Klimaanpassung in Mühlhausen: Vom Mittelalter zur Schwammstadt
In der thüringischen Kreisstadt setzt Oberbürgermeister Johannes Bruns Akzente in Sachen Klimaanpassung und Nachhaltigkeit.
Harald Lachmann
Frauentor und Stadtmauer: Die Stadt Mühlhausen legt wert auf ihre Geschichte als Reichsstadt, zeigt sich aber zugleich auch modern.
Zu Recht vermarktet sich Mühlhausen in Thüringen als „mittelalterliche Reichsstadt“. Enge Gassen, hohe Mauern, steinerne Stadttore, die längste begehbare deutsche Stadtmauer sowie 13 uralte Kirchen schaffen authentisches Flair. Bauernkriegspfarrer Thomas Müntzer predigte einst in der wuchtigen Marienkirche, Johann Sebastian Bach spielte Orgel in der Divi-Blasii-Kirche. Doch all das erschwere heute auch zeitgemäße städtische Klimaanpassung, etwa bei Starkregen oder in heißen, trockenen Sommern, weiß Oberbürgermeister. Johannes Bruns (SPD). Auch er residiert in einem Denkmal – dem 1270 begonnenen pittoresken Historischen Rathaus.
Modell für andere
Und doch zählt Mühlhausen umweltpolitisch zu den modernsten Kommunen Mitteldeutschlands. Es ist Thüringens Vorzeigebeispiel für Schwammstadt-Projekte und eine von drei Smart City-Modellstädten des Landes. So setzt man hier auch zielgerichtet auf Nachhaltigkeit. „Sehr gut aufgestellt sind wir bei regenerativen Energien“, so Bruns. „Bis 2030 nutzen wir zu 50 Prozent grüne Wärme.“ 2035 will Mühlhausen zudem klimaneutral sein, auch dank des größten Stadtwaldes in Thüringen. Er dehnt sich über 3.093 Hektar aus und liefert reichlich Schadholz für das entstehende Biomassekraftwerk der Kreisstadt.
Eine neue Heizzentrale, die die wachsende Zahl an Solarthermieanlagen, Blockheizkraftwerken und bald auch Wärmepumpen koordiniert, ging bereits 2023 ans Netz. Für das 1,4 Millionen Euro teure Projekt der Stadtwerke generierte das Rathaus auch 786.000 Euro aus Landesmitteln, so über das EFRE-Programm der EU. Überhaupt sei man sehr erfolgreich beim Einwerben von Fördergeldern, freut sich der Sozialdemokrat.
Hier zahlt sich für Bruns aus, dass er fast 19 Jahre in Mühlhausens Kommunalpolitik verankert ist, zunächst als Sozialdezernent, ab 2012 als OB. Im Sommer hat er sich bereits die dritte Amtsperiode gesichert – wieder im ersten Wahlgang. Dies ist ihm nicht nur wichtig für eine langfristige Planungskontinuität: „Die erste Periode braucht man eben, um überhaupt richtig reinzukommen, Kontakte zu knüpfen“, erzählt er. „Danach kennt man auch auf Landesebene alle möglichen Leute.“ Und jetzt, nach zwei Wiederwahlen, könne er auch „bestimmte Sachen, die mir wichtig sind, offensiver angehen“, etwa den Autoverkehr stärker aus der Altstadt herauszuhalten. „In der ersten Amtszeit hätte ich das nie machen können“, schmunzelt er.
Mehr Grün, mehr Schatten
Auch beim Stadtgrün setzt Bruns nun energischer Akzente, als manchem lieb ist. Er will – auch wenn das Parkraum kostet – mehr Straßenrandbäume setzen, speziell auch in der Altstadt, wo der Wärmestau wegen jener Enge in den Gassen teils „schon heftig“ sei. So möchte er dringend den Steinweg als zentrale Altstadtachse wiederbegrünen, um mehr Schatten zu schaffen. Die Gelder hierfür hätten sie als Smart City bereits, 2025 soll es am Obermarkt losgehen. „Kann man dann etwas Sichtbares vorweisen und die Leute merken, wie wirksam das ist, wird es künftig leichter“, hofft er.
Reichlich Förderung gab es auch für die grundhafte Rekonstruktion des Parkplatzes unweit des Naherholungsgebietes „Schwanenteich“. Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) brachte den Millionenscheck höchstselbst vorbei. Dieses bereits fertige Projekt ebnet Mühlhausens Weg zur Schwammstadt, um tückischen Kreisläufen entgegenzuwirken: einerseits, dass sich Städte durch zu viel Versiegelung von Siedlungs- und Verkehrsflächen tagsüber aufheizen und nachts zu langsam abkühlen. Und andererseits, dass Wasser gerade bei Starkregen nicht lokal versickern kann, sondern kanalisiert und abgeführt werden muss, womit sich auch das Grundwasser nicht ausreichend auffüllt – zu Lasten etwa der Stadtbäume.
Schwammstadt und verbesserter Brandschutz
Durch Entsiegelung und durchdachte Umbauten im Untergrund des Parkplatzes – etwa Kiesmulden mit einer Stauhöhe von 60 Zentimentern – könne Regenwasser nun deutlich besser versickern, also lokal gespeichert werden, so der OB. Grünanlagen und Feuchtgebiete saugten das Nass als Rückhalteareale quasi auf wie ein Schwamm. Es bleibe damit vor Ort, müsste nicht erst zum Bewässern aufwendig angefahren werden. Zugleich entstünden Kühlungseffekte durch Ausdunstung sowie neue Habitate für Tiere.
Auch den anstehenden Neubau einer modernen Feuerwache für die immerhin 33 Brandschützer der Stadt sieht Johannes Bruns als „notwendige Klimaanpassung“. Denn wenn es heißer werde, nehme auch die Brandgefährdung zu. So sei man als Stadt gut beraten, hier solide nachzurüsten. Ohnehin liege dies „seit dem großen Stadtbrand 1707, als Hunderte Häuser Fraß der Flammen wurden, in der DNA von Mühlhausen“. Nur gebe es hierfür leider keine Fördermittel.
Harald Lachmann
ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.