Nach Kommunalwahlen: „Zusammenarbeit mit AfD unter keinen Umständen“
Cornelia Winter
DEMO: Am Sonntag fanden in neun Bundesländern Kommunalwahlen statt. Wie fällt Ihr Fazit aus sozialdemokratischer Sicht aus?
Thorsten Kornblum: Die Kommunalwahlen zeigen zweierlei Dinge. Zum einen sind die SPD-Werte an vielen Stellen nicht so stark gefallen, wie einige geunkt hatten. In manchen Städten haben wir sogar zugelegt.
Besorgniserregend ist, dass die AfD-Werte teilweise deutlich gestiegen sind. Ich bin froh, dass sich das bei den Hauptverwaltungsbeamten nicht so extrem gezeigt hat, wie es befürchtet wurde. Das liegt insbesondere an lokal verankerten Amtsinhaberinnen und Amtsinhabern. OB- und Landratswahlen sind Persönlichkeitswahlen. Aufgrund der teilweise sehr starken AfD-Fraktionen, denen sich die Stadt- und Gemeinderäte oder Kreistage gegenübersehen, wird das Bewältigen wichtiger Herausforderungen nicht einfacher.
Insbesondere in Ostdeutschland ist das der Fall, da kommt die AfD in manchen Kommunen auf 40 Prozent. Wie können die anderen Parteien im Stadtrat damit vernünftig umgehen?
Aus sozialdemokratischer Sicht ist da klare Kante gefragt. Eine Zusammenarbeit mit der AfD darf es unter keinen Umständen geben. Es ist ein Problem, wenn die AfD so viele Stimmen bekommen hat, dass sie im Stadtrat die stärkste Fraktion stellt. Damit dürfen sich demokratische Parteien niemals abfinden und müssen auch fraktionsübergreifend dafür sorgen, dass unsere vielfältige Gesellschaft geschützt wird. Hass und Hetze dürfen kein Teil der politischen Kultur werden.
Auch in solchen Kommunen schließen Sie eine Zusammenarbeit mit der AfD also weiter aus?
Die Geschichte lehrt uns: Wenn man gemeint hat, man könne Rechtsextreme einbinden und dann würden sie sich vernünftiger verhalten, ist immer das genaue Gegenteil eingetreten. Insbesondere die ungeschriebenen Regeln der Demokratie, die man braucht, um Konsense und Kompromisse zu finden, werden oftmals von Rechtsextremen nicht anerkannt. Wir dürfen nicht zulassen, dass durch das Erstarken der AfD die Verfahren der parlamentarischen Demokratie dauerhaft gestört werden.
Deshalb bleibe ich dabei: Alle demokratischen Fraktionen müssen sich zusammentun, damit es zu keiner Zusammenarbeit mit der AfD kommt – auch, wenn das auf der anderen Seite schmerzhafte Kompromisse bedeutet.
Wir müssen die parteipolitischen Konflikte im demokratischen Spektrum zurückstellen, wenn es ums große Ganze geht. Und das heißt: Wir wollen keine völkische Ideologie und keine Politik, die Minderheiten ausgrenzt, sondern eine Gesellschaft, in der alle ihren Platz haben.
Zumindest in einigen Kommunen scheint sich die Parteienlandschaft weiter zu zersplittern. In Dresden und Ulm sind jeweils 15 verschiedene Parteien und Gruppen im Stadtrat vertreten. Hält unsere Demokratie das aus?
Ja. Aber es wird schwieriger, Kompromisse zu finden. Das kann zu Frustration bei den Bürgerinnen und Bürgern führen, nach dem Motto: Die diskutieren zu viel und kommen nicht richtig voran. Die politischen Schritte werden kleiner, als sie es mit stabilen Bündnissen aus zwei oder drei Parteien wären.
Das ist ein grundsätzliches Problem. Was die Bundesrepublik stabil gemacht hat, waren die großen Volksparteien. Sie waren im besten Sinne Kompromissmaschinen. Das heißt, sie haben in ihrem Teil des politischen Spektrums schon Kompromisse gebildet und diese zur Wahl angeboten. Das konnte man dann viel einfacher in parlamentarisches Handeln umsetzen.
Jetzt gibt es immer mehr reine Interessenparteien, deren Wählerinnen und Wähler verlangen, dass ihre Interessen zu 100 Prozent durchgesetzt werden. Das kann natürlich nicht funktionieren. Demokratie braucht Konsens und Kompromiss. Und da müssen wir auch wieder hinkommen.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.