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Neubauten der Verwaltung sollen ab 2027 CO2-neutral sein

Während die deutsche Politik ums Heizungsgesetz stritt, rang die EU-Politik um einen Kompromiss bei der Gebäuderichtlinie. Das Ziel ist jeweils, den Ausstoß von CO2 zu senken. Doch Bauministerin Klara Geywitz fürchtet „Zwangssanierungen“.
von Uwe Roth · 15. September 2023

Auch in der EU-Gesetzgebung bekommen strittige Vorhaben einen Kurznamen verpasst: Ein aktueller lautet „EU-Gebäuderichtlinie“. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hält sie in der angekündigten Form „für enorm gefährlich“, weil er eine Kostenlawine fürchtet. Ein Kernsatz der Richtlinie lautet: „Neue Gebäude müssen ab 2030 Nullemissionsgebäude sein; neue öffentliche Gebäude müssen ab 2027 emissionsfrei sein“. Folglich sind auch die Kommunen betroffen.

Die „Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD), so der offizielle Titel der Gebäuderichtlinie, ist Teil der EU-Klimapolitik. Im Gegensatz zum deutschen Gebäudeenergiegesetz (GEG), besser bekannt als „Heizungsgesetz“, ist die Reform der EU-Gebäuderichtlinie auch nach zwei Jahren Beratung nicht abgeschlossen. Seit Juni streiten sich EU-Kommission, Europäisches Parlament und der Ministerrat im sogenannten Trilog um einen Kompromiss.

Bis 2050 nur noch Null-Emissionsgebäude

In beiden Gesetzen steckt das Wort Gebäude und beide verfolgen das gleiche Ziel: weniger Ausstoß von CO2. Mehr als ein Drittel des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen in Europa entfallen auf den Gebäudesektor. Doch während sich das GEG auf klimaneutrale Heizungssysteme beschränkt, hat die EU-Richtlinie das gesamte Gebäude im Visier. Demnach sollen bis 2050 alle Gebäude in der Europäischen Union Null-Emissionsgebäude sein. Das ehrgeizige Ziel hat in den Mitgliedstaaten nicht weniger Proteste ausgelöst als die Ankündigung, ab 2035 in der EU die Produktion von Verbrenner-Motoren zu verbieten.

Die Europäische Kommission war am 15. Dezember 2021 mit ihrer Überarbeitung der seit 2002 existierenden Gebäuderichtlinie fertig. Im März 2023 war sie vom Europäischen Parlament 343 Ja-Stimmen, 216 Nein-Stimmen und 78 Enthaltungen verabschiedet worden. Doch der Ministerrat widersetzte sich. Deswegen muss weiterverhandelt werden. Ein Sprecher des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen (BMWSB) betont: Im Gegensatz zu Medienberichten lehne Ministerin Klara Geywitz (SPD) die „Gebäuderichtline keinesfalls ab“. Die vorgeschlagene Weiterentwicklung der Neubaustandards seien Verbesserungen. So werde der Lebenszyklus bei der energetischen Bewertung von Gebäuden sowie die Erweiterung der Rahmenbedingungen zur Steigerung der Sanierungsraten stärker berücksichtigt.

Geywitz plädiert für Quartierslösungen

Doch das Ministerium stelle sich „klar gegen Zwangssanierungen“, führt der Sprecher weiter aus. Nicht jedes Gebäude müsse und könne auf die verlangten energetischen Standards gebracht werden. Geywitz plädiert erneut für Quartierslösungen. Der CO2-Ausstoß müsse für das Quartier, für den Stadtteil oder das Dorf als Ganzes betrachtet werden. Die gut gedämmten Neubauten im Wohnviertel sorgten außerdem dafür, dass die Altbauten nicht sofort saniert werden müssten, weil nicht jedes Haus einzeln bilanziert werde.

Der Vorteil einer solchen Gesamtbilanzierung liegt für Geywitz darin, „dass durch die Übererfüllung von Anforderungen bei einem Gebäude ein Unterschreiten von Anforderungen an anderer Stelle ausgeglichen werden kann.“ Das schaffe Flexibilität und biete Anreize für Sanierungsvorhaben, die sonst nicht vorgenommen würden. Mit dieser Argumentation hofft sie, im Trilog-Verfahren zu einem Kompromiss beitragen zu können. Da es sich um eine Richtlinie handelt, muss sie das Ergebnis in bestehende deutsche Gesetze oder Widersprüche unterbringen.

Jens Geier ist Abgeordneter der SPD im Europäischen Parlament und am Zustandekommen der EU-Gebäuderichtlinie beteiligt. Er ist Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten und stellt fest: „Um die neuen EU-Regeln für die Energieeffizienz von Gebäuden ranken sich derzeit allerlei Mythen.“ Das Ziel, den Klimawandel über eine drastische Absenkung der CO2-Emissionen einzudämmen, werde von kaum einer politischen Kraft infrage gestellt. „Jedoch stemmen sich bei der konkreten Umsetzung der Einsparziele plötzlich auch große Fraktionen gegen den Kurs“, ärgert er sich. Er ist auf der Seite von Geywitz und verweist auf seinen Wohnort: „Der Blick auf Bottrop zeigt erfolgreiche Ansätze und Lösungen, Gebäude systematisch energiefreundlich umzubauen – sozialverträglich und nachhaltig. In der Ruhrgebietsstadt ist es in den vergangenen zehn Jahren gelungen, den CO2-Ausstoß pro Kopf zu halbieren.”

„Finanziell schwächere Haushalte vor Kostendruck geschützt“

So stimme es nicht, dass pauschal Kosten auf die Bürger*innen abgewälzt würden. „Finanziell schwächere Haushalte sollen vor Kostendruck geschützt werden. Das sieht der Richtlinienentwurf ausdrücklich vor“, betont er. Die Mitgliedstaaten müssen laut dieser Richtlinie effektive Schutzmaßnahmen anwenden und vulnerable Haushalte mit gezielten Förderprogrammen unterstützen. Die Ausstellung von Energieausweisen soll für finanziell schwache Haushalte kostenfrei sein. Die Mitgliedstaaten der EU erhalten laut seiner Aussage „Zuschüsse in Millionenhöhe, um den Wandel möglichst gerecht zu gestalten und Modernisierungen voranzutreiben“.

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu

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