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Neues Rathaus München: Schmuckstück und rote Bastion

Das Gebäude im neugotischen Stil im Zentrum der Bayerischen Landeshauptstadt ist eine Touristenattraktion, die Stadt eine Hochburg der SPD. Der Dienstsitz von Dieter Reiter gehört zu den wohl beeindruckendsten der Republik.
von Carl-Friedrich Höck · 8. April 2024
Rathaus München

Detailreiche neugotische Fassade (oben): Das neue Rathaus in München ist eine echte Sehenswürdigkeit.

Auf der politischen Landkarte Bayerns ist München so etwas wie ein gallisches Dorf. Die CSU mag seit Jahrzehnten den Freistaat Bayern dominieren, doch in der Landeshauptstadt ist das Rathaus traditionell fest in Händen der SPD. Nur von 1978 bis 1984 gab es mit Erich Kiesl ein CSU-Stadtoberhaupt. Ansonsten liest sich die Liste der Münchener Oberbürgermeister wie eine Ahnengalerie der Sozialdemokratie: Thomas Wimmer, Hans-Jochen Vogel, Georg Kronawitter und Christian Ude prägten die Stadt. Seit Mai 2014 führt Dieter Reiter die Amtsgeschäfte.

Sein Dienstsitz gehört zu den wohl beeindruckendsten der Republik. Das „Neue Rathaus“ in München ist eine touristische Attraktion. Erbaut wurde es in mehreren Abschnitten zwischen 1867 und 1905. Der 85 Meter hohe Rathausturm bietet einen Blick über die gesamte Stadt bis hin zu den Alpen. Täglich um 11 und 12 Uhr (sowie von März bis ­Oktober 17 Uhr) versammeln sich besonders viele Schaulustige auf dem Marienplatz, um das Gebäude zu betrachten. Denn dann ist das Glockenspiel mit 43 Glocken zu bewundern. 32 Spielfiguren setzen sich in Bewegung und erzählen aus der Stadtgeschichte. Zu sehen sind ein Ritterturnier (anlässlich der Hochzeit von Herzog Wilhelm V mit Renate von Lothringen im Jahr 1558) und der Tanz der Münchener Schäffler. Diese riefen zum Ende der Pest-Epidemie (1515–1517) die Bürger wieder ins Freie.

Geheimnisvoll wie Hogwarts

Der touristische Rummel stört Verena Dietl (SPD) nicht. Münchens Dritte Bürgermeisterin nennt ihr Büro ihren „absoluten Lieblingsplatz” im Gebäude, denn von dort aus kann sie auf den berühmten Marienplatz herunterblicken. Als gebürtiges „Münchner Kindl“ war Dietl schon früh beeindruckt von dem Rathaus. Wie es innen aussieht, sah sie zum ersten Mal mit zwölf Jahren. Weil sie mit ihrem Team die bayerische Hockeymeisterschaft errungen hatte, wurde sie im Rathaus geehrt. „Etwas Geheimnisvolles“ habe das Haus mit seinen vielen Ebenen und versteckten Ecken ausgestrahlt, sagt sie – und vergleicht den Bau mit der Zauberschule Hogwarts in den ­Harry-Potter-Romanen. Apropos Sportler­ehrung: Der Balkon des Rathauses ist regelmäßig bundesweit im Fernsehen zu sehen. Denn wenn der FC Bayern einen neuen Titel errungen hat, präsentiert die Mannschaft die Trophäe hier den treuen Fans. Dietl gehört allerdings nicht dazu, sie hält zum Lokalrivalen TSV 1860.

Mittlerweile geht die Sozialdemokratin seit 14 Jahren als Kommunalpolitikerin im Rathaus ein und aus. Bis heute hat sie nicht alle Treppen und Winkel erkunden können. Auch wer auf dem Marienplatz steht und die neugotische Fassade des Gebäudes betrachtet, entdeckt immer wieder Neues. Diese ist reich an ­aufwendig gestalteten Details. Vieles verweist auf den bayerischen Adel: Das Reiterstandbild des Prinzregenten ­Luitpold, Abbildungen von Heinrich dem Löwen und zahlreichen Herrschern aus der Familie der Wittelsbacher.
Es gehört zu den Widersprüchen dieses Rathauses, dass das Zentrum der städtischen Demokratie gleichzeitig der Monarchie huldigt. So wie es manch ­einen erstaunen mag, dass ausgerechnet München – die Stadt mit den teuersten Mieten Deutschlands und Heimat der Schickeria – beständig sozialdemokratisch regiert wird.

München hält zusammen

„Es ist nicht so, dass in München nur Reiche wohnen – es gibt auch Armut“, betont Verena Dietl. Sie erklärt: In den vergangenen Jahrzehnten sei die SPD glaubhaft als Kümmerin aufgetreten und habe die Themen angepackt, die den Bewohnerinnen und Bewohnern wichtig waren. Nach dem Krieg sei das der Wiederaufbau gewesen, später der Mangel an bezahlbaren Wohnungen oder die Garantie, dass die Daseinsvorsorge nicht privatisiert und verscherbelt wird. Den Münchnern – auch den wohlhabenderen – sei wichtig, dass etwas für den sozialen Zusammenhalt getan werde, ist Dietl überzeugt. Dafür stehe die SPD. „Wir haben einen sehr hohen Sozialhaushalt“, berichtet sie. Diesen habe man auch in der Corona-Krise nicht gekürzt. Ein weiterer Erfolgsfaktor. „Unsere Oberbürgermeister waren immer sehr beliebt.“

Doch auch in München muss sich die SPD immer wieder neu beweisen. Im Stadtrat stellen die Sozialdemokraten nach Grünen und CSU nur noch die drittstärkste Fraktion. Die Stadtspitze genießt jedoch weiterhin hohe Sympathiewerte. Auch deshalb blickt Dietl optimistisch in die Zukunft. Die SPD sei durch zahlreiche Kontakte „nah an den Menschen“. Wenn sie weiterhin zeige, dass man sich auf ihre Versprechen verlassen kann, und sie eine klare Zukunftsvision für die Stadt habe, werde sich das auch an der Urne auszahlen.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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