O'zapft is!
SWM
München ist auf einem versteckten Schatz gebaut. Das südliche Oberbayern gilt als eine der Regionen in Deutschland, in der sich heiße Thermalwasservorkommen in der Tiefe der Erde gut anzapfen lassen. Die Münchner pumpen schon seit rund 20 Jahren aus mehr als 1.000 Metern Tiefe heißes Wasser hoch, um die Menschen mit Wärme zu versorgen, also mit anderen Worten, Tiefengeothermie zu nutzen.
Deutschlands größte Geothermieanlage
Heute betreiben die Stadtwerke München (SWM) sechs Geothermieanlagen in der Region München, darunter Deutschlands derzeit größte in Sendling. Auf dem Areal zwischen Isarkanal, Schäftlarnstraße und Großmarkthalle wurden sechs Bohrungen in Tiefen von 2.400 bis 3.200 Metern getrieben. „Sie liefert Energie für 80.000 Menschen“, sagt Christian Pletl, Leiter Geothermie von den Stadtwerken München.
Die gewonnene Wärme wird ins Münchner Fernwärmenetz eingespeist. Es erstreckt sich über gut 900 Kilometer und wird immer weiter ausgebaut. Für Tiefengeothermie müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Die Thermalwassertemperatur muss hoch genug sein für die vorgesehene Nutzung; das Gestein muss durchlässig genug sein, damit das heiße Wasser in großen Mengen an die Oberfläche gepumpt werden kann.
Fernwärme für 500.000 Menschen
„Was die Wärmemenge betrifft, gehen wir davon aus, dass wir heute schon etwa ein gutes Drittel der Münchener Haushalte mit Fernwärme versorgen“, sagt Christian Pletl. Die Stadt hat rund 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner – es ist hier also von 500.000 Menschen die Rede.
„Die Fernwärme bis spätestens 2040 klimafreundlich zu gestalten, ist das erklärte Ziel“ bekräftigt Pletl. Im Rahmen der Kommunalen Wärmeplanung der Stadt werde die CO2-neutrale Fernwärme ein „großes Lösungselement“ sein. Den allergrößten Anteil an der Jahresarbeit werde die Tiefengeothermie übernehmen, so Pletl, dazu kommen Wärmepumpen, thermische Abfallverwertung und mit Biomasse oder anderen klimafreundlichen Brennstoffen befeuerte Anlagen.
SWM liefern Daten und Know-how
Derzeit liegt die Spitzenlast im System bei ca. 1.850 Megawatt. Diese wird – je nachdem, wie es die kommunale Wärmeplanung vorsehen wird – noch mal um etwa 50 Prozent steigen. Federführend für die kommunale Wärmeplanung ist das städtische Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU), es arbeitet dabei gemäß einem Stadtratsbeschluss mit den Stadtwerken München (SWM) zusammen.
Die SWM stellen zum Beispiel Daten und Know-how bereit. „Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend“, erzählt Maik Günther, der auf Seiten der Stadtwerke an dem Projekt mitwirkt. Alle großen Kommunen müssen bis Mitte 2026 einen Wärmeplan vorlegen, lautet das entsprechende Gesetz der Bundesregierung. Wie komplex das sein kann, zeigt Günther an einem Beispiel. Die Stadtwerke arbeiten an Stadtkarten, die „gebäudescharf“ eine Fülle an Daten sammeln, so Günther.
Die Bestandsanalyse umfasse etwa die beheizte Fläche, Nutzungsart, Baujahr, Denkmalschutz, Heizart und auch die Entfernung zum Fernwärmenetz. Das ist wichtig, um zu erkennen, wo noch Potenzial für Fernwärme besteht, oder wo sich oberflächennahe Grundwasserwärmepumpen oder mögliche andere Wärmequellen anbieten.
Kooperation mit Wien
Zudem kooperieren die Städte München und Wien und deren Stadtwerke im Bereich Geothermie eng miteinander. Als die Zusammenarbeit vor fast zwei Jahren schriftlich besiegelt wurde, unterstrich Oberbürgermeister Dieter Reiter: „München will die erste Großstadt Deutschlands werden, die flächendeckend fossile Brennstoffe durch Erneuerbare Energien ersetzt. Und die aktuelle weltpolitische Lage zeigt, wie wichtig diese Umstellung ist, nicht nur aus ökologischer Sicht.”
Fraunhofer Institut: Ausbaupotential in Städten
Nicht überall in Deutschland ist die Wärmewende so weit fortgeschritten: Die Mehrheit der Wohnungen – mehr als 85 Prozent – werden mit fossilen Energieträgern, vor allem Gas und Öl, beheizt. Den Wärmeverbrauch beziffert Professor Gunnar Grün vom Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) mit Blick auf die kommunale Wärmewende (also Raumwärme und Warmwasser) auf fast 800 Terrawattstunden (TWh) pro Jahr. Das Fraunhofer Institut sieht insbesondere Potenzial für die Fernwärme: „Die Fernwärme ist natürlich ein Thema in großen Städten, aber auch zunehmend in Mittelstädten und Kleinstädten“, ist Grün überzeugt. Es gebe Ausbaupotenzial, von 112 TWh/a in 2018 über 146 TWh/a bis 2030 und 170 TWh/a bis 2050. Um diese Potenziale zu heben, müssen etwa zwei bis 2,5 Milliarden Euro pro Gigawatt Erschließung investiert werden.
Bund fördert Wärmenetze
Damit auch mittlere und kleinere Standorte Geothermie nutzen können, ist öffentliche Förderung notwendig. Der Bund hat im September 2022 ein Förderprogramm für effiziente Wärmenetze (BEW) aufgelegt. Bis 2026 stehen rund drei Milliarden Euro für die erneuerbare Wärmeerzeugung, darunter Geothermie, bereit. Wegen der Haushaltskrise wurde die Förderung gestoppt. Seit dem 22. Januar ist das Programm wieder angelaufen. Ab 2026 werden die Fördermittel für den Wärmenetzausbau um 200 Millionen Euro gekürzt. KB
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.