So geht Mobilität im ländlichen Raum – auch ohne eigenes Auto
Jochen Tack via www.imago-images.de
Großstadtmenschen sind es gewohnt, dass alle paar Minuten ein Bus oder eine Bahn kommt. Wer abseits der Metropolen im ländlichen Raum lebt, kann davon oft nur träumen. Lange Distanzen, dünn besiedelte Ortschaften – das mache es für Verkehrsunternehmen unwirtschaftlich, einen flächendeckenden öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) anzubieten, erklärt Melanie Schade. Sie leitet das Kompetenzzentrum für ländliche Mobilität im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Trotz Mobilitätswende besitzen deshalb viele Landbewohner*innen ein eigenes Auto. Doch nicht für alle ist das eine Option. Zum Beispiel für Kinder oder ältere Menschen, die nicht mehr selbst fahren können. Auch für sie müssen Mobilitätsdienstleistungen zur Verfügung gestellt werden. „Wir wollen nach Lösungen Ausschau halten“, sagt Peter Jakubowski, Leiter der Abteilung Raum- und Stadtentwicklung im BBSR.
Best-Practice-Sammlung
Das Institut hat vor drei Jahren das Online-Nachschlagewerk „Mobilikon“ ins Leben gerufen. Mittlerweile sind dort mehr als 100 Maßnahmen aufgelistet, wie die Mobilität im ländlichen Raum verbessert werden kann. Oft handelt es sich um kreative Kooperationen von Kommunen mit Ehrenamtlichen, der lokalen Wirtschaft oder anderen Gemeinden. In einem Pressegespräch hat das BBSR einige Ansätze vorgestellt.
Zum Beispiel diese:
Dorfbus in Feldatal. Ein Kleinbus ersetzt in Thüringen den ÖPNV-Linienverkehr. Einen Fahrplan gibt es nicht, der Bus kann flexibel angefordert werden (On-Demand). Das ist deutlich günstiger als ein klassisches Busangebot. Ähnliche Angebote gibt es auch in vielen anderen Kommunen als Bürger- oder Rufbus, mal mit und mal ohne Fahrplan.
MOSTA. Dieses Projekt in Nordfriesland basiert ebenfalls auf einem Rufbus, kombiniert mit weiteren Mobilitätsangeboten. Das Besondere: Die beteiligten Kommunen binden die Kulturbranche aktiv ein. Ziel der Kooperation: Veranstaltungen sollen besser erreichbar werden, man will zusätzliche Tourist*innen anlocken und zugleich das Mobilitätsangebot insgesamt verbessern.
Mitfahrbank Oberfranken. Auch diese Idee hat sich in vielen Gemeinden etabliert. In Oberfranken zum Beispiel gibt es mehr als 200 Mitfahrbänke. Wer sich auf die Bank setzt, signalisiert so, dass er oder sie von einem Autofahrenden mitgenommen werden möchte. Per Schild oder über eine App können die Nutzer*innen angeben, wohin sie fahren möchten.
Dorfbeweger Effolderbach. Eine Initiative stellt E-Lastenräder und andere Fahrzeuge zum Ausleihen bereit. Sharing-Angebote, die zum Teil ehrenamtlich betrieben werden, spielen auf dem Land eine zunehmende Rolle. Weitere Beispiele: Der nicht-kommerzielle Fahrrad-Verleih „Landradl“ ermöglicht es im Kreis Wolfenbüttel sogar, das Fahrrad in einem anderen Dorf zurückzugeben. Und im Landkreis Barnim gibt es eine kommunale elektrische Dienstflotte. Die Autos können nach Dienstschluss von den Bürger*innen per App ausgeliehen werden („BARshare“).
Mobilstation Mettingen. Die Mobilitätsstation kombiniert eine Schnellbus-Linie mit eine E-Bike-Verleih. Wer mit dem Bus im Ort ankommt, kann von der Haltestelle aus mit dem Fahrrad weiter bis ans Ziel fahren.
Seniorentaxi Hachenburg. Menschen ab 67 Jahren können zu einem ermäßigten Preis Taxi fahren. Auch für Jugendliche gibt es ein solches Angebot. Die Verbandsgemeinde bezuschusst die Taxifahrten.
Sicher mit dem Rad unterwegs
Das BBSR sammelt darüber hinaus Beispiele, wie der Fahrrad- und Fußverkehr verbessert werden kann. Im Niedersächsischen Rotenburg wurde die Innenstadt zum „Wohnzimmer“ erklärt, der Autoverkehr weitgehend herausgenommen. In der Altstadt von West Freising (Bayern) sind Stellflächen weggefallen, die Flächen wurden entsiegelt und begrünt. Und im Sankt Wendeler Land (Saarland) ist ein Bahnradweg entstanden. Er führt auf ehemaligen Bahntrassen entlang und verbindet drei Gemeinden.
„Es müssen nicht zwingend immer große bauliche Maßnahmen sein“, meint Johannes Schneider vom Kompetenzzentrum für Ländliche Mobilität. Auch kleinere Maßnahmen könnten einen Unterschied machen. Im Landkreis Osterholz hätten Fahrrad-Piktogramme, die auf innerörtliche Kreisstraßen gemalt wurden, dazu beitragen, dass Radfahrende sich sicherer fühlen.
Mehr Beispiele:
mobilikon.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.