Referat Digitale Stadt wird zum Versuchslabor in Leipzig
Harald Lachmann
In der Magazingasse 3, gleich neben der Universität, schlägt Leipzigs digitales Herz. Erst kürzlich zog das Referat Digitale Stadt in die schmale Straße, und Mitte April eröffnete hier mit dem Smart City Lab Leipzig ein bundesweit beispielgebender „Experimentierraum für neugierige Menschen“, so Beate Ginzel. Dieser werde nun als „zentrale Anlaufstelle für innovative Datenanwendungen in der nachhaltigen Stadtentwicklung“ profiliert, berichtet die Referatsleiterin. Man organisiere etwa Workshops und Seminare für interessierte Bürger.
Zweigleisige Strategie
Einen Schwerpunkt bildet hierbei Künstliche Intelligenz (KI), wobei Leipzig das Thema zweigleisig fährt: Das Amt für Digitalisierung und Organisation leuchtet in die Verwaltung hinein und setzt hier drängende Projekte um, etwa die Digitalisierung des Wohngeldantrags. Hingegen schaut das Referat Digitale Stadt eher „in die Straßen, die Grünbereiche, also zu den Menschen und sucht hier Chancen, wie Digitalisierung dazu beitragen kann, dass die Stadt lebenswert bleibt und sich nachhaltig gestaltet“, so die promovierte Stadtentwicklerin, die seit Jahren die Smart-City-Prozesse in Leipzig verantwortet. Die Nähe zur Universität, an der sie Architektur studierte, sieht Ginzel dabei als „besonderes Privileg“.
Gemeinsam bewerbe man sich etwa um attraktive Förderprojekte, „die allein aus städtischen Mitteln kaum umsetzbar“ wären. Auch das Gros der 25 Mitstreiter im Referat sei projektbezogen finanziert. All das verschaffe ihnen „eine gewisse Beinfreiheit, neue Dinge auszuprobieren“, quasi selbst zum Versuchslabor zu werden, freut sie sich. Teils gehen diese schon weit über Stadtgrenzen hinaus, so beim Leuchtturmvorhaben Connected Urban Twins/CUT (siehe DEMO 2/2023), bei dem man mit Hamburg und München digitale Zwillinge für städtische Entwicklungsprozesse kreiert und erprobt. Aus dem vom Bund bezuschussten Projekt wird auch das Smart City Lab Leipzig gefördert. Dies umfasst auch sechs KI-Pilotprojekte.
Eines der ersten Leipziger KI-Themen widmete sich der Auswertung von Straßenbefahrungsdaten. Inzwischen ergänzt durch Luftbildaufnahmen, liefert es Informationen etwa zum Gebäudebestand und zur Zahl der Haushalte, „aus denen sich dann Verbräuche hochrechnen lassen“, so Ginzel. Andere KI-Pilotvorhaben ermöglichten verlässliche Angaben zu städtischen Parkflächen, „um uns auch sagen zu können, wo man stattdessen vielleicht Bäume pflanzen kann“, oder dienten dem Aufbau eines Energieatlasses.
Planung sozialer Infrastruktur
Auch in die Planung der sozialen Infrastruktur greift man inzwischen per KI ein. So entstand eine Anwendungsplattform für jene Rathausteams, die Standorte für Kitas planen oder bereits bestehende Tagesstätten betreiben. „Als Stadt müssen wir wissen, in welchem Viertel wie viele Kinder geboren werden, und wie wir dann ausreichend Kitas in Wohnortnähe sichern“, so Beate Ginzel, die selbst dreifache Mutter ist. Und gerade auch in Bezug auf jene mehr als 500 Kitas, die Leipzig bereits gebaut hat, gebe es verschiedene kommunale Blickwinkel: Das Sozialamt müsse deren Auslastung kennen, das Amt für Gebäudemanagement brauche Angaben zum Sanierungszustand, das Personalamt interessiere sich für die Zahl der benötigten Erzieherinnen, und auch jene Bereiche, die die Kitas technisch ausstatten, müssten den aktuellen Stand kennen.
Bisher führten alle diese Ämter „ihre eigenen Daten, um sich dann zwei-, dreimal im Jahr zu treffen, diese Angaben zusammenzulegen und Absprachen zu treffen“. Doch die Excel-Tabellen, die dann per E-Mail hin- und her wanderten, sind bald Geschichte. Denn das auf KI fußende Kitastandort-Planungstool schafft eine übergreifende digitale Übersicht, auf die all jene Bereiche „zeitgleich und in Echtzeit zugreifen können“, so die Expertin. Grundlage hierfür sei ein mit Zeitreihen, Tortendiagrammen und Kartendarstellungen gefüttertes Dashboard, auf dem sich auch jede Kita einzeln anklicken lässt.
KI komme also im Rathaus bevorzugt dort zum Einsatz, wo riesige Datenmengen anfallen und zusammengeführte Datensätze auszuwerten sind: „Dies hilft dann, diese Informationen besser zu verstehen, sie zu analysieren oder Muster zu erkennen, um bessere und genauere Entscheidungen zu treffen“, erläutert Beate Ginzel. Indes arbeiteten alle Pilotprojekte noch mit Trainingsdaten. Man wolle zunächst mögliche Risiken erkennen sowie bestimmte Regeln setzen, wie man KI sicher in kommunale Prozesse einbinden kann. Und generell dürfe KI keine Entscheidungen über Bürger treffen, versichert sie. „Damit lassen sich zwar Wohngeldanträge checken, ob sie etwa vollständig sind, aber ob jemand wohngeldberechtigt ist, entscheidet ein Mensch.“
Harald Lachmann
ist diplomierter Journalist, arbeitete zunächst als Redakteur bei der Leipziger Volkszeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, und schreibt heute als freier Autor und Korrespondent für Tages-, Fach- sowie Wirtschaftszeitungen. Für die DEMO ist er seit 1994 tätig.