Kommune darf Umweltprüfung nicht umgehen
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Konkret handelt es sich um den Paragrafen 13b Satz 1 des Baugesetzbuches (BauGB): Dieser erlaubt das Bauen außerhalb des Siedlungsbereichs einer Kommune im Schnellverfahren und ohne Umweltprüfung und Ausgleichsmaßnahmen. Der Paragraf beschränkt sich auf Flächen kleiner als 10.000 Quadratmeter.
Der 2017 vom Bundestag eingebauten Passus im BauGB sollte helfen, mit der schnellen Erschließung von Grundstücken den Wohnraummangel zu lindern. Umwelt- und Naturschutzverbände liefen von Beginn an Sturm gegen ein solches „Planverfahren light”. Denn aus ihrer Sicht sollte mit der Aussetzung eines geregelten Verfahrens vorrangig der Bau von Einfamilienhäusern auf der grünen Wiese erleichtert werden. In den Ortskernen unter erschwerten Bedingungen Wohnraum zu schaffen, verliere dagegen an Attraktivität, wurde argumentiert.
Zersiedelungsparagraf galt nur noch befristet
Anfang 2021 verlangten die Organisationen in einer Petition, diesen „Zersiedlungsparagrafen“ aus dem Baugesetzbuch zu streichen. Das ist mit Einschränkung tatsächlich passiert. Der Bundestag machte den Paragrafen 13b Satz 1 BauGB zum Auslaufmodell: Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans konnte laut dem Paragrafen noch bis Ende vergangenen Jahres förmlich eingeleitet werden. Spätesten Ende 2024 hätte die für den Bebauungsplan nötige Satzung beschlossen werden müssen.
Doch dieses Zeitfenster hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig am 18. Juli vorzeitig geschlossen. Er erklärte einen Bebauungsplan für ein etwa drei Hektar großes Gebiet in Gaiberg bei Heidelberg (Baden-Württemberg) wegen einer Europa-Rechtswidrigkeit mit sofortiger Wirkung für ungültig – inklusive aller noch nach diesem Paragrafen in Deutschland laufenden Bebauungsplanverfahren.
Verstoß gegen die „Richtlinie über die strategische Umweltprüfung“
Die Richter*innen stellten in ihrem Urteil fest: „Der Plan leidet an einem beachtlichen Verfahrensfehler.“ Das beschleunigte Verfahren sei nach dem Europarecht nicht rechtmäßig. Gemeint ist die Richtlinie der EU „2001/42/EG – Richtlinie über die strategische Umweltprüfung (SUP)“. Darin werde für Planungen eine Umweltprüfung verlangt, sollte die Bebauung eine „voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkung“ haben. Eine solche müsse mit Nachweis ausgeschlossen werden.
Der korrekte Weg wäre nach den über dem deutschen Recht rangierenden EU-Vorgaben auch im vorliegenden Fall gewesen: eine Umweltprüfung durchzuführen sowie einen Umweltbericht zu erstellen. Beides hätte in die Begründung des Bebauungsplans gehört.
Entscheidung könnte den Wohnungsbau bremsen
Der BUND Baden-Württemberg hatte geklagt, und die Verbandsspitze freut sich nun über das Urteil mit seiner bundesweiten Auswirkung: „Deutsches Baurecht darf europäisches Umweltrecht nicht aushebeln. Daher freuen wir uns sehr über diese Entscheidung des obersten deutschen Verwaltungsgerichts“, heißt es in seiner Stellungnahme. Speziell in Baden-Württemberg hätten zahlreiche Kommunen den Paragrafen als Schlupfloch genutzt, um planrechtlich unauffällig Flächen im Außenbereich zu erschließen. So seien auf diese Weise naturschutzfachlich wertvolle Gebiete wie etwa die Streuobstwiesen zerstört worden.
Die Bauwirtschaft Baden-Württemberg bedauert hingegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. „Dies konterkariert unser aller Bemühen, möglichst rasch den dringend benötigten Wohnraum in den Gemeinden zu schaffen“, sagt Baupräsident Markus Böll. Für ihn lautet die Konsequenz: „Wir brauchen jetzt dringend neue Möglichkeiten, damit die Kommunen auch in Zukunft schnell und flexibel kleinere Bebauungsgebiete ohne langwierige Genehmigungsverfahren ausweisen können.“
ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu