Aktuelles

Koalitionsvertrag: Gute Lebensverhältnisse in Stadt und Land

Mit Blick auf gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land wollen die Ampel-Parteien das gesamtdeutsche Fördersystem auf den Prüfstand stellen. Es soll mehr direkten Dialog mit Kommunen geben.
von Karin Billanitsch · 25. November 2021
placeholder

Gleichwertige Lebensverhältnisse zu erzielen, ist ein politisches Handlungsziel, das im Grundgesetz niedergelegt ist. Osten und Westen, Stadt und Land gilt es zusammenzudenken, wenn es um gleichwertige Lebensverhältnisse geht. Hier bündeln sich viele Themenbereiche, von Digitalisierung, Klimaschutz, neuen Formen der Mobilität bis hin zu Energiewende und Wirtschaftsförderung.

Die Ampel-Parteien haben dem Querschnittsthema „Gute Lebensverhältnisse in Stadt und Land“ gleichwohl ein eigenes Kapitel gewidmet und unterstreichen damit die eigenständige Bedeutung des für die Kommunen besonders wichtigen Themas. „Gleichwertige Lebensverhältnisse sind die Basis für Vertrauen in unsere Demokratie und halten unser Land zusammen“, heißt es.

Orientierung an Strukturschwachen

Die Ampel legt ein Bündel an ehrgeizigen Vorhaben vor, um einen Ausgleich zwischen den wirtschaftlich prosperierenden und den strukturschwachen Regionen zu finden. Kernpunkt ist eine Prüfung des gesamtdeutschen Fördersystems: „Wir werden das gesamtdeutsche Fördersystem und die unter diesem Dach gebündelten Förderprogramme – orientiert an der Stärkung der strukturschwachen Regionen – weiterentwickeln. Wir werden Förderprogramme zusammenfassen, vereinfachen, flexibilisieren, harmonisieren und die Mittel prioritär dorthin fließen lassen, wo der Nachholbedarf am größten ist“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Das Förderwesen für Kommunen umfasst zahlreiche verschiedene Programme von Bund und Ländern. Diesen Förderdschungel, in dem sich gerade kleinere und finanzschwache Kommunen nicht zurechtfinden, bemängeln die kommunalen Verbände seit langem. Künftig sollen Kommunen „zur Inanspruchnahme von Förderprogrammen besser beraten werden“, Hürden beim Mittelabruf „werden wir abbauen“, so die Ankündigung. Als Beispiel werden die „Reduzierung oder der Ersatz von Eigenanteilen“ genannt. Außerdem sollen nicht abgerufene Fördermittel „zweckgebunden weiterhin (überjährig) für Förderungen der Kommunen“ zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sollen die Bundesförderprogramme regelmäßig evaluiert werden, ein regelmäßiger Gleichwertigkeitsbericht veröffentlicht und „Fortschritte transparent gemacht“ werden.

Bund und Länder in der Verantwortung

Die Ampel sieht Bund und Länder gleichermaßen in der Verantwortung für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen. „Gezielt zu diesem Zweck werden wir die Mittel von GRW und GAK jährlich dynamisch erhöhen. Wir wollen die Möglichkeiten der Infrastrukturförderung in der GRW und GAK erweitern, deren Anwendbarkeit flexibilisieren und die mehrjährige Übertragbarkeit der Mittel sicherstellen“, so das Papier. GRW und GAK stehen für die Gemeinschaftsaufgaben „Agrarstruktur und Küstenschutz“ sowie „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Letztere ist ein wichtiges Instrument, um strukturschwache Regionen zu unterstützen. Außerdem bekunden die möglichen Koalitionspartner, den Sonderrahmenplan „Ländliche Entwicklung“ aufstocken und ausbauen zu wollen. Außerdem werde ein neuer Fördertatbestand „Regionale Daseinsvorsorge“ innerhalb der GRW geprüft.

Inhaltlich werden die besonders wichtigen Baustellen angesprochen: Alle Menschen in Deutschland müssen sich auf moderne Standards verlassen können. Dazu gehören vernetzte, alltagstaugliche, bezahlbare und klimafreundliche Mobilität, schnelle Mobilfunk- und Breitbandverbindungen, Gesundheitsversorgung, Bildungs-, Kultur- und Sportangebote.

Bahn soll „Rückgrat der Mobilität“ werden

Insbesondere beim Mobilitätsangebot wird das Papier konkreter: „Die Bahn muss in ganz Deutschland zum Rückgrat der Mobilität werden – auch im ländlichen Raum.“ Ausbau der Schieneninfrastruktur und des Bahnbetriebs sollen Schwerpunkte sein. Individuelle und öffentliche Mobilität soll verknüpft und „durch neue flexible Angebote auch privater Anbieter ergänzt werden“.

Mit Blick auf die Digitalisierung heißt es: „Der Bund schafft die Voraussetzungen, dass das OZG (Onlinezugangsgesetz, d. Red.) in den Kommunen erfolgreich und praktikabel umgesetzt werden kann.” Das Bundesprogramm Smart Cities werde fortgeschrieben und erweitert auf Smart Regions, dabei soll es „agiler gestaltet und mit städtebaulichen Fragen verknüpft“ werden.

Das dürfte die Kommunen ebenfalls interessieren: den Sport nimmt die Ampel eigens in den Blick: „Zur Stärkung des Zusammenhalts werden die Investitions- und Sanierungsprogramme im Bereich des Sports und der Kultur (z. B. Sportstätten, Schwimmbäder, Bibliotheken) vereinfacht und aufgestockt.” Die Koalitionäre wollen „die Förderung an Strukturschwäche“ ausrichten.

Weiterhin heißt es: Initiativen zur Schaffung von Orten im ländlichen Raum, die Angebote der Nahversorgung, der Kultur, Bildung und Gesundheitsdienstleistungen bündeln, sollen unterstützt werden. Beispielhaft sind das Dienstleistungszentren, Gemeinschaftshäuser oder Dorfbüros. Ob und inwieweit der Bund Kommunen bei überdurchschnittlichen Kosten beim klimagerechten Umbau unterstützen kann, soll geprüft werden.

Im Vorfeld und während der Verhandlungen zum Koalitionsvertrag kam von kommunaler Seite immer wieder die Forderung, das Konnexitätsprinzip in der Ampel-Vereinbarung zu verankern. Daher dürften viele diese Passage mit großer Aufmerksamkeit lesen: „Bei neuen Aufgaben, die der Bund auf die anderen Ebenen übertragen will, wird auf die Ausgewogenheit der Finanzierung stärker geachtet.” Dazu gehört auch weiterhin eine Beteiligung des Bundes an den Kosten der Flüchtlingsunterbringung, -versorgung und -integration sowie die dauerhafte Beteiligung des Bundes an den Kosten der Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern.

Direkter Dialog mit den Kommunen

Die künftige Koalition will ein „neues kooperatives Miteinander mit den Kommunen“. „Unser Ziel sind leistungsfähige Kommunen mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit vor Ort, eine verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge, eine starke Wirtschaft und eine engagierte Zivilgesellschaft.“ Die neue Regierung verspricht außerdem: „Den direkten Dialog mit den Kommunalpolitikerinnen und -politikern und ihren Vereinigungen bauen wir aus.”

Autor*in
Karin Billanitsch

ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare