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Leben an mehreren Orten

Welche Auswirkungen hat es auf Kommunen, wenn Menschen so genannte multilokale Lebensweisen haben? Das untersuchen Forscher der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität in Hannover am Beispiel des Landkreises Diepholz. Der Bund fördert das Projekt „TempALand“.
von ohne Autor · 20. August 2016
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Wissenschaftler der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover sind im Landkreis Diepholz einem bislang kaum erforschten Phänomen auf der Spur: den sogenannten multilokalen Lebensweisen. Die Forscher möchten herausfinden, welche Auswirkungen es für die Kommunen hat, wenn Menschen ihren Lebensmittelpunkt an zwei Orten haben. Die Wissenschaftler wollen Fragen nachgehen wie zum Beispiel: Wie wirkt sich das auf Wohnungsmärkte und Infrastrukturen aus? Gibt es Konsequenzen für die Siedlungsentwicklung und Fachkräftestrategien von Unternehmen? Und welche Effekte entstehen in Bezug auf das Zusammenleben vor Ort und bürgerschaftliches Engagement? Aus den erhobenen Daten leiten sie Empfehlungen für die Städte und Gemeinden ab. Das Projekt ist bis 31. Mai 2019 befristet. Das Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMBF) fördert es mit 628.000 Euro über den Zeitraum. Dies geschieht innerhalb des Rahmenprogramms Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) und der Maßnahme „Kommunen innovativ“.

Pendeln von Barnstorf nach Düsseldorf

Am Wochenende ist Gerhard H. bei seiner Familie in Barnstorf. Seinen Arbeitsplatz jedoch hat er in Düsseldorf. Deshalb lebt Gerhard H. montags bis freitags in einem Ein-Zimmer-Appartment in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Auch der 14-jährige Marian pendelt. Aber aus einem anderen Grund: Seine Eltern sind geschieden. Meistens lebt Marian bei der Mutter in Diepholz. Alle zwei Wochen fährt er zu seinem Vater nach Berlin.

Kooperation zwischen Universität und Landkreis

Für Menschen wie Gerhard H. und Marian interessieren sich in den kommenden Monaten Forscher der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Hintergrund: Der Familienvater und der Jugendliche führen ein multilokales Leben. Das bedeutet, sie verbringen ihre Zeit nicht nur an einem sondern mindestens an zwei Orten. Dies hat Auswirkungen auf die Kommunen. Welche genau es sind und wie Städte und Gemeinden darauf reagieren können, untersuchen die Hannoveraner Wissenschaftler um Professor Dr. Frank Othengrafen. Seine Spezialgebiete sind Landesplanung und Raumforschung. Othengrafen ist am Institut für Umweltplanung tätig. Das Foschungsprojekt trägt den Titel „TempALand-Temporäre An- und Abwesenheiten und deren Auswirkungen auf Land und Gesellschaft“. Dafür haben die Uni und der Landkreis Diepholz jüngst eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet.

Die Beteiligten legen Wert auf eine praxisnahe Forschung. Deshalb arbeiten die Wissenschaftler mit den Kommunen des Diepholzer Landes zusammen. Dazu gehören die Samtgemeinden Barnstorf, Altes Amt Lemförde und Rehden, die Gemeinde Wagenfeld und die Kreisstadt Diepholz.

Folge des demografischen Wandels

Multilokales Leben sei eine der Auswirkungen des demografischen Wandels. Hierzu müssten die Kommunen Werkzeuge an die Hand bekommen, um ihm zu begegnen, fasst Othengrafen den Sinn und Zweck des Projekts zusammen. Dafür böten die Gemeinden des Diepholzer Landes ein ideales Feld. „Der Raum ist sehr divers“, sagt der Forscher. Der Süden des Landkreises Diepholz sei viel mehr vom demografischen Wandels betroffen als der Norden. Othengrafen betont: „Bei den Gemeinden, die an Bremen grenzen, merkt man davon nichts.“ Selbst bei den ausgewählten Kommunen im Südkreis gebe es Unterschiede. Othengrafen geht davon aus, dass beispielsweise die Samtgemeinde Altes Amt Lemförde mit ihrer touristischen Ausrichtung weniger Probleme habe.

Belastbares Datenmaterial gibt es bislang fast gar nicht. Deshalb planen die Forscher in den kommenden Wochen, die Menschen zu befragen. Wer von multilokalem Leben betroffen ist, kann sich vertraulich entweder an die Gemeinden oder direkt an die Wissenschaftler wenden. Sie möchten die Bewohner im Diepholzer Land durch Aushänge in den Gemeinden, soziale Netzwerke und existierende Newsletter, die Vereine und Verbände, die Hochschule Diepholz und die Campingplätze vor Ort erreichen. „Das ist eine besondere Form von Multilokalität“, erklärt Othengrafen.

Die nächsten Schritte sehen vor, mit den Kommunen und dem Landkreis Maßnahmen anzuschieben. Kleinere Aktionen könnten „in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft“ bereits im Projektzeitraum umgesetzt werden. Für die umfangreicheren Maßnahmen sei natürlich ein größeres Zeitfenster notwendig. Wer als Interviewpartner zur Verfügung stehen möchte, kann sich Herrn Detlef Tänzer, Fachdienstleiter Kreisentwicklung des Landkreises Diepholz, unter der Telefonnummer 05441/976-1274 oder per E-Mail unter detlef.taenzer@diepholz.de melden.

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