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Krankenhausreform: Lauterbach will Vermittlungsausschuss vermeiden

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat auf Kritik an seiner Krankenhausreform geantwortet. Auf einem DKG-Kongress warb er für seine Pläne und versprach, den Ländern und Kommunen weiter entgegenzukommen.

von Carl-Friedrich Höck · 9. September 2024
Lauterbach vor blauer Wand

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Archivbild vom August 2024)

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht seine Krankenhausreform auf einem guten Weg. „Es läuft eigentlich vom Prozess her sehr gut“, sagte er am Montag auf dem „Krankenhausgipfel 2024“ der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft (DKG). Die Aussage überrascht zunächst, denn Länder, Kommunen und Kliniken hatten in den vergangenen Monaten nicht mit Kritik an dem Großprojekt gespart.

Der SPD-Politiker betonte, die Interessen der Länder würden in Berichterstatter-Gesprächen berücksichtigt, die aktuell stattfänden. Lauterbach will vermeiden, dass der Bundesrat seine Reformpläne stoppt und in einen Vermittlungsausschuss überweist. Solche Vermittlungsverfahren seien „oft sehr erratisch“, denn dort seien „nicht nur Fachpolitiker beteiligt“, erklärte der Minister. Er wolle sich deshalb schon vorher mit den Ländern verständigen.

Krankenhaus-Finanzierung wird überarbeitet

Im Kern sieht Lauterbachs Krankenhausreform vor, dass die Finanzierung der rund 1.700 Krankenhäuser neu geregelt wird. Bisher werden Behandlungen über Fallpauschalen abgerechnet. Künftig sollen diese Fallpauschalen nur noch 40 Prozent der Vergütung ausmachen. Die restlichen 60 Prozent sollen Krankenhäuser als Vorhaltepauschale erhalten – also dafür, dass sie zum Beispiel Personal, Technik oder eine Notaufnahme bereithalten. Die Vorhaltepauschalen sollen den wirtschaftlichen Druck minimieren, immer mehr „Fälle“ zu generieren – also zum Beispiel Menschen zu operieren, bei denen das gar nicht zwingend notwendig ist. Um das zukünftige Finanzierungssystem zu organisieren, werden etwa 60 verschiedene Leistungsgruppen festgelegt.

Die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft kritisiert unter anderem, dass die Reform nicht ausreiche, um die Häuser wieder wirtschaftlich tragfähig zu machen. Von „kaltem Strukturwandel“ ist die Rede, also einem ungesteuerten Kliniksterben. Laut DKG-Vorstandschef Gerald Gaß erwarten die Krankenhäuser in diesem Jahr ein Defizit von sechs Milliarden Euro. Viele Kliniken befinden sich in der Trägerschaft ihrer Kommune. Allein die Summe, mit der Städte und Landkreise die roten Zahlen ihrer Häuser ausgleichen müssten, belaufe sich schätzungsweise auf drei Milliarden Euro, sagte Gaß in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“. Die Vergütungen für Krankenhäuser seien seit zwei Jahren nicht mehr kostendeckend, weil sie nicht an die Inflation und Lohnerhöhungen angepasst wurden.

Lauterbach verspricht Tariferhöhungs-Ausgleich

Lauterbach hielt in seiner Rede auf dem Krankenhausgipfel dagegen: Der Bund habe in den Jahren 2023 und 2024 zusätzliche Ausgaben von 19 Milliarden Euro geschultert. Dazu – und diese Information war auch für Gaß neu – sei ein rückwirkender Ausgleich für Tariferhöhungen für das Jahr 2024 geplant. Der Bundesgesundheitsminister verwies darauf, dass auch die Länder einen Anteil an der Finanzmisere der Krankenhäuser hätten. Unter anderem würden sie weniger Geld für Investitionen bereitstellen, als sie eigentlich müssten.

Ein weiterer oft geäußerter Kritikpunkt an der Krankenhausreform ist, dass nicht alle Kliniken in das Raster der geplanten Leistungsgruppen passten. Hier zeigte sich Lauterbach flexibel: So sollen Kliniken für Menschen mit Behinderung oder Spezialkliniken für Kinder von den Leistungsgruppen ausgenommen werden. Wenn sein Ministerium unsicher sei, ob eine Leistungsgruppe tatsächlich funktioniere, werde sie auch nicht eingeführt, kündigte der Minister an. Und für den ländlichen Raum zeigte sich Lauterbach bereit, Kriterien sogar ganz auszusetzen, wenn die Versorgung ansonsten nicht gesichert werden könne.

Welche Rolle spielen die Fallzahlen wirklich?

Die geplante Vorhaltefinanzierung hatte DKG-Chef Gaß zuletzt eine „Etikettenschwindel“ genannt. Seine Begründung: Sie bleibe daran geknüpft, wie viele Patient*innen in den Vorjahren behandelt wurden. Der ökonomische Druck bleibe also hoch, möglichst viele Menschen zu behandeln. Dem widersprach Lauterbach: Die Länder könnten nach eigenem Ermessen Plan-Fallzahlen für ein Krankenhaus festlegen – als Grundlage für die Höhe der Vorhaltepauschale. Nur, wenn sie das nicht täten, würden die bisherigen Fallzahlen herangezogen.

Bald schon sollen die Krankenhäuser genauer wissen, was mit der Reform auf sie zukommt. Ende September soll es möglich sein, für jedes Haus zu ermitteln, welche Rolle es künftig spielen soll und was sich damit verändert, stellte Lauterbach in Aussicht.

Der Gesundheitsminister machte aber auch klar: Es könnten nicht alle 1.700 Krankenhäuser in Deutschland erhalten werden. „Der Bedarf ist jetzt nicht da und der wird auch in Zukunft nicht da sein.“ Manche Behandlungen könnten in Zukunft ambulant erfolgen, die jetzt stationär gemacht würden. Und es gebe auch nicht genügend Personal, um in Zukunft alle Häuser weiter zu betreiben – spätestens, wenn die Babyboomer-Generation in Rente gehe.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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