichtiger Faktor. 

Beschäftigungsverbote, Wohnsitzauflagen sowie das Wohnen in Gemeinschaftsunterkünften wirken sich laut den Auswertungen des IAB negativ aus. „Die Wohnsitzauflage verringert die Beschäftigungschancen von Geflüchteten um 11 Prozentpunkte“, betont Wissenschaftlerin Yuliya Kosyakova. Sie macht außerdem darauf aufmerksam, dass die Verteilung der Geflüchteten nach dem sogenannten Königssteiner Schlüssel ihre Chancen auf Arbeitsmarktintegration mindert. „Man hat festgestellt, dass sie überdurchschnittlich häufig auf Kreise mit ungünstigen Arbeitsmarktbedingungen verteilt werden.“

Netzwerke und Kontakte wichtig 

Als weiteren wichtigen Aspekt in diesem Zusammenhang nennt sie die Anerkennung beruflicher Abschlüsse. Etwa 20 bis 25 Prozent verfügten über einen formellen Berufs- oder Hochschulabschluss – aber nur ein geringer Teil von ihnen stelle überhaupt einen Anerkennungsantrag. Außerdem spielten soziale Netzwerke und Kontakte eine wichtige Rolle bei der Jobsuche: Laut der Studie werden die Hälfte der Jobs mit ihrer Hilfe gefunden, „ein Großteil durch deutsche Freunde und Bekannte“. 

Auch die Einstellung der Bevölkerung zu den Neuankömmlingen beeinflusst ihre wirtschaftliche und soziale Integration. Das Gefühl, Willkommen zu sein, hat laut den IAB-Forschern positive Effekte. 

Janik: „Zugang zu Spracherwerb und Arbeitsmarkt von Anfang an“

Florian Janik, Oberbürgermeister von Erlangen, stimmte Yuliya Kosyakova während einer Diskussion zu: „Damit Integration gelingt, setzt es voraus, dass wir unser Mindset dahingehend öffnen, dass wir von Anfang an Zugang zum Spracherwerb und zum Arbeitsmarkt als Anforderung setzen und unterstützen.” Wichtig sei klarzumachen, „wenn Menschen kommen, finden wir das grundsätzlich toll und wir unterstützen sie dabei, dass sie gut ankommen.“ 

Erlangen habe Geflüchteten während der Fluchtbewegungen der letzten Jahre von Anfang an Sprachkurse angeboten – egal ob sie einen rechtlichen Anspruch darauf hatten oder nicht. Er lobte auch die Entscheidung des Bundes, ukrainische Geflüchtete direkt in Leistungen des SGB II (also Bürgergeld) aufzunehmen. Willkommenskultur ist für den Erlanger OB besonders wichtig. Dabei komme es auf die Zivilgesellschaft an, der Kommune allein könne dies nicht gelingen. Zum Beispiel habe Erlangen gute Erfahrungen mit Helferkreisen in den Stadtteilen gemacht. Janik: „Menschen sind immer eine Ressource, wenn man es ökonomisch betrachtet, und wenn man es gesellschaftlich sehen will, eine Bereicherung.“

Fincke: „Trennen zwischen Arbeits- und Schutzmigration“

Die geltenden Regeln der Verteilung der Flüchtlinge in die Bundesländer und Kommunen verteidigte Gunilla Fincke aus Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Es gelte zu trennen zwischen den Anforderungen für Arbeitsmigranten und für jene, die Schutz suchten. „Im zweiten Fall prüft Deutschland nicht, ob das Menschen sind, die gut in den Arbeitsmarkt passen, sondern schaut danach, dass diese Menschen in Deutschland Schutz bekommen.“ An dieser Trennung festzuhalten, sei ihr sehr wichtig. 

Mit Blick auf die von Koyakova genannten Beschäftigungsverbote, die sich negativ auf die Arbeitsmarktintegration auswirken würden, entgegnete Fincke, Beschäftigungsverbote für die ersten Monate würden nur wenige Personen betreffen. „Ein Großteil der anerkannten Flüchtlinge, aber auch ein Großteil der anderen dürfen arbeiten.“ Als gemeinsames Ziel bleibe, dass jene, die am Ende in Deutschland blieben, am Ende in Arbeit kämen.

Thomas Liebig von der OECD unterstrich in der Diskussion, dass „Deutschland bei der Integrationsförderung von Asylbewerbern im internationalen Vergleich sehr weit ist“. Das Land habe als eines der wenigen Integrationskurse für Asylbewerber*innen geöffnet. Aktive Arbeitsmarktintegration für die Gruppe der Asylbewerber*innen sieht er hingegen skeptisch. „Das würde deutlich über das hinausgehen, was andere Länder tun.“

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

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