„Jede Kommune muss ihre eigenen Antworten auf den Klimawandel finden”
Petra Mahrenholz vom Umweltbundesamt erklärt im Interview, wie Kommunen sich an den Klimawandel und seine Folgen anpassen können.
Susanne Kambor/UBA
Fachgebietsleiterin Petra Mahrenholz wirbt für fachübergreifende Netzwerke.
Petra Mahrenholz ist Fachgebietsleiterin beim Umweltbundesamt und zuständig für das „Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung” (KomPass).
Warum ist es so wichtig, dass unsere Kommunen sich mit den Folgen des Klimawandels beschäftigen?
Petra Mahrenholz: Klimawandel-Risiken prägen sich lokal aus. An der Küste haben wir es mit einem steigenden Meeresspiegel zu tun. Das erfordert andere Anpassungsmaßnahmen als im Oberrheintal oder in städtischen Metropolen, wo sommerlicher Hitzestress ein großes Thema ist. Eine Kommune, die am Fluss liegt und wo es immer mal zu Hochwasser kommt, muss sich anders vorbereiten als eine Gemeinde, die im Stau eines Mittelgebirges liegt und für die Starkregen die größte Gefahr ist. Jede Kommune muss ihre eigenen Antworten auf den Klimawandel finden und adäquat auf die lokalen Risiken reagieren.
Viele Kommunen haben sich schon mit Klimaanpassungsprojekten auf den Weg gemacht. Welche Beispiele haben Sie besonders beeindruckt?
Das Umweltbundesamt und das Umweltministerium loben seit vielen Jahren gemeinsam den Wettbewerb „Blauer Kompass“ aus. Dort wird auch ein Preis an Kommunen vergeben, die sich beispielhaft an den Klimawandel anpassen. 2024 war Göttingen Sieger im Wettbewerb, weil die Stadt sich umfangreich mit Starkregenvorsorge auseinandergesetzt hat. Es gibt Starkregenrisiko-Karten, die das Risiko für jedes Grundstück aufzeigen. Bürgerinnen und Bürger können sich bei der Stadtverwaltung kostenlos beraten lassen, zum Beispiel zur Frage: Was kann ich tun, damit Niederschlag vor Ort besser versickern kann? Die Kanalisationssysteme wurden angepasst und viele Flächen davon entkoppelt, sodass die Kanäle nicht mehr so schnell überlaufen. Die Stadthalle wurde mit einer Dachbegrünung versehen und vieles mehr.
Zwei Jahre vorher ging der Preis an den Landkreis Borken. Er hat seine Hochwasser-Resilienz erhöht entlang der Bocholter Aa. Die Städte, die entlang des Flusses liegen, haben ein gemeinsames Netzwerk gegründet. Sie wussten: Wir müssen unsere Maßnahmen zusammendenken. Gemeinsam wurde geschaut, wo neue Retentionsflächen – also Ausweichflächen für Wasser – geschaffen werden können und wie sich auch die Biodiversität verbessern lässt.
Manche Kommunen beschäftigen einen Klimaanpassungsmanager oder eine -managerin. Welche Vorteile hat das?
Klimaanpassungsmanager werden zu einem Großteil vom Bund über Fördermittel bezahlt. Ihre Aufgabe ist es, kommunale Anpassungskonzepte zu erarbeiten. Dazu gehört, eine Risikoanalyse zu erstellen und Akteure in der Kommune zu identifizieren: Wer kann an dem Konzept mitarbeiten, wer kann sich mit Geld, Flächen oder anderen Ressourcen einbringen? Der Manager berät die Bürgermeisterin zu notwendigen Maßnahmen. Und er ist eine Kommunikationsmaschine, die das Thema beim Stadtrat, den Bürgerinnen und Bürgern und bei den Fachämtern auf die Agenda bringt. Wir haben festgestellt, dass Kommunen klimaresilienter sind, wenn sie fachübergreifende Netzwerke haben. Die müssen sich aber in guten Zeiten herausbilden und nicht erst, wenn zum Beispiel ein Hochwasser eingetreten ist. Die Netzwerke sorgen dafür, dass die Abläufe im Katastrophenfall viel besser funktionieren.
Wo finden Kommunen, die sich mit Klimaanpassung beschäftigen möchten, fachliche und finanzielle Unterstützung?
Das Umweltbundesamt hat ein Klimavorsorge-Portal geschaffen. Das ist eine Metadatenbank, über die sich Leitfäden, Normen und andere Klimadienste auffinden lassen. Eine weitere Wissensbasis ist das Zentrum Klimaanpassung, das beim Bundesumweltministerium angesiedelt ist. Das Zentrum hat den Auftrag, Kommunen beim Beantragen von Fördermitteln und bei der Akquise von Klimaanpassungsmanagern zu unterstützen. Das Zentrum hat auch ein Netzwerk gebildet und bieten tolle Fortbildungsveranstaltungen an.
Das Wissen ist also da, aber natürlich kostet Klimaanpassung auch Geld. Das Umweltbundesamt fordert seit langem, Klimaanpassung zu einer Gemeinschaftsaufgabe zu machen. Das bedeutet, dass der Bund die Länder und Kommunen unterstützt und sich auch direkt an den Kosten beteiligt. Und das nicht nur über Projekte, sondern langfristig. Im Koalitionsvertrag der Ampel stand das als Prüfauftrag drin, Bund und Länder verhandeln jetzt die Umsetzung.
Seit Juli 2024 ist das Klimaanpassungsgesetz in Kraft. Damit werden die Kommunen verpflichtet, Anpassungspläne zu erarbeiten. Was bewirkt das Gesetz, erleben Sie es als Gamechanger?
Es hat auf jeden Fall das Potenzial dazu, ein Gamechanger zu werden. Für mich ist das Wichtigste, dass nun alle Kommunen sich verbindlich mit ihren Risiken auseinandersetzen müssen – sie müssen sich diese also bewusst machen. Das sensibilisiert die Gemeinden und bringt auch dort einen Stein ins Rollen, wo man bisher mit Extremwetter-Ereignissen noch keine schlimmen Erfahrungen gemacht hat. Zusätzlich macht das Gesetz auch sehr konkrete Vorgaben. Zum Beispiel werden Träger öffentlicher Aufgaben dazu verpflichtet, bei ihren Planungen und Entscheidungen das Ziel der Klimaanpassung fachübergreifend und integriert zu berücksichtigen.
Das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) ist eine Forschungsinstitution im Umweltbundesamt. Es soll Wissen rund um Klimawandelanpassung erforschen, mögliche Risiken und den Effekt von Gegenmaßnahmen bewerten. Zu den Aufgaben gehören auch Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit sowie die Beratung der Politik.
Dieser Text ist zuerst im vorwärts-kommunal (Ausgabe Dezember 2024) erschienen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.