Kämmerereien blicken immer pessimistischer in die Zukunft
Die Stimmung in den Kämmereien wird schlechter und schlechter. Jedes Jahr befragt das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag der Förderbank KfW die deutschen Städte, Gemeinden und Landkreise. Im vergangenen Jahr beteiligten sich fast 800 Kommunen, nun wurden die Ergebnisse veröffentlicht: 58 Prozent bewerten die eigene Finanzsituation als negativ. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als noch im Vorjahr. Nur noch 17 Prozent beurteilen die eigene Lage als positiv.
Zugleich hofft kaum jemand auf Besserung, im Gegenteil. Neun von zehn Kämmereien gehen davon aus, dass sich die Finanzlage in den kommenden fünf Jahren verschlechtern wird.
Massiver Investitionsstau
Als Gründe nennt das KfW-Kommunalpanel unter anderem ein schwächeres Steuerwachstum, steigende Personalausgaben und zunehmende Sachaufwendungen, weil die Preise steigen und zusätzliche soziale Aufgaben dazukommen. Die Kommunen hätten aber auch mit strukturellen Herausforderungen zu kämpfen: Klimaschutz und -anpassung, Digitalisierung und die demografischen Entwicklungen machen neue Investitionen nötig.
Doch bei den Investitionen kommen die Städte, Gemeinden und Kreise kaum noch hinterher. Der von ihnen wahrgenommene Investitionsrückstand ist sogar noch stärker angestiegen als in den Vorjahren und liegt nun bei 186,1 Milliarden Euro. Das sind 20,5 Milliarden mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Die geplanten Investitionen der Kommunen lagen im vergangenen Jahr bei einem Volumen von 43 Milliarden Euro. Für dieses Jahr rechnen sie mit 45 Milliarden.
Allerdings wird rund ein Drittel der geplanten Investitionen gar nicht realisiert. Das Difu warnt deshalb: „Angesichts der stark gestiegenen Baupreise muss davon ausgegangen werden, dass mit dem Anstieg der kommunalen Investitionsplanungen nicht unbedingt mehr Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden.“
Schulen, Straßen und Rathäuser verfallen
Die Folge sind marode Schulen, Straßen und Rathäuser. Laut KfW-Kommunalpanel verteilt sich der Investitionsrückstand vor allem auf diese Bereiche: Straßen (48,3 Milliarden Euro), Schulen (54,8 Milliarden), Verwaltungsgebäude (18,8 Milliarden), Brand- und Katastrophenschutz (16,3 Milliarden), Kitas (12,7 Milliarden) und Sportstätten (12,1 Milliarden Euro).
Abhilfe schaffen wollen die Kommunen in diesem Jahr besonders bei den Schulen, für die sie Investitionen von 13 Milliarden Euro planen, und bei den Straßen, für die 11 Milliarden vorgesehen sind. Nur etwas mehr als drei Milliarden sind für öffentliche Verwaltungsgebäude eingeplant. Dabei gibt es in der Kommunalpolitik ein Bewusstsein dafür, dass auch diese nicht vernachlässigt werden sollten. 81 Prozent der Kommunen sehen einen Zusammenhang zwischen dem Zustand der Rathäuser und dem Eindruck, den die Bürger*innen vom Staat haben.
Kommunalverbände fordern eine Reaktion
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy sieht die eigenen düsteren Zukunftsaussichten durch den Bericht bestätigt. „Das zeigt wieder einmal, dass die Kommunen dauerhaft unterfinanziert sind“, teilte er am Donnerstag mit. In den Kommunen sei fast kein Spielraum vorhanden, um beispielsweise in die Energiewende zu investieren. Bund und Länder müssten sie finanziell besser ausstatten. „Für die Finanzierung der Verkehrswende und der Wärmeversorgung, aber auch für die größeren und kleineren Investitionen in die bestehende Infrastruktur brauchen Kommunen belastbare Perspektiven“, so Dedy.
Als „außerordentlich bedrückend“ bewertet der Deutsche Städte- und Gemeindebund die vorgelegten Zahlen. Deutschland lebe seit Jahren von der Substanz, kommentiert Hauptgeschäftsführer André Berghegger. Die Spielräume für Investitionen würden immer kleiner. Die deutsche Wirtschaft sei aber auf gute infrastrukturelle Standortbedingungen angewiesen.
Geldmangel ist allerdings nicht der einzige Grund für ausbleibende Investitionen. Auch Bürokratie bremst die Investitionstätigkeit, wie das KfW-Kommunalpanel zeigt. 60 Prozent der Kommunen gaben an, dass komplexe und aufwendige Verfahren und Vorgaben zu Verzögerungen von mehr als einem Jahr führen. Genauso oft beklagt wurden Liefer- und Kapazitätsengpässe der Bauwirtschaft. Und Personalmangel in den Bauverwaltungen hat zur Folge, dass Projekte sich in mehr als jeder zweiten Kommune verzögern. In fast jeder dritten Kommune sind sogar einzelne Projekte komplett auf Eis gelegt worden, weil Leute fehlen, die sich darum kümmern können.
Mehr Informationen:
KfW-Kommunalpanel 2024 (Download als PDF)
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.