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Kommunalpolitik auf Borkum: Verbale Gewalt in Rat und Ausschüssen

Einige Borkumer Ratsmitglieder lassen es an Respekt vor allem gegenüber Frauen fehlen. Sozialdemokratin Melanie Helms und ihre Kollegin Pia Hosemann sind damit 2023 an die Öffentlichkeit gegangen. Bilanz nach einem Jahr.

von Ulf Buschmann · 22. Juli 2024
Frau mit rot-weißem Kleid steht am Strand

Melanie Helms: Die Sozialdemokratin ist seit 17 Jahren Ratsmitglied.

Beleidigungen, Beschimpfungen, Kompromisslosigkeit, regelmäßige verbale Gewalt. Und das vor allem in nicht-öffentlichen Sitzungen. Über Stunden werde „lautstark gestritten, gebrüllt und diffamiert“. So geht es seit langem in den kommunalen Gremien der Inselgemeinde Borkum zu. Die breite Öffentlichkeit hatte davon bislang wenig mitbekommen – bis SPD-Frau Melanie Helms und ihre CDU-Kollegin Pia Hosemann die Situation im Juli 2023 im Inselmagazin „Borkum Aktuell“ in einem mehrseitigen Interview öffentlich machten – mit der Hoffnung auf Besserung. Sie seien offen für Gespräche, betonten beide. Immerhin sind beide nicht irgendjemand: Melanie Helms ist stellvertretende Bürgermeistern, Pia Hosemann Tourismusdirektorin.

Wer das Thema anspricht, wird kritisiert

Ziemlich genau ein Jahr danach zieht die Sozialdemokratin eine ernüchternde Bilanz. „Die Grundstimmung hat sich nicht verändert“, sagt sie. Gespräche habe es nicht wirklich gegeben. Eher solle man doch aufhören, wenn man zu schwach sei, war einer der geflüsterten Kommentare. Die Unruhestifter akzeptierten nur ihre eigene Meinung und würden anderen Menschen ihr kommunalpolitisches Wissen absprechen. Die eher auf Diskussionskultur achtenden Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker werden in der Öffentlichkeit als schwach dargestellt. „Es sind Einzelne, die solch eine Stimmung pushen“, sagt die Vize-Bürgermeisterin.

Das Ergebnis laut der Sozialdemokratin: Junge Frauen und junge Männer schrecke dieser unter dem Strich respektlose, unwürdige und undemokratische Umgang davon ab, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. „Dabei brauchen wir junge Leute im Rat, gerade auch Frauen“, hebt Melanie Helms hervor, „wir müssen die Bevölkerung abbilden.“ Und die ist auf Borkum inzwischen sehr divers: Von rund 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern der Gemeinde kommen etwa 1.000 aus Rumänien und Polen. Davon sind 800 auf Borkum gemeldet, 200 sind Saisonkräfte.

Dies indes spiele anscheinend für die Polterer im Rat keine Rolle. Im Interview für „Borkum Aktuell“ führten Melanie Helms und Pia Hosemann unter anderem an, dass aus dieser Richtung immer wieder Aussagen wie „Das wollen die Borkumer nicht!“ kommen würden. Beide fragen sich vor dem Hintergrund: „Wer sind denn ,die Borkumer’?“ Diese Klassifizierung ist aus Sicht der SPD-Frau angesichts der Diversität der Menschen auf der Insel längst nicht mehr zeitgemäß, schließe es Menschen doch aus.

Die Anfeindungen haben Folgen

Damit hat die 53-Jährige gebürtig Bremerin ihre eigenen Erfahrungen gemacht: Melanie Helms kam vor 34 Jahren nach Borkum und ist seit 17 Jahren Ratsmitglied. Trotzdem sei sie lange als Zugezogene betrachtet worden, die ja eigentlich nicht zur Inselgemeinschaft gehört. Immerhin: Inzwischen ist dies nicht mehr der Fall.

Zum Glück, denn die Anfeindungen im Rat haben Melanie Helms und Pa Hosemann ziemlich zugesetzt – so heftig, dass die Vize-Bürgermeisterin im vergangenen Jahr mental ganz weit unten war, wie sie durchblicken lässt. Dank professioneller Hilfe kann sie jetzt gut damit umgehen: „Ich kann inzwischen zwischen der Privat- und der Ratsperson trennen.“ Die größte Stütze sei ihre Familie.

Im Übrigen gilt das Gesprächsangebot der beiden Frauen an ihre Ratswidersacher noch immer. Denn Melanie Helms’ Credo gerade in der Kommunalpolitik ist es, Kompromisse zu schmieden und Gegensätze beziehungsweise gegensätzliche Meinungen zu überwinden. „Das wird positiv wahrgenommen“, beschreibt die Sozialdemokratin die Reaktionen der Insulaner.

Autor*in
Ulf Buschmann

Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.

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