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Ramona Schumann: Powerfrau für Pattensen

Seit zehn Jahren ist Ramona Schumann Bürgermeisterin von Pattensen – und damit deutschlandweit eine der wenigen Frauen in diesem Amt. Dem andauernden Krisenmodus trotzt sie, indem sie offen für Neues bleibt

von Finn Lyko · 6. Januar 2025
Ramona Schumann auf einer Bank sitzend

Seit 2014 führt Ramona Schumann Pattensen durch turbulente Zeiten.

Es ist das Jahr 2014 in Pattensen. In der kleinen Stadt, etwa 30 Minuten von Hannover entfernt, kommt es bei der Bürgermeister-­Stichwahl zum Präzedenzfall. Denn: Mit Ramona ­Schumann (SPD) wird erstmals eine Frau in dieses Amt gewählt. Ihre Wahl, so erzählt sie es rückblickend selbst, war eine Überraschung. Eine junge Frau, Mitte 30, alleinerziehend – auf den ersten Blick schien das nicht zur Bevölkerung des als konservativ geltenden Pattensen zu passen. 

Dabei war sie für das Amt bestens vorbereitet: Vor ihrer Wahl zur Bürgermeisterin hat Ramona Schumann zehn Jahre lang als Bundesbeamtin in der Zollverwaltung gearbeitet. Daneben war sie unter anderem ehrenamtlich im Ortsrat tätig. Für die Diplom-Verwaltungswirtin war das meiste an ihrem neuen Job daher „nichts Neues“, erzählt Schumann, denn bereits vor 2014 sei sie in der Verwaltung „ein- und ausgegangen“.

Nur wenige Rathäuser werden von Frauen geführt

Doch Qualifikation hin oder her: Auch im Rest von Deutschland sind Frauen in der Kommunalpolitik nach wie vor klar unterrepräsentiert. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zufolge lag der Anteil der Bürgermeisterinnen im Jahr 2020 gerade einmal bei neun Prozent. In der Region Hannover, zu der Pattensen gehört, sieht es ähnlich aus: Hier gibt es einen Oberbürgermeister, 18 Bürgermeister – und zwei Bürger­meisterinnen.

Ein Akzeptanzproblem habe es in ihrem Fall trotzdem nie gegeben, erzählt Ramona Schumann. Doch Vorurteile begleiteten sie gerade in ihrer Anfangszeit als Bürgermeisterin durchaus. „Man erwartet von Frauen eine andere Art der Kommunikation“, erklärt Schumann. Entsprechend überrascht seien ihre Kollegen anfangs gewesen, wenn sie mit Nachdruck kommuniziert oder auch mal „mit der Faust auf den Tisch gehauen“ habe, erinnert sie sich. Dabei lege sie viel Wert auf Rationalität und Sachlichkeit in der politischen Arbeit, sagt sie und gibt zu: „Manchmal auch zu viel“. Man dürfe das politische Geschäft nicht persönlich nehmen: „Ich möchte sehr oft sehr viel härter in eine Debatte reingehen können, aber das verbietet mir meine Diplomatie“ – die ihr dann jedoch erlaube, in der Sache voranzukommen.

Einsatz für mehr Effizienz

Eines ihrer politischen Kernthemen ist die Verwaltungsmodernisierung. In Pattensen konnte sie auf diesem Gebiet bereits einiges voranbringen: Der „Rechnungsworkflow“ (Schumann) wurde vollständig digitalisiert, in der gesamten Stadtverwaltung die elektronische Akte eingeführt, und auch mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz beschäftigt sich die Kleinstadt bereits. Eine gute Bilanz? „Es läuft so mittel“, findet Schumann. Vor allem dort, wo die Kommune mit anderen Ebenen zusammenarbeitet, seien die Abläufe eher schleppend und ineffizient. „Ich bin große Verfechterin der Dresdner Forderungen“, erklärt sie.

Diese wurden im Jahr 2021 von mehreren Städten in der sächsischen Landeshauptstadt vorgestellt. Ein Kerngedanke: Für Pflichtaufgaben, die Kommunen lediglich im Auftrag von Bund oder Ländern durchführen, sollen die Auftraggeber auch einheitliche digitale Lösungen zur Verfügung stellen. Aus Sicht der Städte ergibt es wenig Sinn, dass sich etwa bei der Ausstellung von Personalausweisen jede Kommune mit eigenen IT-Lösungen und Modellprojekten auf den Weg macht. In der Realität fänden die Dresdner Forderungen aber noch zu wenig Beachtung, meint ­Ramona Schumann. Dabei sei Nutzerfreundlichkeit essenziell für eine erfolgreiche Verwaltungsmodernisierung. Viel zu oft müssten Kommunen die Ergebnisse aus Diskussionen umsetzen, die auf anderen Verwaltungsebenen stattgefunden hatten, erklärt die Bürgermeisterin ­frustriert.

Aktiv in den sozialen Medien

Einen modernen Ansatz hat Schumann auch in der politischen Kommunikation gewählt. Neben einer Website mit ­eigenem Blog finden sich Accounts auf LinkedIn, Facebook, Instagram und TikTok – die sie alle in Eigenregie betreibt. Auch wenn sie nicht zur vielbeschworenen „Generation TikTok“, der „Gen Z“, gehört: Wenn es um die Videoplattform geht, kommt bei Schumann Begeisterung auf. Eigentlich habe sie sich die App zu Zeiten der Coronapandemie nur aus Neugier angeschaut. Dann sei ihr jedoch klargeworden: „Da kann man echt viel an Informationen weitergeben“.

Schumann blieb also auf TikTok hängen und begann Videos zu posten. Was sie als „Infotainment“ bezeichnet, also eine Mischung aus Information und Unterhaltung, kann ganz unterschiedlich aussehen: In manchen Videos gibt sie Einblicke in ihre Arbeit als Bürgermeisterin, in anderen nimmt sie die Zuschauerinnen und Zuschauer mit an Orte in und um Pattensen oder klärt allgemein über kommunale Themen auf. Manche ihrer Videos erreichen Ansichten im fünf- bis sechsstelligen ­Bereich, auch Menschen außerhalb von Pattensen scheinen sich dafür zu ­interessieren.

Die Bürgermeisterin hält wenig davon, zwischen einer „digitalen“ und einer „echten Welt“ zu unterscheiden. „Für mich verschmilzt das beides“, erklärt sie. Beides sei die Realität – das merke sie auch in ihrem Arbeitsalltag. So halte sie manchmal während Zugfahrten eine „digitalen Bürgersprechstunde“ in den sozialen Medien ab. Auch sei es schon vorgekommen, dass sie von Menschen in der Stadt auf ihre Beiträge zu Diskussionen in Facebook-Gruppen angesprochen werde. „Es war schon immer die Aufgabe von Politik, dort hinzugehen, wo die Menschen sind.“ Nun gehörten eben auch die sozialen Medien dazu, findet die Sozialdemokratin.

Anpassungsfähig in Krisenzeiten

Offen für Neues bleiben – das muss ­Ramona Schumann: Als Bürgermeisterin lerne man ständig neue Menschen kennen und sei immer wieder mit Dingen konfrontiert, mit denen man sich vorher nie beschäftigt habe. „Das Amt prägt einen sehr“, meint sie. Denn: Die Veränderungen und Krisen dieses Jahrhunderts spiegeln sich im Rathaus-Alltag wider. Seit Schumanns Amtsantritt 2014 folgte eine Krise auf die nächste, von der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 über die Coronapandemie bis zu Russlands Angriff auf die Ukraine.

Dass Kommunalpolitik in den kommenden Jahren wieder einfacher werden könnte, bezweifelt sie: „Das Geld wird nicht mehr, aber die Aufgaben der Kommune werden immer mehr und immer schwieriger gegeneinander abzuwägen.“ Da hilft es, wenn eine Bürgermeisterin sachlich und anpassungsfähig bleibt. Beides Eigenschaften, über die Ramona Schumann erwiesenermaßen verfügt.

Autor*in
Finn Lyko

ist Volontärin in der Redaktion des vorwärts.

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