Open Data: SPD-Abgeordnete Esken fordert ein Umdenken
DEMO: Frau Esken, der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht vor, den „Zugang zu öffentlich finanzierten Publikationen und auch zu Daten (open data)“ zu verbessern. Wie ist der Stand der Umsetzung?
Saskia Esken: Heute Nachmittag (am 31. März, d. Red.) wurde in erster Lesung ein Open-Data-Gesetz im Bundestag beraten, und zwar im Rahmen der Änderung des E-Government-Gesetzes. Die SPD hätte das allerdings lieber im Informationsfreiheitsrecht gesehen, da gehört es thematisch hin.
Was macht den Unterschied aus?
E-Government ist eher nach innen gerichtet, hier geht es um die Arbeit der Verwaltung. Das ist etwas anderes als ein an die Bürgerinnen und Bürger gerichteter Rechtsanspruch auf offene Daten. Diesen Rechtsanspruch wollen wir als SPD erreichen. Hamburg und Rheinland-Pfalz haben ihre Transparenzgesetze – was ja eine Weiterentwicklung des Open-Data-Ansatzes ist – im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes angesiedelt. Da gehört es auch hin.
Wenn der Rechtsanspruch nicht kommt – was ändert denn das neue Open Data-Gesetz?
Es schafft eine Art Selbstverpflichtung der Verwaltung. Die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung sollen ihre unbearbeiteten Daten, die sie zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben erhobenen haben, veröffentlichen. Das gilt für die Daten, bei denen keine gewichtigen Gründe – wie persönlicher Datenschutz – dagegen sprechen.
Wir möchten Kommunen und Verwaltungen motivieren, offen mit Informationen und Daten umzugehen. Das hat nicht nur einen Mehrwert für die Gesellschaft und für die Wirtschaft, denen diese Daten dann zur Verfügung stehen, sondern insbesondere auch für die Verwaltungen selbst. Damit kann auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ebenen und Ressorts der Verwaltung verbessert werden.
Daten in maschinenlesbarer Form zu veröffentlichen bedeutet für die Behörden viel Arbeit. Warum lohnt sich der Aufwand?
Es gibt zum einen eine Menge Ideen, was mit diesen maschinenlesbaren Daten gemacht werden könnte. Freie Kindergartenplätze können besser gemanagt werden. Oder man kann aus den Informationen eines Baumkatasters heraus eine Empfehlung geben, welche Stadtviertel Allergiker meiden sollten. Solche Informationen kann man nur geben, wenn man Daten strukturiert auswerten kann. Das können dann Open-Knowledge-Labs machen, die Kommune selbst oder natürlich auch ein wirtschaftlicher Anbieter, der eine App entwickelt.
Nutzen entsteht oft auch durch die Zusammenführung von Daten verschiedener Anbieter: Etwa Wetterdaten und Echtzeit-Verkehrsdaten, aus denen sich neue Ideen entwickeln. Aber Grundlage für all das ist, dass die Daten erstmal zur Verfügung gestellt werden.
Datensätze sind viel Geld wert. Warum sollen Kommunen sie den Unternehmen kostenlos zur Verfügung stellen, statt die Daten einfach selbst zu verwerten oder Firmen mit der Entwicklung einer App zu beauftragten?
Die Kommune erhebt die Daten ja nicht, weil jemand anderes sie haben will. Sondern sie werden ohnehin für eigene Zwecke erhoben. Damit hat der Steuerzahler, der die Verwaltung finanziert, bereits dafür gezahlt, dass die Daten erhoben werden. Alles, was die Verwaltung produziert, ist Eigentum der Öffentlichkeit. Das ist der Gedanke hinter der Offenheit. Und Unternehmen können Datensätze, die ohnehin jedem frei zugänglich sind, auch nicht weiterverkaufen und damit Geld machen. Sie können nur Geld verdienen, wenn sie selbst wieder einen Mehrwehrt schaffen, also zum Beispiel eine gute App entwickeln.
Dennoch müssten die Kommunen die Datensätze aufbereiten und maschinenlesbar verfügbar machen. Auch das kostet Geld und bindet Personal. Wie wollen Sie den Kommunen da entgegenkommen?
Ich glaube nicht, dass das Hauptproblem das Geld ist. Die Widerstände haben eher mit einer skeptischen Grundhaltung gegenüber Transparenz und Offenheit zu tun. Man möchte alleiniger Interpret bleiben für die Aussagekraft der Daten. Wenn jemand anderes darauf schaut und sie anders interpretiert, muss man sich möglicherweise in eine Auseinandersetzung begeben. Hier ist ein Umdenken notwendig. In einer offenen Gesellschaft müssen Verwaltung und Politik sich diesen Diskussionen stellen.
Was den Aufwand betrifft: Natürlich gibt es den. Aber Informationsfreiheit ist auch mit der jetzigen Gesetzeslage gegeben. Wenn in größerem Ausmaß Anfragen gestellt werden und die Verwaltung diese beantworten muss, ist das entschieden aufwendiger, als die Daten einfach von vorneherein frei ins Netz zu stellen. Man sollte das bereits bei der Erhebung berücksichtigen: Welche Daten können offen sein und welche unterliegen dem Datenschutz? Wenn solche Fragen von vornehereit mitgedacht werden, ist es nicht mehr aufwendig.
Sie haben ein Umdenken für den Umgang mit Daten gefordert. Wie lässt sich das fördern?
Ich muss den Mehrwert begreiflich machen, den jeder einzelne davon hat, wenn er zwar sein Wissen nicht mehr für sich behalten, aber dafür auf das der anderen zugreifen kann. Die zuständige Abteilungsleiterin im Innenministerium hat es mal so formuliert: „Wenn wir wüssten was wir wissen, wäre das schon ein großer Schatz.“
Den aktuellen Gesetzentwurf betrachten Sie offenbar als Zwischenschritt. Was für Ziele setzt sich die SPD für die nächste Wahlperiode?
Jetzt sind wir ja erstmal im parlamentarischen Verfahren, und da gilt das Struck´sche Gesetz: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist. Da wollen wir noch Verbesserungen hinbekommen. Etwa, dass nicht nur die unmittelbaren Behörden des Bundes, sondern auch die mittelbaren verpflichtet sind, Daten zu veröffentlichen. Oder dass auch Forschungsdaten enthalten sind, und dass nicht nur künftige Daten, sondern auch die jetzt schon elektronisch vorliegenden Daten veröffentlicht werden müssen. Wir sind der kleinere Koalitionspartner, aber wir wissen genau, was wir wollen. Deshalb bin ich guten Mutes.
Hamburg und Rheinland-Pfalz haben mit Open Data schon gute Erfahrungen gemacht. Nach dem Vorbild dieser beiden Länder wollen wir ein echtes Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz auch für den Bund beschließen – und dann die Länder motivieren da entsprechend nachzuziehen.
Saskia Esken ist Mitglied der Arbeitsgruppe Digitale Agenda der SPD-Bundestagsfraktion. Sie twittert unter @EskenSaskia.
Weitere Informationen:
Infos des Bundestages zum geplanten Gesetz
Gesetzentwurf (Stand 22.03.2017)
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.