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Kontaktnachverfolgung: Warum der „Luca-App“ eine Kündigungswelle droht

Schleswig-Holstein verabschiedet sich von der Luca-App, andere Bundesländer könnten folgen. Die Bilanz der Kontaktverfolgungs-App ist ernüchternd, meint Henning Tillmann. Er sieht einen klaren Konstruktionsfehler, den die Corona-Warn-App nicht hat.
von Benedikt Dittrich · 18. Januar 2022
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Wird die Luca-App in Deutschland noch gebraucht? In Schleswig-Holstein ist man offenbar der Ansicht: nein. Das Bundesland lässt als erstes den Vertrag mit den Entwicklern „Culture4Life“ vorzeitig auslaufen. Andere Bundesländer könnten dem Beispiel folgen.

Aus Sicht von Informatiker Henning Tillmann ist das keine Überraschung – er zieht eine ernüchternde Bilanz der Software, die im Frühjahr 2021 die Kontaktverfolgung in der Pandemie erleichtern und Infektionsketten unterbrechen sollte: „Die Daten wurden nicht so häufig abgefragt wie erwartet“, sagt Tillmann. Und jetzt, mit der neuen Corona-Variante und den hohen Infektionszahlen, kämen die Gesundheitsämter ohnehin nicht mehr hinterher: „Omikron ist rasend schnell.“ Es mehren sich auch Berichte, dass eine flächendeckenden Kontaktverfolgung oft nicht mehr stattfindet.

Luca-App ohne Vorteil bei der Kontaktverfolgung

Damit wird für die Entwickler die grundlegende Funktionsweise der App zu einem Problem, die auch schon im vergangenen Jahr für massive Kritik gesorgt hatte: Anders als bei der mit Hilfe des Robert-Koch-Instituts entwickelten Corona-Warn-App sind bei Luca die Gesundheitsämter direkt eingebunden. Die zentral gespeicherten Daten der Nutzer*innen müssen aktiv abgefragt werden, um mögliche Infektionsherde zu identifizieren. Und weil das in der Vergangenheit nur sehr selten passierte, meint Tillmann rückblickend: „Die App hat keinen großen Vorteil gebracht.“ Dass im vergangenen Jahr trotz der Skepsis zahlreicher Expert*innen viele Nutzungsverträge abgeschlossen wurden, kann sich der Co-Vorsitzende des digitalpolitischen Vereins „D64“ so erklären: „Man hat damals nach jedem Strohhalm gegriffen“, meint er, „und das Marketing war eben sehr gut.“ Bei der Warn-App habe man am Anfang leider etwas „geschludert“. Einige Funktionen kamen erst mit Verspätung.

Doch es kommt noch weiterer Gegenwind für die Entwickler der Luca-App: Mit einer illegalen Datenabfrage durch die Polizei in Mainz vor wenigen Tagen bewahrheiteten sich die Bedenken von Datenschützer*innen, die immer wieder die Sammlung der persönlichen Daten von Luca kritisiert hatten. Diese Gefahr wurde bei der Corona-Warn-App ausgeschlossen, indem diese Daten gar nicht erfasst werden: Die App arbeitet dezentral, erfasst gar keine persönlichen Daten, technisch kennt die App weder Nutzer*in noch Kontaktperson. „Die Corona-Warn-App kann sofort warnen, läuft automatisch und anonym im Hintergrund, bindet das Gesundheitsamt nicht ein“, fasst Tillmann weitere Vorteile gegenüber der Luca-App zusammen. Auch jetzt könne die Warn-App deswegen noch viel Arbeit abnehmen, die direkte Warnung von Kontaktpersonen sei in der aktuellen Infektionswelle mit der Omikron-Variante weiterhin ein Vorteil, ohne die Behörden zu belasten. „Die App ist weiterhin sehr empfehlenswert.“

Corona-Warn-App bleibt weiterhin hilfreich

Verändert hat sich aus Tillmanns Sicht aber inzwischen trotzdem etwas: Da die Impfungen auch die Weitergabe des Coronavirus beeinflussen, verändert sich die Aussagekraft der Warnungen in der App. „Man sollte auch immer noch selbst rekapitulieren, überlegen, wo man war.“ Ein zu 100 Prozent sicherer Indikator für eine Infektion sei die Warnung aber ohnehin nie gewesen.

Für Tillmann wird bei der Warn-App aber an anderer Stelle weiterhin Potenzial verschenkt: „Man hätte die App zu einer Informationszentrale in der Pandemie machen können“, sagt er. Eine Übersicht über aktuell geltende Corona-Regeln, Quarantäne-Vorschriften und vieles mehr. „Das wäre recht einfach möglich.“

Auch könnte die Risiko-Bewertung der App besser sein, als sie jetzt ist. Tillmann nennt ein Beispiel: Wenn das Smartphone wenig Bewegung misst, gleichzeitig viele Kontakte in der Nähe und man in ein Wlan eingewählt ist, ist es wahrscheinlicher, dass sich der oder die Nutzer*in in einem geschlossenen Raum mit mehreren Menschen befindet. Das Infektionsrisiko wäre also größer. Wenn der oder die Nutzer*in sich allerdings viel bewegt, ringsum nur wenige Kontakte gemessen werden und auch kein drahtloses Netzwerk in der Nähe funkt, ist es wahrscheinlicher, dass die Person draußen im Wald spazieren geht. Selbst bei einer infektiösen Person wäre das Risiko dann also wesentlich geringer.

Allerdings bekommt die Corona-Warn-App die dafür nötigen Daten nicht von den Smartphone-Sensoren. „Dafür kann die App aber nichts“, meint Tillmann, denn: Apple und Google als Entwickler der Smartphone-Betriebssysteme iOS und Android stellen die Daten nicht zur Verfügung.

Der Artikel ist zuerst auf vorwärts.de erschienen.

Autor*in
Benedikt Dittrich

ist Redakteur des vorwärts. Von Niedersachsen über Hessen nach Berlin, bei Twitter zu finden unter @Bene_das

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