Nutzung von Geothermie im „Werftquartier“ Bremerhaven
Wolfhard Scheer
Robert Riechel dürfte glücklich sein. Der Stadt- und Regionalplaner vom Deutschen Institut für Urbanistik mahnte beim DEMO-Kommunalkongress 2023 einen Rundum-Blick an. In der öffentlichen Diskussion über die Wärmewende in Städten und Gemeinden sei unter anderem die Nutzung der Geothermie „unter dem Radar“ verschwunden, kommentierte Riechel im Fachgespräch Kommunale Wärmeplanung. Für Bremerhaven gilt das aber nicht: Die Stadt setzt bei der Entwicklung ihres neuen Stadtteils „Werftquartier“ konsequent auf die Nutzung sogenannter Tiefer Geothermie. Dafür gibt es eine 15 Millionen Euro schwere Förderung vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Dies hat jüngst der Bremerhavener SPD-Bundestagsabgeordnete Uwe Schmidt mitgeteilt.
Mit der Förderung erkenne das Ministerium unter der Leitung von Klara Geywitz (SPD) an, dass das Projekt an der Wesermündung unter anderem bei der Energieversorgung innovativ sei. „Im Zusammenhang mit der Versorgung im südlichen Fischereihafen ist der Salzstock unter der Weser von besonderem Interesse, denn er bietet aufgrund seiner guten Wärmeleitfähigkeit das Potenzial, im Werftquartier Erdwärme grundlastfähig und klimafreundlich für die Wärmeversorgung einzusetzen“, sagt Schmidt. Er ergänzt: „Die bisherigen Studien zur Machbarkeit von Tiefer Geothermie in Bremerhaven zeigen gesicherte Erkenntnisse über ein Erdwärmepotenzial in rund 4.500 Metern Tiefe auf. Damit kann die dringend benötigte grundlastfähige und klimaneutrale Wärme für einen Teil des Werftquartiers geliefert werden.“ Wärme aus der Tiefe stehe rund um die Uhr zur Verfügung.
Modellprojekt an der Küste
Dies ist notwendig, weil auf dem Gelände der ehemaligen Schichau Seebeckwerft in den kommenden zehn bis 15 Jahren auf einem Gelände von rund 140 Hektar ein komplett neuer Stadtteil entstehen soll. Das Motto: Die Stadt rückt näher ans Wasser. Dort wird es eine Mischung aus Wohnen und Arbeiten, Kultur und Freizeitaktivitäten geben. „Der Campus des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung setzt wie die Thünen-Institute für Seefischerei und Fischereiökologie eigene Akzente, das neue Viertel passt sich zwischen die bereits bestehenden Strukturen des Schaufensters Fischereihafen und der Innenstadt ein“, teilt die Stadt hierzu mit.
Die Entwickler sehen das Projekt „Werftquartier“ als Modell für die Stadtentwicklung der Zukunft an. An der Wesermündung werde es „nachhaltig, CO2-neutral und durch neue Formen der Mobilität zukunftssicher“. Die riesige Industriebrache im Bremerhavener Fischereihafen biete der von hoher Arbeitslosigkeit und Menschen in prekären Lebensverhältnissen geprägten Stadt „eine einmalige Chance“, freut sich Oberbürgermeister Melf Grantz.
Tiefe Geothermie zur Stromerzeugung
Wenn die Nutzung der Tiefen Geothermie funktioniert wie geplant, dürfte es keine Probleme bei der Stromerzeugung geben. Dafür dient das sogenannte warme Untergrundwasser, das aus Tiefen von 4.500 bis 5.000 Meter gefördert wird. Diese Energiequelle wird nach Angaben des Bundesverbands Geothermie aktuell für 30 Heizwerke sowie zwölf Kraftwerke genutzt. Dies entspreche 417 Megawatt installierter Wärme und 46 Megawatt installierter elektrischer Leistung. Die derzeitige durchschnittliche Teufe beläuft sich lauf Bundesverband auf 2.500 Meter.
Außer der Tiefen gibt es auch noch die sogenannte oberflächennahe Geothermie. Um diese ging es in der Diskussion über die Wärmepumpenpflicht als Teil des Gebäudeenergiegesetzes. Oberflächennahe Geothermie reicht bis in eine Tiefe von 400 Metern und ist in erster Linie für Privatleute für Heizwärme, Kälte und Warmwasser vorgesehen.
Torsten Kropp
Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.