Kommunen wollen Trendwende für den Radverkehr schaffen
Die Corona-Krise hat einen Fahrrad-Boom ausgelöst. Den Schwung will die Bundesregierung nutzen und für weiteren Auftrieb sorgen: In der vergangenen Woche hat das Kabinett einen neuen „Nationalen Radverkehrsplan“ verabschiedet. Das Papier sorgt für reichlich Gesprächsstoff auf dem 7. Nationalen Radverkehrskongress, der am Dienstag begonnen hat.
1,45 Milliarden für den Radverkehr
„Der Bund gibt so viel Geld wie nie zuvor, und jetzt müssen die Kommunen zugreifen“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Deutschland solle Fahrradland werden. „Wir haben viele Programme anzubieten, die wir jetzt neu starten“. Deren Volumen liege bei 1,45 Milliarden Euro. Mit dem neuen Plan sollen lückenlose Radverkehrsnetze geschaffen und die Verkehrssicherheit erhöht werden. Erklärtes Ziel ist es, dass die Menschen bis 2030 deutlich mehr Wege mit dem Fahrrad zurücklegen. Die Zahl der getöteten Radfahrer*innen soll trotzdem um 40 Prozent gegenüber 2019 zurückgehen. Die finanzielle Förderung das Radverkehrs durch Bund, Länder und Kommunen soll sich perspektivisch an rund 30 Euro pro Person und Jahr orientieren, heißt es im Plan.
Die Infrastruktur für Autos und Fahrräder soll nach Möglichkeit getrennt werden, sodass nicht beide auf denselben Spuren unterwegs sind. Elemente des Konzeptes sind unter anderem:
- begleitende Radwege an allen neu- oder ausgebauten Bundes-, Landes oder Kreisstraßen,
- mehr Radschnellwege, geschützte Radfahrstreifen (Protected Bike Lanes) und Fahrradstraßen,
- schrittweise Neuverteilung des Platzes zugunsten des Radverkehrs, etwa durch Umwandlung von KfZ-Stellplätzen,
- mehr sichere Fahrradstellplätze und -parkhäuser, zum Beispiel an Bahnhöfen und allen öffentlichen Gebäuden,
- Personalaufbau und feste Ansprechpartner*innen in den Verwaltungen für die Förderung des Radverkehrs,
- bessere Fahrradmitnahmemöglichkeiten im Nah- und Fernverkehr, bessere Infrastruktur für Lastenräder.
Lob von SPD und ADFC
Der Plan stößt auch beim Koalitionspartner auf Zustimmung. „Er enthält vom Leitbild einer hochwertigen Infrastruktur bis zum Ziel eines modernen Rechtsrahmens eine Reihe hervorragender Ansätze, die den Radverkehr von der kommunalen bis zur Bundesebene in den nächsten Jahren gut voranbringen werden“, kommentieren die SPD-Verkehrspolitiker*innen Kirsten Lühmann und Mathias Stein. Sie bedauern jedoch, dass der Plan sei so spät vorgelegt worden sei, dass der Bundestag in dieser Wahlperiode keine weiteren Beschlüsse mehr zur Umsetzung des Plans fassen könne.
Lobende Worte findet auch ADFC-Bundesvorstand Ludger Koopmann: „Bisher scheiterte die Umsetzung vieler Radwege-Pläne auch am Geld – damit ist jetzt Schluss.“ Erstmalig finanziere das Bundesverkehrsministerium auch kommunale Radinfrastruktur. Gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) hat der ADFC eine Broschüre veröffentlicht, die Tipps für die Planung geben und gute Praxisbeispiele bekannt machen soll. „Wir wollen Mut machen, den Ausbau der Radwegenetze jetzt wirklich kraftvoll anzugehen“, sagt Koopmann.
Broschüre soll Trendwende vorantreiben
Laut dem DStGB stehen im Fokus der Dokumentation viele Infrastrukturlösungen, die relativ schnell umsetzbar seien – wie Fahrradstraßen, Modale Filter zur Beruhigung von Wohnquartieren und Protected Bike Lanes. Wegen des kurzen Planungsvorlaufes würden diese sich besonders gut für eine Förderung des Bundes mit dem bis 2023 laufenden „Sonderprogramm Stadt und Land“ eignen. Es würden aber auch komplexere Lösungen vorgestellt wie zum Beispiel Wegweisungs-Systeme für den Radverkehr.
Für DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg ist Radverkehr ein Treiber, um Kommunen klimafreundlich umzubauen. „Viele Kommunen gehen diesen Weg seit Jahren, haben Radverkehrsbeauftragte eingestellt und fördern den Radverkehr aktiv durch den Bau moderner Radwegenetze, sicherer Abstellanlagen und einen besseren Übergang auf den ÖPNV und SPNV.“ Mit den zusätzlichen Mitteln vom Bund bestehe die Chance, einen Trendwende für den Radverkehr in allen Kommunen zu schaffen.
Weitere Informationen
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.