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So funktioniert Integration auf dem Land

Die Landkreise können die Integration der Geflüchteten besonders gut meistern, meint der Deutsche Landkreistag. Eine Studie hat nun 18 gelungene Praxisbeispiele unter die Lupe genommen. Am Freitag wurde sie in Berlin vorgestellt.
von Carl-Friedrich Höck · 5. Dezember 2016
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„Integration darf nicht scheitern!“, mahnt Reinhard Sager, der Präsident des Deutschen Landkreistages. Und zwar nicht nur, weil das für die Kommunen richtig teuer werden würde – es würde auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden, ist er überzeugt. Als Pessimist gibt sich Sager aber ganz und gar nicht, als er am Freitag eine Integrationskonferenz seines Verbands eröffnet.

Vor einem Jahr noch sei es darum gegangen, eine Million Flüchtlinge angesichts des nahenden Winters angemessen unterzubringen, ruft Sager in Erinnerung. Das hätten die Kommunen hervorragend gemeistert. Das sei auch „ein Beweis für die Kraft der Landkreise“. Und diese legten nun auch die Weichen für gelingende Integration, „immer pragmatisch, immer lösungsorientiert und mit dem richtigen Maß an Erwartungshaltung.“

Integrations-Studie zeigt Vielfalt des Themas auf

Beispiele aus 18 Landkreisen hat eine Studie des Landkreistages zusammengetragen. 150 Interviews mit Landräten, Integrationsbeauftragten und Projektleitern wurden hierfür geführt. Das Ergebnis spiegelt die Breite der Handlungsfelder wider: Wohnen, Sprache, Arbeit und Ausbildung, Schule und Bildung, Ehrenamt und gesellschaftliches Zusammenleben. (Die Studie kann kostenlos hier heruntergeladen werden.)

Da gibt es den Landkreis Osnabrück, in dem die Flüchtlinge schnell fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden sollen. In einem Migrationszentrum wird für jeden Zuwanderer eine individuell zugeschnittene Integrationsstrategie entwickelt und diese zusammen mit den verschiedenen Akteuren, die für eine Integration in den Arbeitsmarkt relevant sind, umgesetzt. „Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass die Menschen schnell so viel Sprache wie nötig lernen, um in den Arbeitsmarkt zu kommen“, sagt Landrat Michael Lübbersmann (CDU). Profitieren sollen davon auch die vielen mittelständischen Unternehmen im Landkreis, die aufgrund der demografischen Entwicklung händeringend junge Arbeitskräfte suchen.

Oder der Kreis Siegen-Wittgenstein. „Integration kann nur gelingen, wenn die Menschen vom Objekt zum Subjekt werden, vom Hilfsbedürftigen zum aktiven Mitglied der Gesellschaft“, sagt Landrat Andreas Müller (SPD). Gelungen sei Integration dann, wenn Zugewanderte nicht nur im Fußballverein mitspielen, sondern dort auch in den Vorstand gewählt werden. Die lokale Initiative „Vielfalt und Zusammenhalt in Siegen-Wittgenstein“ soll helfen, die Menschen zusammenzubringen. Der Landrat hat sie gemeinsam mit Personen aus Wirtschaft, Kultur und Wohlfahrt ins Leben gerufen, um einen Diskurs über kulturelle Vielfalt und soziales Miteinander anzustoßen. Dabei müssten auch Werte wie Religionsfreiheit oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau vermittelt werden, stellt Müller klar: „Grundlage unseres Zusammenlebens ist das Grundgesetz.“

Innenminister: Integration im ländlichen Raum wird die Regel sein

Das unterstreicht auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), als er auf der Konferenz zu den Landkreis-Vertretern spricht – wobei er sogar noch weiter geht. Auch Aspekte wie die Bedeutung des Holocaust für die Deutschen müssten den Einwanderern vermittelt werden.

De Maizère geht davon aus, dass Integration im ländlichen Raum „die Regel und nicht die Ausnahme sein wird“. Weil hier ausreichend Wohnraum vorhanden ist und Kita-Gruppen mehr durchmischt sind, aber auch weil Gemeinschaften hier anders funktionieren als in der Großstadt. Zwar vergehen hier Jahre oder Jahrzehnte, bis aus dem Zugezogenen „einer von uns“ geworden ist, meint der Minister. Aber man kümmere sich eben auch. „Menschen auf dem Land fühlen sich zuständig, wenn die Straße dreckig oder der Fußballplatz nicht gemäht ist.“

Wartezeiten für Integrationskurse werden verkürzt

Damit Integrationskurse auch auf dem Land schneller beginnen können, plane das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Garantievergütung, kündigt der de Maizière an: Ein Kurs mit 10 oder 14 Teilnehmern wird dann so vergütet, als hätte er 17.

Bereits nachgekommen ist der Bund dem Wunsch vieler Landkreise, eine Wohnsitzauflage zu ermöglichen. Sie soll es den Kommunen erleichtern, Integrationskonzepte langfristig zu planen. Umgesetzt wurde die Auflage bisher aber nur in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Dem Landkreistag-Präsidenten genügt das nicht. „Wir brauchen eine flächendeckende Umsetzung der Wohnsitzauflage“, fordert Reinhard Sager.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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