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Schuldenhilfe für Kommunen: „Was NRW vorschlägt, ist ein Etikettenschwindel.“

Die schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat eine Idee vorgestellt, wie Kommunen mit hohen Altschulden entlastet werden könnten. Der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Bernhard Daldrup hält von dem Konzept wenig.
von Carl-Friedrich Höck · 26. Juni 2023
Bernhard Daldrup: Das Fenster, um den Kommunen aus der Altschuldenfalle herauszuhelfen, schließt sich.

Bernhard Daldrup: Das Fenster, um den Kommunen aus der Altschuldenfalle herauszuhelfen, schließt sich.

DEMO: Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind hoch verschuldet, insgesamt haben sich 20 Milliarden Euro Altschulden aufgetürmt. Die Hälfte davon will die schwarz-grüne Landesregierung nun in Landesschuld übernehmen. Eine gute Nachricht für die Städte und Gemeinden?

Bernhard Daldrup: Scheinbar ja, weil man annehmen könnte, die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen würde sich nach Jahren des Stillstandes endlich bewegen. Wenn man ins Kleingedruckte schaut, entpuppt sich der Plan der Landesregierung allerdings als Etikettenschwindel. Das ist bedauerlich, weil wir endlich eine Lösung für die Altschuldenproblematik brauchen. Das gilt besonders für NRW, denn von den 25 am höchsten verschuldeten Kommunen in Deutschland mit mehr als 100.000 Einwohnenden gehören 15 zu Nordrhein-Westfalen. Ihre Handlungsfähigkeit ist stark eingeschränkt und sie brauchen wirklich Hilfe.

Finanziert werden soll die Schuldenübernahme über die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer. Was heißt das für die Kommunen?

Da fängt das Drama an. Eine echte Altschuldenhilfe würde bedeuten, dass der Bund die eine Hälfte der Schulden übernimmt und das Land die andere Hälfte. Was natürlich bedeutet, dass das Land die Hilfe auch aus eigenen Landesmitteln finanziert. Die Regierung trickst aber und sagt: Wir finanzieren den Kredit von 9,8 Milliarden Euro dadurch, dass wir den Kommunen an anderer Stelle Einnahmen wegnehmen. Das betrifft die Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer in Höhe von 480 mio. Euro. Diese Mittel sollen die Kommunen über viele Jahre nicht erhalten, bis der Kredit getilgt ist. Das verschärft die kommunale Finanzlage aller Kommunen in NRW und besonders der finanzschwachen. Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass ein solches Konzept von den Grünen als Koalitionspartner mitgemacht wird.

Mit anderen Worten: Die Kommunen müssen ihre Entschuldung selbst bezahlen?

So ist es. Alle Kommunen werden herangezogen, um den besonders hoch verschuldeten zu helfen. Dass die Kommunen untereinander solidarisch sein sollen, ist nachvollziehbar. Aber das Land macht sich einen schlanken Fuß. Das ist nicht in Ordnung.

Als weitere Geldquelle will die Landesregierung Anteile aus der Umsatzsteuer nutzen, um damit die Entschuldung der Kommunen zu finanzieren. Da geht es um 215 Millionen Euro. Das Problem ist: Dieses Geld gibt der Bund den Ländern ohnehin mit der Absicht, dass sie es an ihre Kommunen weiterleiten. Hier werden also Bundesmittel umetikettiert und als Großzügigkeit des Landes dargestellt. Das ist unredlich.

Und eines muss ich auch deutlich sagen: Grundlage für die Altschuldenhilfe ist ein Modell des Bundes, das Olaf Scholz noch als Finanzminister entwickelt hat. Es sieht vor, dass der Bund sich einmalig an der Altschuldenhilfe finanziell beteiligt. Als Bedingung müssen die Landesregierungen dafür sorgen, dass ihre Kommunen nicht wieder unverschuldet in eine solche dramatische Schuldenfalle kommen. Auch NRW müsste also seine Kommunen finanziell besser ausstatten, damit sich die jetzige Situation nicht wiederholt. Die schwarz-grüne Landesregierung unternimmt das Gegenteil. Die Kommunen haben in den nächsten Jahren sogar weniger Geld zur Verfügung, wenn der Plan von Kommunalministerin Ina Scharrenbach umgesetzt wird. Es wird Geld abgezweigt, das eigentlich mal dafür gedacht war, dass die Städte und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können.

Zugespitzt könnte man also sagen: Die Kommunen werden zwar nicht entschuldet, aber sie müssen ihre Schulden beim Land abstottern statt bei Banken oder anderen Gläubigern. Kann das auch ein Vorteil sein?

Das wird nicht entscheidend helfen. Das Fenster, um den Kommunen aus der Altschuldenfalle herauszuhelfen, schließt sich. Die Zinsen steigen, dadurch verringern sich die finanziellen Handlungsmöglichkeiten des Bundes, der Länder und auch der Kommunen. Deshalb kommt die Ankündigung des Landes viel zu spät.

Zweitens nehmen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen viele Aufgaben wahr, die in anderen Ländern – ganz oder teilweise – aus dem Landeshaushalt finanziert werden. Wenn das Geld nicht ausreicht, ist nicht entscheidend, wo die Schulden liegen. Die NRW-Landesregierung müsste seine Kommunen im Gemeindefinanzausgleich eigentlich pro Jahr mit mindestens zwei Milliarden Euro mehr ausstatten. Das passiert aber nicht. Bei wachsenden Zinsausgaben geraten die Kommunen leicht in neue Schuldenspiralen statt rauszukommen.

Die NRW-Landesregierung hofft darauf, dass sich auch der Bund an der Entschuldung beteiligt. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist tatsächlich eine Entlastung für Kommunen mit hohen Altschulden vereinbart. Wovon hängt ab, ob sie wirklich kommt?

Erstens müssen sich die betroffenen Bundesländer angemessen an der Entschuldung beteiligen. Da muss sich NRW noch bewegen, denn was die schwarz-grüne Landesregierung bisher plant, ist ein Etikettenschwindel. Das hat auch der Bundesfinanzminister bereits erkannt und den NRW-Plänen eine Absage erteilt. Zweitens muss das Grundgesetz geändert werden, damit der Bund den betroffenen Kommunen direkt helfen und ihre Schulden übernehmen darf. Für eine Grundgesetzänderung brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, also die Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion. Bisher ist die nicht erkennbar. Deshalb sehe ich Ministerpräsident Hendrik Wüst in der Pflicht, bei Friedrich Merz Überzeugungsarbeit zu leisten. Und drittens muss auch der Bundesrat zustimmen. Dort brauchen wir die Solidarität auch derjenigen Länder, die selbst keine Kommunen mit hohen Altschulden haben. Und was nicht geht, ist, dass beispielsweise Bayern oder Baden-Württemberg die Hand aufhalten und sich ihre Zustimmung teuer abkaufen lassen.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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