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Jusos wollen feministische Stadt- und Gemeindeentwicklung

Die Jusos haben ein Muster-Kommunalprogramm erstellt. Wozu es dient und was mit „feministischer Stadtentwicklung” gemeint ist, erklärt Patricia Seelig. Sie ist Mitglied im Juso-Bundesvorstand und Kommunalpolitikerin in Osthofen.
von Carl-Friedrich Höck · 23. November 2023
Patricia Seelig ist Mitglied im Juso-Bundesvorstand und hat das Muster-Kommunalprogramm mit erarbeitet.

DEMO: Auf ihrem Bundeskongress am vergangenen Wochenende haben die Jusos ein Muster-Kommunalprogramm beschlossen. Warum?

Patricia Seelig: Oft richten sich unsere Beschlüsse an den Bund oder die Länder. Mit dem Kommunalprogramm übersetzen wir unsere Forderungen auf die kommunalpolitische Ebene. Das ist wichtig und gab es bisher so nicht. Wir Jusos fordern den demokratischen Sozialismus. Ich habe mich deshalb immer wieder gefragt: Was bedeutet das ganz konkret für meine Arbeit im Stadtrat?

Im nächsten Jahr finden sehr viele Kommunalwahlen statt. Natürlich hoffen wir, viele Jusos in die Stadt- und Gemeinderäte und Kreistage zu bekommen. Unser Muster-Programm beinhaltet ein breites Spektrum an politischen Handlungsfeldern. Es soll eine Hilfestellung für die kommunalpolitische Arbeit sein. Ein Baukasten, aus dem sich Jusos die Punkte herauspicken können, die ihnen für ihre Stadt oder Gemeinde relevant erscheinen.

Welche politischen Akzente wollen die Jusos auf kommunaler Ebene zum Beispiel setzen?

Wir wollen das Leitbild einer feministischen Stadt- und Gemeindeentwicklung vorantreiben. Viel zu lange wurde die Stadt- bzw. Gemeindeentwicklung aus einer weiß-männlichen Sicht heraus gestaltet und auch für diese Zielgruppe. Feministische Stadt- und Gemeindeentwicklung bedeutet für uns auch, dass wir sagen: Wir wollen Teilhabe schaffen, wir wollen Zugang schaffen, Bezahlbarkeit, eine nachhaltige Entwicklung, an der die Menschen partizipieren können – und zwar für alle Menschen.

Was heißt das konkret?

Ein Beispiel sind die Innenstädte. Wir haben ein Innenstadtsterben und viele politische Diskussionen drehen sich darum, wie wir die Zentren wieder beleben können. Meistens wird aber nur darüber gesprochen, wie das im kapitalistischen Sinne tun können. Also kommt dann der nächste Pop-up-Store, und wenn der dicht macht, zieht ein Bubble-Tea-Laden ein.

Mit dem Leitbild einer feministischen Stadtentwicklung betrachten wir Innenstädte aber als einen Ort, der für alle da sein muss. Er darf nicht nur denen zugänglich sein, die hier Geld ausgeben. Es darf auch nicht dazu kommen, dass junge Menschen aus der Innenstadt vertrieben werden, weil sie sich Cafés oder Bars nicht leisten können. Da heißt es dann, sie würden herumlungern. Wir brauchen Begegnungsstätten, wir brauchen Aufenthaltsort für alle.

Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema in der feministischen Stadtentwicklung. Auch hier geht es darum: Wir können wir alle Bevölkerungsgruppen ansprechen? Das funktioniert über einen guten ÖPNV, über Barrierefreiheit und ähnliche Punkte. Und natürlich ist Sicherheit ein wichtiger Aspekt: Feministische Stadtentwicklung betrachtet die Frage von Angsträumen. Da können wir gerade in der Stadt- und Gemeindeentwicklung wahnsinnig viel gegensteuern. Wir müssen das Thema nur adressieren, beispielsweise Beleuchtungskonzepte entsprechend anpassen.

Haben die Jusos den Eindruck, dass die Erwartungen und Bedürfnisse junger Menschen in der Kommunalpolitik oft zu kurz kommen?

Absolut! In den Stadt- und Gemeinderäten sitzen viele Menschen, die auch schon vor 30 Jahren Politik gemacht haben. Deshalb fühlt sich die Jugend nicht in allen Kommunen repräsentiert. Die Folge ist, dass die Stimme junger Menschen zwar kurz zum Tragen kommt, wenn es um die Planung einer Skateanlage geht. Aber in der alltäglichen politischen Gestaltung spielt die Sichtweise junger Menschen keine Rolle.

Unsere Gesellschaft wandelt sich. In der Kommunalpolitik ist das noch nicht überall angekommen. Da sitzen immer noch Karl, Heinz und Günther und sprechen darüber, wo die nächste Parkbank hinkommt. Damit sich das ändert, müssen junge Menschen an allen Stellen mitwirken. Dazu gehört, dass sie vor Wahlen auf aussichtsreiche Listenplätze kommen.

Welche spezifischen Erwartungen an Kommunalpolitik haben junge Menschen?

Ein Beispiel ist die Frage: Welche kulturellen Angebote muss eine Kommune bieten? Früher gab es Tanzcafés, das will die Jugend in dieser Form heute nicht mehr. Wir reden aber zu wenig darüber, welche passenden Alternativen es gibt. In großen Städten gibt es Clubs und ein interessantes kulturelles Angebot. Sobald wir in den ländlichen Raum kommen, sieht es anders aus. Freizeitangebote für junge Menschen sind da Mangelware. Mit unserem Muster-Wahlprogramm haben wir uns dazu klar positioniert: Unabhängig von ihrer Größe sollten Kommunen Räume schaffen, in denen kulturelles Leben stattfinden kann – ob Musik, Kunst oder was auch immer.

Junge Menschen erwarten auch attraktive Aufenthaltsräume. Zum Beispiel Orte, wo man seinen Laptop aufschlagen kann, WLAN und eine Steckdose hat und sich einen günstigen Kaffee ziehen kann. Und wir wünschen uns eine gute Klimapolitik und nachhaltige kommunale Entwicklung. Dazu gehört Entsiegelung. Wenn neue Flächen bebaut werden, reicht es nicht, irgendwo einen Baum hinzustellen und sich dann auf die Schulter zu klopfen.

Wie hat der Bundeskongress den Antrag für das Muster-Kommunalprogramm diskutiert?

Das Feedback war enorm positiv, was mich wahnsinnig gefreut hat. Der Beschluss wurde einstimmig gefasst. Vorher gab es noch einige Änderungen, die den Antrag des Bundesvorstandes toll ergänzt haben. Zum Beispiel, dass wir Pfandringe an Mülleimern anbringen wollen. Und wir wollen internationale Partnerschaften zwischen Kommunen stärken.

 

Mehr Informationen:
Das Antragsbuch für den Juso-Bundeskongress 2023 können Sie hier als PDF herunterladen. Auf Seite 315 findet sich der Antrag O1: „Jungsozialistische Politik in den Kommunen – unser
Muster-Kommunalprogramm”

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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