Neue Gemeinnützigkeit soll Wohnungsnot lindern
Gemessen an den Zahlen ist Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) weit von ihren Zielen entfernt, doch dafür kann sie wenig. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr sieht der Koalitionsvertrag vor, davon 100.000 Sozialwohnungen. Im vergangenen Jahr wurden aber nur knapp 300.000 Wohnungen fertiggestellt. Die Prognosen für das laufende Jahr gehen von weiter sinkenden Zahlen aus. Darauf verwies Robert Feiger, der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BAU, am Freitag bei einer wohnungspolitischen Konferenz in Berlin.
Dazu eingeladen hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Die Situation am Wohnungsmarkt treibe die Gewerkschaften um, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, weil „hart erkämpfte Lohnerhöhungen oftmals für steigende Mieten draufgehen“. Normalverdienende hätten fast keine Chance mehr, in den Städten zu wohnen, in denen sie arbeiten.
Ukraine-Krieg bremst Wohnungsneubau
Geywitz selbst nannte die Situation extrem schwierig. Das liegt zu einem großen Teil am Krieg in der Ukraine. Inflation und Lieferengpässe treiben die Baupreise nach oben. Weil die Zinsen steigen, haben sich die Finanzierungskosten innerhalb weniger Monate verdrei- oder vervierfacht. „Ich habe so eine Situation noch nicht erlebt“, kommentierte IG BAU-Chef Feiger.
Als die Bundesbauministerin ihr Amt Ende 2021 antrat, war eines der größten Probleme, dass die Bauwirtschaft ausgelastet war und Kapazitäten für weitere Bauprojekte fehlten. Das hat sich ins Gegenteil verkehrt. Ende 2022 habe die Kapazitätsauslastung im Bauhauptgewerbe bei unter 70 Prozent gelegen, heißt es in einem Positionspapier des DGB (siehe Infokasten unten). Es drohe ein Kapazitätsabbau in der Branche, Fachkräfte könnten entlassen werden und dem Markt damit unwiederbringlich verlorengehen. Gleichzeitig sei der Bedarf an Wohnungen nach wie vor enorm groß.
Die Gewerkschaften sehen deshalb die öffentliche Hand in der Pflicht, jetzt noch aktiver zu werden, insbesondere beim Bau von Sozialwohnungen. „Was nicht geht ist, dass kommunale Wohnungsbauunternehmen ihre geplanten Bauvorhaben verschieben“, mahnt Körzell. Auch die bundeseigene Immobilienanstalt BImA müsse mehr bauen und investieren. Körzell fordert zudem ein preislimitiertes Vorkaufsrecht für Kommunen, damit sie die Stadt- und Gemeindeentwicklung besser gestalten können.
Geywitz hofft auf den Bundestag
Ein solches Vorkaufsrecht gab es in Milieuschutzgebieten bereits, die bisherige Vorkaufspraxis wurde aber 2021 vom Bundesverwaltungsgericht gestoppt. Bauministerin Geywitz will das Vorkaufsrecht wiederherstellen, ihr Gesetzentwurf wird jedoch seit längerem von der FDP blockiert. Nun hoffe sie auf den Bundestag, erklärte Geywitz auf der wohnungspolitischen Konferenz. Die Abgeordneten könnten das Vorkaufsrecht noch einarbeiten, wenn sie sich jetzt ohnehin mit der Novelle des Baugesetzbuches befassen.
Ein weiterer Schritt gegen die Wohnungsnot könnte die Wohngemeinnützigkeit sein. Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel darauf verständigt, sie zeitnah einzuführen. Die Eckpunkte würden aktuell mit dem Finanzministerium diskutiert, berichtete Geywitz. Sie kündigte an, das Konzept werde eine Kombination sein aus einem „steuerlichen Gestaltungsmodell“ und Zuschüssen. Konkret heißt das: Wer bezahlbare Mietwohnungen baut statt Luxusappartements und auch eine dauerhafte Sozialbindung eingeht, könnte in Zukunft von staatlicher Unterstützung profitieren.
„Viele Menschen bauen Wohnungen, um sie teuer zu verkaufen“, erklärte die SPD-Politikerin. So etwas müsse man nicht mit staatlichen Mitteln fördern. Wenn aber ein Unternehmen Betriebswohnungen errichten und zu einem geringen Preis vermieten wolle, könne der Staat da mit einer Förderung reingehen.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di Frank Werneke unterstützt die Idee einer Wohngemeinnützigkeit. Auf dem Wohnungsmarkt gebe es zu viel Renditeerwartungen, die Gemeinnützigkeit könne den Renditedruck senken, sagte er.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.