Mit Gefahrenabwehr, Sozialpolitik und Stadtplanung Sicherheit schaffen
Dirk Bleicker
Wie arbeiten die Sicherheitsbehörden in einer Kommune zusammen? Worauf kommt es dabei an? „Eine gute Zusammenarbeit der verschiedenen Ordnungskräfte ist völlig alternativlos, wenn es um die Sicherheit in den Kommunen geht.“ Das Eingangsstatement von Thorsten Kornblum, Oberbürgermeister von Braunschweig und Vorsitzender der Bundes-SGK, im Fachgespräch „Sichere Kommunen“ auf dem DEMO-Kommunalkongress machte deutlich, wie wichtig ein regelmäßiger Austausch zu Sicherheitsfragen sowohl auf der Arbeitsebene als auch auf der Spitzenebene ist.
Bewährte „Community-Policing“-Konzepte
In den 90er Jahren hat man bereits so genannte „Communitiy-Policing“-Konzepte entworfen, was bedeutet, dass Polizeiarbeit auf enge Zusammenarbeit mit der Kommune ausgerichtet ist. Die Idee dabei ist, gemeinsam Strategien zur Verringerung von Kriminalität zu entwickeln. Der Fokus richtet sich dabei auf Prävention und solche Sicherheitsprobleme, die sich auf das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger auswirken.
Kornblum erläuterte das Vorgehen am Beispiel offene Trinkerszene an bestimmten Orten. An diese komme man nur bedingt heran mit rein ordnungsbehördlichen Maßnahmen. „Hier muss man auch einen sozialen Ansatz haben, in einem Querschnitt alle beteiligten Behörden an einen Tisch bringen.“ Konkret helfe hier eine Kombination aus Alkoholverbotszone und persönlicher Ansprache.
Auch stadtgestalterisch lässt sich viel erreichen, um Kriminalität zu verhindern, erfuhren die Teilnehmenden. „Wir binden zum Beispiel früh die Gleichstellungsbeauftragte und Psychologen ein, um Angsträume zu finden“, erzählte Kornblum. Es brauche einen Mix aus Gefahrenabwehr, Sozialpolitik und Stadtplanung.
Räume so gestalten, dass Menschen keine Angst haben
Neben dem Praktiker kam auch eine Wissenschaftlerin zu Wort: Professorin Martina Piefke von der Universität Witten-Herdecke. Als Neurobiologin arbeitet sie an der Schnittstelle zur Sicherheitsforschung. „Mit geht es darum, was passiert in unserem Gehirn, um ein bestimmtes Verhalten hervorzurufen“, erläuterte Piefke.
In Sicherheitsbereichen sei etwa interessant, wie sich Menschen verhalten, wenn sie Angst haben. „Man kann Räume auch so gestalten, dass sie keine Angst haben.“ Sie warf die Frage auf, wie man die Umgebung so verändern kann, dass die Menschen in einer bestimmten Situation anders ticken. Man müsse aber genau hinsehen, was in welchem Stadtteil möglich ist. Und zwar nicht „nur die Gebäude, sondern auch die Menschen.“
Diskussion zum Thema Beleuchtung in der Stadt
Ein wichtiger Aspekt, der aktuell viel diskutiert wird, ist das Thema Beleuchtung. Moderator Jonas Jordan, Redakteur beim vorwärts, warf die Frage nach einem Zielkonflikt auf: Spart man wegen des Klimas und der Kosten Energie, was aber zu Lasten der Sicherheit geht? Braunschweig hat sich trotz Energiekrise dafür entschieden, nicht an der Beleuchtung zu sparen, erzählte Kornblum. Nicht zuletzt, um das Grundbedürfnis an Sicherheit zu bedienen. Auch Martina Piefke sah eindeutig einen Zusammenhang zwischen Licht und Sicherheit. In ihrer Heimatstadt Bielefeld seien viele düstere Ecken entstanden, seit an Straßenbeleuchtung gespart werde.
Jan Abt vom Deutschen Institut für Urbanistik wies darauf hin, dass es beim Thema Beleuchtung oft um die gefühlte Sicherheit gehe. Angsträume und echte Tatorte korrelierten nicht wirklich, wie die Erfahrung zeige. Er räumte aber ein, dass emotionale Sicherheit wichtig sei. Einig waren sich die Diskutanten über folgenden Punkt: Notwendig für Sicherheit sei integriertes Denken, die bauliche und soziale Situation. Man müsse gemeinsam sehen, wie man ein Quartier voranbringen könne. Abt knüpfte an den Beginn der Diskussion an, indem er feststellte: „Die Kooperation zwischen Sicherheitsbehörden und kommunalen Akteuren funktioniert immer besser.“
Wie mit Demonstrationen umgehen?
Die Runde wendete sich dann einem aktuellen Thema zu, dass im Moment auch ein wichtiger Punkt beim Thema Sicherheit ist: Demonstrationen. „Wir haben immer mehr Polarisierung, die Fähigkeit zu Kompromissen wird immer weniger“, umschrieb Thorsten Kornblum die Situation. Er glaubt, deswegen gebe es immer mehr „schwierige Versammlungslagen.“
Aktuell ist zum Beispiel der Israel-Hamas-Konflikt, der vielerorts zu eskalierenden Situationen führt. Politische Kräfte versuchten, das zu instrumentalisieren, glaubt Kornblum. „Als Versammlungsbehörde muss man entscheiden, bis zu welchem Punkt man Demos zulässt.“ Für ihn sei wichtig, als Bürgermeister Zeichen zu setzen gegen die Polarisierung und für den Zusammenhalt.
Auch die enorme Belastung des Vollzugsdienstes kam zur Sprache. Schulungen der Mitarbeitenden können hier hilfreich sein, wie Professorin Martina Piefke bekräftigte. Dabei gehe es um Deeskalation und darum, wie man sich selbst schützen könne. Dass Mitarbeitende emotionalem Stress und teils auch Angriffen ausgesetzt sind, beschäftigt auch Thorsten Kornblum: Jede Woche gebe es mehrere Strafanzeigen, die er zeichnen müsse. „Mitarbeiter werden beschimpft und bedroht in einer Art und Weise, die man sich nicht vorstellen kann.“ Hier müsse konsequent angezeigt werden.
Schließlich entwickelte sich das Gespräch zu einer Gesellschaftsanalyse: Ein großes Problem sahen die Teilnehmenden in der zunehmenden Tendenz zur Respektlosigkeit im Umgang miteinander. Die ultimative Antwort darauf fanden sie an diesem Tag nicht.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.